Bochum-Dahlhausen. Nach dem Ruhr-Hochwasser in Bochum-Dahlhausen gilt es Maßnahmen zu ergreifen. Das fordern auch Anwohner Am Ruhrort, wo die Stadt bauen will.

Nachdenken nach dem Extrem-Hochwasser in Dahlhausen: Die Katastrophe offenbare „Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Bebauung und Klima – selbst über objektive Gutachten, wenn sie denn Teil des Bebauungsplans wären“, betont Karin Schick von der Bürgerinitiative Am Ruhrort, wo die Stadt Bochum ein Baugebiet auf kommunalem Grund erschließen will. Argumente und Befürchtungen der Anwohner seien angesichts der Flutkatastrophe begründet, betont Schick.

Die Ruhr drückt auch in Bochum

„Die Ruhr drückte das Wasser in den Kanal, durch den der Bach, der unter der Straße verläuft und in die Ruhr mündet“, sagt sie. „Seit den frühen Morgenstunden bis zum Abend sprudelten Wasserfontänen aus den Kanaldeckeln. Von dort aus fand das Wasser seinen Weg in die Keller und Gärten der Häuser des vorderen Teils der Straße.“ Das Grabeland sei bis wenige Zentimeter unter dem Straßenniveau vollgelaufen, „bis das Wasser sich dann von hier aus auch den Weg in die Keller der angrenzenden Häuser suchte. Weitere Häuser blieben verschont, Dank der natürlichen Rückhaltefunktion des Grabelandes“.

Dabei sei nicht nur das Volumen des Becken entscheidend. „Aufgrund ihres Porenvolumens können humusreiche Böden mehr Wasser speichern als andere.“ 13 Keller mussten von der Feuerwehr abgepumpt werden, sogar das Grabeland selbst um das erneute Volllaufen der Keller zu unterbinden. Ursprünglich seien alle Häuser in der Straße Am Ruhrort an den Kanal, durch den der Bach in die Ruhr fließt, angeschlossen gewesen.

Wasser schoss in Bochum-Dahlhausen meterhoch aus der Kanalisation

Hochwasser an der Ruhr in Bochum-Dahlhausen: Die Gullydeckel kamen hoch.
Hochwasser an der Ruhr in Bochum-Dahlhausen: Die Gullydeckel kamen hoch. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Die Häuser auf der rechten Seite haben mittlerweile ein eigenes Kanalisationssystem, das in die Kanalisation unter der Eiberger Straße mündet, weil es immer wieder vorkam, dass die Ruhr wie jetzt zuletzt das Wasser in den Kanal und somit in die Küchen der Häuser drückte. Im Zusammenhang mit der historischen Bebauung falle auf, „dass die Fläche des Grabelandes in der Siedlung eine Lücke darstellt, und dass das Grabeland deutlich tiefer liegt“. Das sei kein Zufall.

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde ca. ein Meter des Oberboden abgetragen, um das Oberflächenwasser der Hänge des Hörster Holz durch wasserdurchlässiges Gestein abfließen zu lassen. „Bis dato war dieses Gebiet bei Regen tagelang eine Seenlandschaft, da der Hörster Bach diese Menge nicht aufnehmen konnte.“ Vor 200 Jahren war das Problem der Entwässerung bereits bekannt. Auch wenn die Bezeichnung „Grabeland“ heute allgemein für Gärten in für Bebauung ungeeigneten Gebieten verwendet werde, leite sich das Wort ursprünglich von der Bezeichnung für eine künstlich angelegte Vertiefungen zur Entwässerung ab. „Die zu erwartenden Probleme aufgrund der Lage des Grundstückes an die angrenzenden Hänge wurden im gesamten B-Plan bisher noch gar nicht thematisiert.“

Zusätzlich zum abfließenden Wasser von den Hängen bestehe heutzutage die Gefahr von Erdrutschen durch Bodenerosion, oft ausgelöst durch starke Niederschläge wie langer Regen oder Starkregen – und das dadurch bedingte Eindringen von Wasser zwischen vorher gebundene Bodenschichten.

Stadt Bochum müsse reagieren

Nach dem Ruhr-Hochwasser musste auch in Dahlhausen viel Hausrat als Müll entsorgt werden.
Nach dem Ruhr-Hochwasser musste auch in Dahlhausen viel Hausrat als Müll entsorgt werden. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Ursache ist u.a. das Absterben und die Verrottung von den Boden stabilisierenden Wurzeln. Das Risiko eines Erdrutsches ist abhängig von der Wasserdurchlässigkeit und Wasseraufnahmefähigkeit der Bodenschichten, dem Gefälle des Geländes, dem Vorhandensein oder Fehlen einer schützenden Vegetation, deren Durchwurzelung die Bodenkrume zusammenhält, dem Vorhandensein rutschiger Grenzflächen, beispielsweise entlang von Tonschichten.“ In wieweit diese Faktoren auf den angrenzenden Dr.-C.-Otto-Wald zutreffen, „sollten sicherlich Fachleute beurteilen“.

Abgesehen davon, „dass die Straße Am Ruhrort der tiefste Punkt in Dahlhausen ist (nach Angaben der Feuerwehr), wurde in der akuten Hochwassersituation auch deutlich, dass das Grabeland für Dahlhausen, die einzige Freifläche diesseits des Bahndamms ist, die die Funktion, Wasser aufzunehmen erfüllt. Stundenlang war am Donnerstag unklar, ob das Rekordhochwasser nicht doch noch über den Bahndamm hinaussteigt und somit Dahlhausen flutet“.

Stauanlagen im Blick

Das hänge davon ab, inwieweit Stauanlagen an der Ruhr oberhalb von Dahlhausen, so auch der Kemnader See, ihre Schleusen öffneten. „Die Komplexität solcher Naturereignisse macht deutlich, dass eine isolierte Bewertung, ob man eine hochwassergefährdete Fläche durch Aufschüttung mal eben bebauen kann, nicht möglich ist.“ Letztendlich habe auch Dahlhausen eine Verantwortung gegenüber den flussnahen Gebieten flussabwärts. „Das Wasser, das hier wegen Versiegelung nicht abfließen kann, wird auch anderswo Schaden anrichten“, so Katrin Schick.