Bochum. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat gegen die Chefs von Medican in Bochum Anklage erhoben. Ihnen wird vorgeworfen, zu viel abgerechnet zu haben.
Die Staatsanwaltschaft Bochum hat Anklage gegen den Betreiber der Corona-Schnelltest-Firma Medican aus Bochum erhoben. Sie wirft dem 48-jährigen Unternehmer vor, mit falschen Abrechnungen gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung getrickst und einen Gesamtschaden von mindestens 25,1 Millionen Euro angerichtet zu haben.
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Das bestätigte die Sprecherin des Landgerichts Bochum, Katja Nagel, am Mittwochmorgen auf Anfrage der WAZ. Es geht um die Abrechnungsmonate März und April 2021. Der Angeschuldigte sitzt seit einer Durchsuchung seiner Firma in Wattenscheid in U-Haft. Rund 15 Millionen Euro waren damals von den Ermittlern von den Konten des Angeklagten beschlagnahmt worden.
Medican in Bochum: Teststellen-Betreiber soll mit Corona-Tests betrogen haben
Als faktischer Geschäftsführer seiner GmbH soll der Angeschuldigte „die Pandemienotlage und die Besonderheiten bei der Bereitstellung und Abrechnung von staatlichen Mitteln dazu genutzt haben, sich persönlich an öffentlichen Mitteln der Bundesrepublik Deutschland zu bereichern“, heißt es beim Landgericht.
Insgesamt soll das Unternehmen nach WAZ-Informationen 2,5 bis drei Millionen Bürger auf das Coronavirus überprüft haben. An 54 Standorten in 36 Städten Deutschlands, vor allem in NRW, waren die Tester im Einsatz. In Wattenscheid gab es ein Drive-In Corona-Testzentrum. 40 Busse und 25 Laborgeräte standen als Teststellen bereit.
Der Vorwurf lautet nun: Der Firmenchef habe nicht nur tatsächlich durchgeführte Tests abgerechnet, sondern auch frei erfundene. Er soll erkannt haben soll, dass es „aufgrund der pandemiebedingten Besonderheiten unmittelbar keiner Nachweise für die tatsächliche Erbringung der Testungen bedurfte“, so das Gericht.
Außerdem soll er ärztliche Leistungen in Rechnung gestellt haben, obwohl es diese gar nicht gegeben habe. Dadurch seien Rechnungen höher gewesen. Schließlich sollen auch gar nicht entstandene Sachkosten – etwa für Test-Kits und Schutzkleidung – gefordert und quittiert worden sein.
Mutmaßlicher Geschädigter ist ein Bundesamt
Den mutmaßlichen Schaden soll letztendlich gar nicht die kassenärztliche Vereinigung gehabt haben, sondern das Bundesamt für soziale Sicherung, das die ausgezahlten Gelder erstattet haben.
Insgesamt soll Medican in den Monaten März und April sogar rund 35 Millionen Euro ausgezahlt bekommen haben.
Angeklagt ist auch ein zweiter damaliger Verantwortlicher (26) von Medican. Ihm wird Beihilfe in einem Fall vorgeworfen. Er war laut Anklagevorwurf nur formeller Geschäftsführer der GmbH. Spätestens im April, nach Auszahlung der März-Vergütungen, habe er erkannt, dass die Tests nicht korrekt abgerechnet worden seien. Trotzdem habe er die Geschäfte weiter gefördert und damit in Kauf genommen, dass auch die nächste Abrechnung nicht in Ordnung sein würde.
Nach einigen Wochen in U-Haft ist er aber längst wieder auf freien Fuß.
Ein Prozesstermin vor der 6. Wirtschaftsstrafkammer unter Vorsitz von Richter Michael Rehaag steht noch nicht fest.
Strafverteidiger: Angeklagter Teststellen-Betreiber will nicht zu viel abgerechnet haben
Strafverteidiger Reinhard Peters vertritt den Medican-Betreiber vor Gericht. Er will dort zumindest einen Teil der Vorwürfe nicht gelten lassen. „Den Vorwurf, dass zu viele Tests abgerechnet wurden, bestreitet mein Mandant nachhaltig“, sagte Peters am Mittwoch auf WAZ-Anfrage. „Bei den anderen Vorwürfen handelt es sich nach unserer Auffassung um reine Rechtsfragen, die das Gericht beantworten muss.“ So soll die Firma damals sehr wohl einen hauptamtlichen Arzt und zwei Teilzeitärzte zur Überwachung eingestellt haben.
Peters wird die Anklage und das weitere Vorgehen mit seinem Mandanten zeitnah besprechen.