Bochum. Die Firma Baltz übernimmt das Traditionslokal Mutter Wittig in Bochum. Das Ambiente soll bleiben, dennoch können sich Gäste auf Neues freuen.
Andor Baltz übernimmt mit seiner Firma noch im November die Gaststätte Mutter Wittig und kauft auch das mehr als 100 Jahre bestehende Gasthaus samt historischem Gebäude in der Innenstadt von Bochum. Der Kaufmann versichert, dass das Traditionslokal nichts an Atmosphäre verlieren wird.
„Der Innenraum von Mutter Wittig soll natürlich bleiben, wie er ist“, sagt Andor Baltz. „Die Atmosphäre ist einzigartig.“ Investitionen seien trotzdem erforderlich. Küchengeräte, Kühlhaus, Stühle – im Zusammenspiel mit dem neuen Betreiber Achim Franzmann soll das beliebte Restaurant sich entwickeln. „Einen neuen Kombidämpfer haben wir schon“, freut sich Franzmann.
Firma Baltz übernimmt Mitarbeiter von Mutter Wittig in Bochum
Baltz will alle Mitarbeiter übernehmen. „Hier arbeiten noch gestandene Servicekräfte und nicht im Wechsel Studenten“, so Baltz. „Das Personal weiß, wie treue Gäste behandelt werden müssen.“ Neun Angestellte, vier Auszubildende und vier Aushilfen bilden die „Mannschaft“ bei Mutter Wittig.
Die langjährige Inhaberin Isabel Heer gibt das Restaurant aus Altersgründen ab. „Ich möchte noch ein bisschen mehr vom Leben haben und mal in Urlaub fahren können, ohne mir Gedanken zu machen, ob wir genug Leute für das Restaurant haben“, sagt die 81-Jährige.
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Heer ist im englischen Bristol geboren, wanderte im Alter von 25 Jahren aber gemeinsam mit einer Freundin auf die Bahamas aus. „Weil das Wetter so schlecht war.“
Auf der sonnenverwöhnten karibischen Insel lernte sie ihren Mann Joachim kennen, einen Urenkel der Hebamme Emma Wittig. Diese hatte 1916 die „Restauration zur Altstadt“ übernommen; seit 1936 ist die Gaststätte nach ihr benannt.
Ehemaliger Küchenchef vom Pfefferkorn in Dortmund leitet das Restaurant
1973 kamen Joachim und Isabel Heer nach Deutschland. „Mein Schwiegervater benötigte unsere Hilfe“, erinnert sich Heer. In Bochum übernahmen sie erst das „Goldene U“ im heutigen Bermudadreieck und 1980 schließlich Mutter Wittig. Nach dem Tod ihres Mannes 2008 stand 13 Jahre lang Adrian Dellwig, der Sohn eines befreundeten Ehepaars, Isabel Heer zur Seite.
Künftig wird Achim Franzmann das Restaurant operativ leiten. Isabel Heer und Andor Baltz suchten den gelernten Koch, der seit 2003 bei Pfefferkorn in Dortmund arbeitete und zuletzt dort Küchenchef war, gemeinsam aus. „Dieses Restaurant ist genau das, was ich toll finde. Wir werden den notwendigen Wandel bei Mutter Wittig so vollziehen, dass sich alle wohlfühlen und die Gemütlichkeit nicht verloren geht“, verspricht Franzmann.
Auch die Karte werde er nur behutsam verändern. „Renner“ wie die Hähnchenbrust mit Pfirsich, die Leber am Dienstag oder die Auswahl an Fisch würden definitiv bleiben. Gleichzeitig aber müsse dem jüngeren Publikum Rechnung getragen werden. „Veganes und vegetarisches Essen wird immer mehr nachgefragt.“
Biergarten wird im Frühjahr umgebaut und barrierefrei
Die ersten Änderungen werden vermutlich schon im Frühjahr sichtbar. „Der Biergarten muss bequemer werden“, wünscht sich Andor Baltz. Ein Holzdeck könnte die Fläche um die große Platane, die 1949 zum Kirchentag gepflanzt worden ist, auch für Ältere wieder attraktiver machen.
Mit dem Erhalt von Mutter Wittig will Andor Baltz zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen will er unmittelbar etwas für seine Kunden tun, die das Restaurant nach oder vor dem Einkaufen aufsuchen. „Mittags sind bei uns 40 bis 50 Prozent der Gäste Kunden von Baltz“, schätzt Isabel Heer, „das sieht man gut an den blauen Beuteln.“
Kaufmann Andor Baltz fordert Stadt Bochum zum Handeln auf
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Zum anderen will der Kaufmann verhindern, dass sich in seinem direkten Umfeld der Wandel Bochums ähnlich vollzieht, wie es im Bereich am Ende des Boulevards Richtung Hauptbahnhof zu beobachten ist. „Aus einem Restaurant können Sie schnell eine Dönerbude machen, aber aus einer Dönerbude nicht so schnell ein Restaurant“, beschreibt Baltz seine Sorgen.
Baltz fordert die Stadt auf, den Boulevard zu stärken. Der Handel habe von August 2019 bis August 2021 rund 20 Prozent an Kundenfrequenz eingebüßt. „Kinderfreundlichkeit ist ein Mega-Thema. Die Dino-Ausstellung war super, auch die Rutsche an der Alten Apotheke finde ich gut.“
Weniger zufrieden ist der Chef des Modehauses mit der Erneuerung des Pflasters, das sei an einigen Stellen schon sehr unansehnlich. „Damit bin ich sehr unglücklich.“ Baltz wünscht sich eine Stärkung von Bochum Marketing und mehr Veranstaltungen auf dem Boulevard. „Das ist eine tolle Ausstellungsfläche, die muss besser genutzt werden.“