Bochum. In Bochum wächst die Sorge vor weiter steigenden Corona-Zahlen. Die Inzidenz 35 wurde am Freitag überschritten. Was droht – und was wichtig ist.
38,6 – 54,3 – 100: Diese drei Zahlen kennzeichnen die aktuelle Corona-Lage in Bochum. Mit 38,6 überstieg die Sieben-Tage-Inzidenz am Freitag zum ersten Mal seit Anfang Juni wieder die Schwelle von 35. Mit 54,3 Prozent weist die Impfquote weiterhin nur langsam nach oben. Mit nahe 100 Prozent sind nunmehr fast alle Neuansteckungen auf die Delta-Variante zurückzuführen. Grund für die Stadt, ihr Impfangebot auszuweiten. Anlass für Mediziner, vor einer zunehmenden Sorglosigkeit zu warnen.
„Ich befürworte die Lockerungen der Corona-Beschränkungen. Aus meiner Sicht schlägt das Pendel nun aber ins andere Extrem aus“, sagt Prof. Christoph Hanefeld, Geschäftsführer des Katholischen Klinikums Bochum. Sowohl im privaten als auch öffentlichen Bereich werde die Pandemie vielfach nicht mehr ernst genug genommen. Dabei sei die dominierende Delta-Mutante „genauso ansteckend wie Windpocken“.
Corona in Bochum: Stadt meldet 47 Neuansteckungen an einem Tag
Dafür sprechen die jüngsten Zahlen des Gesundheitsamtes. Die Kliniken müssen wieder mehr Corona-Patienten stationär behandelt (aktuell 13, davon vier intensiv). Am Freitag wurden 47 Neuansteckungen binnen 24 Stunden bestätigt. So viele waren es seit Monaten nicht mehr. Die Altersgruppe zwischen 20 und 30 Jahren ist besonders betroffen. Derzeit sind 201 Bochumer infiziert (Vortag: 177). Knapp jeder Dritte (61) hat sich zuvor im Ausland aufgehalten – hauptsächlich in Spanien und den Niederlanden.
Die Urlauber, die nach ihrer Rückkehr aus Hochrisiko- und Virusvariantengebieten in Quarantäne müssen, werden vom Gesundheitsamt „telefonisch stichprobenartig kontaktiert“, versichert die Stadt. Die Arbeit der städtischen Kontrolleure ist deutlich gewachsen: Am Freitag mussten in Bochum 423 Menschen in häuslicher Isolation ausharren.
Kassenärzte mahnen: Impfen schreiten zu langsam voran
Groß ist die Besorgnis von Eltern, dass Kinder und Jugendliche nach Ende der Ferien in die Schulen zurückkehren, ohne eine vorgeschriebene Quarantäne angetreten zu haben. „Wir haben Verständnis für die Sorgen“, erklärt Stadtsprecher Peter van Dyk. „Wir tun als Schulträger alles, um die vom Land angeordneten Maßnahmen zum Schutz der Schulkinder hier in Bochum gemeinsam mit dem Gesundheitsamt umzusetzen.“
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Aktiv ist die Stadt auch beim Einsatz mobiler Impf-Teams: am Samstag (7.) von 14.30 und 17.30 Uhr erstmals im Bermudadreieck. Gut so, meint Dr. Eckhard Kampe, Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Gerade mit Blick auf die jüngeren Reiserückkehrer und den baldigen Schulbeginn müsse die Impfkampagne in Bochum schleunig Fahrt aufnehmen. „Im Moment geht das zu langsam. Die Infektionen treffen gerade die Klientel, die noch ungeschützt ist.“
Impfdurchbrüche nehmen zu – auch in den Kliniken
Abwärts bewegt sich die Tendenz bei den Impfungen für Zwölf- bis 15-Jährige. Ließen sich zum Auftakt am Mittwoch und Samstag letzter Woche noch insgesamt 500 Kinder und Jugendliche eine Spritze setzen, kamen am vergangenen Mittwoch 98 Schülerinnen und Schüler in den Ruhrcongress. Am Samstag geht’s von 8 bis 18 Uhr weiter. „Es sind noch genügend Termine frei“, wirbt der Leiter des Impfzentrums, Björn Sperber.
Dritt-Impfungen sollen im September starten
„Die niedergelassenen Ärzte stehen für eine mögliche dritte Corona-Impfung bereit“, teilt die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) mit.
Ab September sollen besonders gefährdete Personengruppen eine Auffrischungsimpfung erhalten. Damit sind alte und schwer erkrankte Menschen daheim ebenso gemeint wie Bewohner von Pflegeeinrichtungen.
In den Altenheimen sollen die Impfungen wie schon zum Start der Kampagne Anfang des Jahres vor Ort erfolgen – bestenfalls gleichzeitig mit den Grippeschutzimpfungen, die zu dieser Zeit ebenfalls anstehen.
Für die Dritt-Impfungen steht das Impfzentrum im Ruhrcongresss voraussichtlich nicht mehr zur Verfügung. Die Finanzierung durch das Land soll zum 30. September auslaufen.
Klinikum-Chef Hanefeld schließt sich dem Appell an, sich wo immer es geht impfen zu lassen, weist zugleich aber auf eine Gefahr hin. Es gebe immer mehr Impfdurchbrüche. Das heißt: Vollständig Geimpfte infizieren sich und können das Virus übertragen, „zuletzt auch Mitarbeiter unserer Klinik“. Schon in Kürze könnte sich die Frage stellen, ob auch infizierte Geimpfte in Quarantäne müssen oder weiter arbeiten dürfen.
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Zahl der Testzentren schrumpft – doch neue Inzidenzstufe droht
Zunehmende Bedeutung könnten bald wieder die Corona-Testzentren gewinnen. Deren Zahl ist geschrumpft: von anfangs weit über 200 auf jetzt 152. Bleibt Bochum in den nächsten sieben Tagen über der Inzidenz von 35, würden erneut die Regelungen der Inzidenzstufe 2 greifen. Das würde eine Rückkehr zur Testpflicht in der Innengastronomie und in den Bädern bedeuten. Hinzu kämen Beschränkungen u.a. bei Kulturveranstaltungen und im Einzelhandel (ein Kunden pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche).