Bochum. „Wer bietet mehr?“, fragt die WAZ in einer Serie. Aktuell gesucht: die „dienstältesten“ Mieter. Die ersten Anwärter bringen es auf über 60 Jahre.

„Dauermietvertrag“, steht auf dem nur leicht vergilbten Dokument, das Gertrud Chylewski für den WAZ-Besuch aus der Schublade geholt hat. Wohl wahr. Am 1. April 1960 zog die Bochumerin mit ihrem Ehemann Alfred in die Wohnung an der Klüsenerstraße ein. Alfred starb vor 25 Jahren. Die drei Kinder, die hier glücklich groß wurden, nähern sich selbst dem Seniorenalter an. Gertrud Chylewski ist hier immer noch zu Hause. Genau eine(r) der Dauer-Mieterinnen und -Mieter, die die WAZ für ihre Serie sucht.

„Wer bietet mehr?“, fragen wir seit dem Sommer. Historische Bücher, PS-Oldtimer, uralte ungeöffnete Konservendosen oder – zuletzt – untrennbare Freundschaften: Die Aufrufe an Bochumer Rekordhalter haben schon einige großartige Geschichten hervorgebracht.

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Miete kostete beim Einzug vor 61 Jahren 83,50 Mark

Aktuell im Fokus: die „dienstältesten“ Mieter der Stadt. Gertrud Chylewski gehört dazu. Seit mehr als 61 Jahren lebt sie in ihrer 65-Quadratmeter-Wohnung in Gerthe. Vermieter war seinerzeit die Bochumer Heimstätten-Gesellschaft. „Das Haus war gerade gebaut worden. Die Wohnungen durften nur von Belegschaftsmitgliedern der Bergbau AG Lothringen bezogen werden“, berichtet die 87-Jährige.

Gesucht: Bochums „dienstälteste“ Mieter

In der neuen Runde unserer Serie „Wer bietet mehr?“ suchen wir die dienstältesten Mieter Bochums.

Die aktuelle Bestmarke liegt bei 63 Jahren. Können Sie die Mieterinnen, die wir heute vorstellen, toppen? Dann schreiben Sie uns!

Kontakt: redaktion.bochum@waz.de oder per Brief an die WAZ-Redaktion, Huestraße 25 in 44787 Bochum; Stichwort: „Dienstältester Mieter“.

Ihr Mann erhielt den Zuschlag. 83,50 Mark kostete die erste Kaltmiete. Heute sind’s 560 Euro mit Nebenkosten, die die ehemalige Steno-Kontoristin an die VBW überweist.

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87-jährige Gertherin will „so lange bleiben, wie es geht“

An einen Auszug habe sie nur einmal gedacht: beim Tod ihres Mannes. Bleiben oder sich verändern? „Ich hab’ mir einen Zettel genommen und das Für und Wider aufgeschrieben. Das Für hat überwogen.“ So ist es noch immer. Zwar seien viele Nachbarn verstorben. Mit glücklichem Lächeln schwärmt die topfitte Rentnerin (sie turnt beim TV Gerthe) aber über die gute internationale Hausgemeinschaft und die Kinder im Haus, „alle wohl erzogen“. Sie wolle „so lange bleiben, wie es geht“.

87 und topfit: Traute Schulz wohnt als Mieterin seit 63 Jahren an der Lothringer Straße. „An der Wohnung hängt mein Herz“, sagt die Gertherin.
87 und topfit: Traute Schulz wohnt als Mieterin seit 63 Jahren an der Lothringer Straße. „An der Wohnung hängt mein Herz“, sagt die Gertherin. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Das gilt auch für Traute Schulz, die die Marke von Gertrud Chylewski übertreffen kann. Ihr Mietvertrag im Hosentaschenformat datiert vom 15. Dezember 1958. Kurz vor Weihnachten zog Traute Schulz damals mit ihrem Ehemann Helmut (Bergmann „auf Lothringen“) und dem eineinhalbjährigen Kind (ein zweites sollte folgen) in das Mehrfamilienhaus an der Lothringer Straße ein. Miete: 77 Mark für 64 Quadratmeter. Heute sind’s mit Nebenkosten 458 Euro.

Im Hosentaschenformat kommt der Mietvertrag von Traute Schulz aus dem Jahr 1958 daher.
Im Hosentaschenformat kommt der Mietvertrag von Traute Schulz aus dem Jahr 1958 daher. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Heimatverbundenheit auch im Schrebergarten

Ein Wohnungswechsel habe sich in den 63 Jahren „nie ergeben“, sagt die 87-Jährige, die sechsfache Urgroßmutter ist. Man sei immer bescheiden gewesen. „Zwei Kinder, das kostet ja alles.“ Froh sei sie über ihre Entscheidung. „Früher rappelte hier die Straßenbahn vorbei. Die Umgebung hat sich zum Positiven verändert. Man hat alles, was man braucht. Mein Herz hängt an der Wohnung. Das gibt man nur auf, wenn man irgendwann einmal muss.“ Das gilt auch für ihren geliebten Schrebergarten in der Anlage „Friedlicher Nachbar“, den Traute Schulz seit 61 Jahren hegt und pflegt.

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Heimatverbundenheit: die zeichnet auch Bettina Placzek aus. Sie erzählt im Rahmen der WAZ-Serie eine ureigene Geschichte. 1961 mieteten ihre Eltern Rosemarie und Karl-Heinz eine Wohnung am Harpener Hellweg. „Es war eine Werkswohnung. Vater war ,auf Stahlwerke’“, schildert die Tochter. Anfangs habe Mutter wieder weggewollt. Papa konnte den Umzug verhindern. „Er sagte: Guck mal, was hier bald Schönes nach Harpen kommt“ – und meinte den Ruhrpark, der 1964 eröffnet wurde.

Bettina Placzek hat die Wohnung ihrer verstorbenen Eltern Rosemarie und Karl-Heinz übernommen. Die lebten seit 1961 am Harpener Hellweg.
Bettina Placzek hat die Wohnung ihrer verstorbenen Eltern Rosemarie und Karl-Heinz übernommen. Die lebten seit 1961 am Harpener Hellweg. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Tochter führt Familientradition in Harpen nach 60 Jahren fort

Die Eltern blieben. Vater starb 1990, Mutter 2013. Seit 1982 lebt auch Bettina Placzek wieder in dem Mehrfamilienhaus. Sie führt die Familientradition fort und ist in der elterlichen Wohnung heimisch geworden. Harpen verlassen? Niemals! Und das hat nicht nur etwas mit dem Ruhrpark zu tun.