Bochum. Freunde seit 85 Jahren? Gibt’s das? Ja! In Bochum sind zwei heute 90-Jährige seit ihrer Kindheit unzertrennlich. Die WAZ fragt: „Wer bietet mehr?“
„Wir bleiben zusammen, bis wir den Deckel auf die Nase kriegen“, sagt Heinrich Risse und lacht glücklich. Einen guten, wahren Freund zu haben, ist ein Geschenk. Eine Freundschaft, die seit mehr als acht Jahrzehnten währt, ist ein Segen. Heinrich Risse und Gerhard Holle kann seit sage und schreibe 85 Jahren nichts und niemand trennen. Bei der WAZ-Serie „Wer bietet mehr?“ sind sie die aktuellen Rekordhalter.
Das WAZ-Gespräch daheim an der Krockhausstraße in Stiepel muss Heinrich Risse ohne seinen langjährigen Wegbegleiter führen. „Gerd ist derzeit in einer Tagespflegeeinrichtung“, sagt der 90-Jährige. Gern hätte er ihn an seiner Seite gehabt. So wie fast immer seit 1936.
Nach dem Krieg finden die Freunde schnell wieder zusammen
Damals wachsen Heinrich und Gerd – beide Jahrgang 1931 – in Querenburg auf. „Wir wohnten beide an der Overbergstraße. Als Fünfjährige haben wir im Sandkasten gespielt“, erinnert sich Risse. Mit zehn Jahren wechseln sie auf die Mittelschule: Heinrich auf die Hugo-Schultz-Schule, Gerd auf die Jakob-Mayer-Schule. Zusammen bleiben sie dennoch: „Die Schulen lagen direkt nebeneinander.“
Der Krieg und seine furchtbaren Folgen kann der Freundschaft nichts anhaben. „Die Evakuierung nach Pommern wegen der Bombenangriffe trennte uns für zwei Jahre. Danach erlebten wir aber wieder gemeinsam die Nachkriegszeit“, schildert Heinrich Risse und erzählt von schrecklichen Erlebnissen wie Plünderungen und „Mord und Totschlag in Querenburg“, aber auch von der gemeinsamen Konfirmation 1945 in der Evangelischen Kirche Laer und aufregenden Jugendjahren als Halbstarke mit Kino und Tanzschule.
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Ehepaare werden zur eingeschworenen Gemeinschaft
Die Wirtschaftswunderzeit ebnet den Weg ins Berufsleben und Eheglück. Heinrich arbeitet beim Oberbergamt Dortmund und wird später Regierungsoberamtsrat; Gerd findet eine Anstellung bei der Commerzbank, wo er bis zur Rente als Prokurist beschäftigt ist. 1957/58 heiraten sie: Heinrich seine Ruth, Gerd sein Ellruth. Auch die Kinder kommen fast gleichzeitig zur Welt.
Die beiden Ehepaare sind eine eingeschworene Gemeinschaft. „Wir gingen zum Sport, gründeten in den 70er Jahren einen Kegelclub, hatten Skatabende und fuhren zusammen in Urlaub. Es waren herrliche Zeiten. Der eine war immer für den anderen da, in jeder Lebenslage. Das ist bis heute so“, schwärmt Ruth Risse (87).
Freundschaftlicher Beistand nach dem Tod der Ehefrau
Intensiven Beistand brauchte Gerhard Holle 2005, als seine geliebte Ellruth starb. „Da mussten wir ihn auffangen, ihm beistehen und ihn unterstützen“, berichtet Heinrich Risse. „Das war schwer.“ Doch er weiß: Genau in diesen Lebenskrisen muss sich eine Freundschaft bewähren. Bei ihnen hat’s geklappt. Durch den Verlust der Ehefrau sei man noch enger zusammengewachsen.
„Wer bietet mehr“: In neuer Runde geht es um Mieter
„Wer bietet mehr?“, fragt die WAZ in einer neuen Serie. Nach Oldtimern, historischen Büchern und Uralt-Konservendosen suchen wir in Folge 4 die älteste Freundschaft in Bochum.
Können Sie die 85 Jahre von Herbert Risse und Gerhard Holle toppen? Dann schreiben Sie uns: per E-Mail an redaktion.bochum@waz.de oder per Brief an die WAZ-Redaktion, Huestraße 25 in 44787 Bochum; Stichwort: Freundschaft.
Derweil beginnt eine neue Rekord-Runde. Diesmal gesucht: die „dienstältesten“ Mieter Bochums. Wohnen Sie schon seit langer Zeit, womöglich etlichen Jahrzehnten, in einer Mietwohnung? Dann erzählen Sie uns Ihre Geschichte. Kontakt: siehe oben. Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften!
Bis heute sehen sich Heinrich und Gerd (er lebt in Witten-Bommern) regelmäßig. Tauschen ihre Erfahrungen und Erinnerungen aus. Sind tolerant, auch wenn man mitunter nicht einer Meinung ist. „Politisch sind wir unterschiedlicher Auffassung. Wir wählen verschiedene Parteien. Aber das ist doch völlig normal“, sagt Heinrich Risse. Wichtig sei, dem anderen nicht nach dem Mund zu reden, findet Ruth Risse. „Echte Freunde müssen Kritik verstehen und annehmen, auch wenn’s unangenehm ist.“
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Freunde sind zuversichtlich: Der Deckel muss noch warten
Klar, mit neunzig haben beide Freunde schon schwere Erkrankungen gemeistert. Als „letzte Alt-Querenburger“ sind sie gleichwohl fest gewillt, den 85 Jahren noch so einige hinzuzufügen. In aller Freundschaft: Der Deckel muss noch warten.