Bochum-Kornharpen. Die Abdeckung der Zentraldeponie in Bochum-Kornharpen mit immensen Mengen von Lößlehm ist in vollem Gang. In neun Jahren soll alles fertig sein.

Ein kleines Holzschild zeigt den Weg, wenn er auch noch Jahre in der Zukunft liegt. „Naturlehrpfad“ steht da auf dem Brettchen im Konferenzraum des USB, des Umweltservice Bochum, direkt am großen Wertstoffhof. Vor allem aber direkt an der ZDK, der Zentraldeponie Kornharpen, dem „Berg“, wie es Michael Weßelmann auf den Punkt bringt. Denn die Funktion als Deponie ist Geschichte. Die erste grüne Schicht ist bereits gewachsen.

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Die Zahlen, mit denen der Projektabwickler und damit derzeitiger Leiter der Deponie, nach und nach aufwartet, machen schwindlig. „Zurzeit werden 74.000 Tonnen Lößlehm zur Abdeckung aufgebracht“, leitet er ein. Dass ist nur der erste Abschnitt. Bis November sollen es zur „Vorprofilierung“ des östlichen Bereichs in Richtung der Autobahn 140.000 Tonnen sein. In neun Jahren sollen alle Abschnitte fertig modelliert sein.

Bochumer Hausmüll wurde von 1978 bis 2005 angekippt

Ein Gasbrunnen auf dem Plateau der Zentraldeponie Kornharpen. Die Rohre reichen 40 Meter in die Tiefe.
Ein Gasbrunnen auf dem Plateau der Zentraldeponie Kornharpen. Die Rohre reichen 40 Meter in die Tiefe. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Als Orientierung: Jeder der Lkw, die in kurzen Takten den Berg hinauf fahren, kippt schon 20 Tonnen Material ab. Die verteilt ein Bulldozer in kürzester Zeit praktisch spurlos. 1.000 Tonnen täglich sollen es sein, um den Plan bis November einzuhalten.

Michael Weßelmanns Geschichte ist auch ein Stück ZDK-Geschichte, auf der von 1978 bis 2005 Hausmüll gekippt wurde. Er ist jetzt zehn Jahre beim USB, zuvor bei der Abfallsammlung, und lächelt bei der Zusammenfassung „Wir sind auf der Zielgeraden. Wir sehen noch, was war, und arbeiten daran, was kommt.“ Es kommt die Natur zurück, und mit ein bisschen Ausprobieren sogar schneller und besser, als es der Plan zur Rekultivierung und Gestaltung vorsieht.

Blühwiese in 154 Metern Höhe

Auf dem Testfeld zeigt sich, wie gut Pflanzen auf verschiedenen Böden wachsen. Die Deponie wird zur Rekultivierung vorbereitet.
Auf dem Testfeld zeigt sich, wie gut Pflanzen auf verschiedenen Böden wachsen. Die Deponie wird zur Rekultivierung vorbereitet. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Denn knapp unterhalb des Plateaus, das die maximale Höhe der ZDK von 154 Metern über dem Meeresspiegel bildet, hat das Team um Weßelmann und die Abteilungsleiterin Sabrina Fischer von der Deutschen Montan-Technologie (DMT) vier Versuchsfelder nebeneinander abgesteckt. Grünschnitt vom Wertstoffhof ist hier dem Bodenmaterial in immer größeren Anteilen beigemischt worden, darauf dann die „Thüringer Mischung“ für eine Blühwiese auf eher mageren Böden ausgesät.

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Die Wiese mag anscheinend diesen gehäckselten Untergrund, denn je mehr davon untergemengt worden ist, desto stärker ist deutlich der Bewuchs.

Hier wird nur zweimal im Jahr der Aufwuchs grob gemäht, um Rücksicht auf Kleintiere zu nehmen und in der Blütezeit den Insekten Nahrung zu geben. „Wir haben hier in jedem Abschnitt dazu gelernt“, blickt Weßelmann zurück.

Deponiegas und Solaranlage erzeugen Energie

Bäume wird es nicht geben auf den um 30 Grad ansteigenden Seiten oder dem Plateau. Denn die könnten ihre Wurzeln doch irgendwann in ferner Zeit in die Folien und Bentonitmatten ausstrecken, die unter allen Erdschichten den ursprünglichen Deponiekörper abdecken. Auf 30 Jahre hat der USB ohnehin noch die gesetzliche Pflicht zur „Nachsorge“, dieses Hausmüll-Erbe zu überwachen. Das Deponie-Gas wird kontrolliert, abgeleitet und im Blockheizkraftwerk in Energie umgewandelt. 3,8 Millionen Tonnen waren das im Betrieb. Die sonnige Südseite der ZDK ist auf 23.000 Quadratmetern mit einer Solaranlage bedeckt, die ebenfalls Strom erzeugt.

Deponieleiter Michael Weßelmann arbeitet mit der Vergangenheit der Deponie an der Zukunft des „Berges“.
Deponieleiter Michael Weßelmann arbeitet mit der Vergangenheit der Deponie an der Zukunft des „Berges“. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Die Zeit spielt hier eine eigene Rolle. „Wir mussten warten, bis sich der Deponiekörper gesetzt hat, bis wir mit der Abdeckung beginnen konnten“, schildert Weßelmann. Ein bis vier Meter an Masse hat sich der Koloss gesenkt und Deponiegas aus der schrumpfenden Müllmenge abgegeben. „In Zukunft werden alle technischen Anlagen hier nur noch minimal laufen, wenn nichts mehr austritt“, erklärt der Ingenieur. Tatsächlich steht das unter dem Titel „Mumifizierung“.

Insektenhotel, Lehrpfad, Info-Zentrum in Zukunft

Während oben noch Lkw um Lkw Tonne um Tonne Bodenmaterial herankarrt, hat unten schon die Zukunft in Grün begonnen. „54 Obstbäume, das ist schon außergewöhnlich“ zeigt Weßelmann stolz rund um den Wertstoffhof, dazu ein Insektenhotel, das auf 100 Meter Länge ausgebaut werden soll.

Guthaben auf dem Öko-Konto

Anfangs hätten die Anwohner, die 27 Jahre mit der Hausmüll-Deponie leben mussten, die Erdbewegungen äußerst skeptisch beobachtet, wissen die USB-Mitarbeiter. Nach dem festgelegten Ende des Betriebes seien allerdings nur Maßnahmen zur Abdeckung und nun zur Profilierung vorgenommen worden. Auch die maximale Höhe der Deponie war auf 154 Meter über Normalnull (NN) vorgeschrieben.

Manche haben tatsächlich gemerkt, dass hier kein Müll mehr gekippt wurde, als die Möwen nach und nach verschwunden sind“. Inzwischen suchen hier Mäusebussarde und Turmfalken nach Beute.

In der Hochrechnung habe der USB mit allen Maßnahmen die Eingriffe in die Natur „überkompensiert“, erzählt Projektleiter Michael Weßelmann, auf dem eingerichteten Öko-Konto sei ein Guthaben.

Details über die laufenden Maßnahmen und Kontakt: https://www.usb-bochum.de/vorprofilierung/

Es soll ein Naturlehrpfad auf den „Berg“ entstehen, ein Informationszentrum für Schulklassen, Besucher und vor allem die Anwohner. „Die hätten wir jetzt schon längst eingeladen“, bedauert der Deponieleiter, aber Corona mit allen Einschränkungen hat die Öffnung logistisch einfach zu schwierig gemacht.

Den Tippelsberg von hier auszumachen, gelingt an diesem Tag nicht. Allerdings hat der auch nur als Boden- und Bauschutt-Deponie gedient. Aber er hat sich nach diesem Kapitel gewandelt und ist längst ein beliebtes Ausflugsziel. So ähnlich soll es dem „Berg“, der die ZDK war, auch gehen.