Bochum. . Auf der Zentraldeponie Kornharpen hat sich die Natur breitgemacht. Ab 2020 werden die Pflanzen aber ausgewechselt, weil der „Berg“ abgedichtet wird.

Auf dem jahrzehntelang angehäuften Hausmüll der Menschen in Bochum wächst und gedeiht ein kleiner botanisches Kosmos. „Hier auf dem Berg ist von der Artenvielfalt mehr los als auf den umliegenden Feldern“, sagt Ingenieur Jörg Pfeil, Abteilungsleiter beim USB Bochum. Mit dem „Berg“ meint er die gut 60 Meter hohe und 34 Hektar große Zentraldeponie Kornharpen. Sie misst an ihrem höchsten Punkt 154 Meter über NN und ist mittlerweile zu Bochums größtem grünen Hügel geworden.

An seinen Rändern ist im Laufe der Jahre ein Wald gewachsen, der weithin sichtbar ist, von den angrenzenden Zugstrecken wie von der A43: Buchen, Bergahorne, Eichen, Pappeln, Eschen, Akazien, Linden, Weiden und Erlen. Sie wurden in den 80er-Jahren gepflanzt, nicht allein aus biologischen und Umweltschutzgründen, sondern auch um die Hänge der Müllhalde zu stabilisieren und Erosion zu verhindern.

© Dietmar Wäsche / FUNKE Foto Serv

Und auch innerhalb dieses Wald-Ringes, direkt auf der Deponie, sprießt die Natur mit solcher Kraft, dass Berufsbotaniker wochenlang beschäftigt wären, würden sie alle Arten dokumentieren. Forstwirtin Kirstin Nieland, die für den USB arbeitet, nennt Beispiele: Goldrute, Schmetterlingsflieder, Japanischer Flieder, Disteln, gelber Klee, Japanischer Knöterich, Weidenröschen und massenhaft Brennnesseln. Und auch der schwarze Holunder macht sich dort breit. „Kann man prima zu Marmelade verarbeiten“, sagt Kirstin Nieland.

Eines haben all diese Pflanzen mitten auf der Halde gemeinsam: Sie sind von ganz allein gewachsen – durch Flugsamen. Von ganz allein kamen auch die Bussarde auf den „Berg“. Sie jagen Mäuse und Kaninchen. Der USB hat für sie extra 30 Ansitzstangen errichtet, so genannte Julen.

Ab 2020 wird die Deponie abgeschürft und mit Folien abgedichtet

Eine Idylle ist die 1978 eröffnete Deponie aber trotz ihres grünen Mantels natürlich nicht. Tief drinnen im Berg schlummern Abfälle, deren Inhaltsstoffe man besser wohl nicht alle komplett wissen will. Seit 2005, so wollte es ein Gesetz zum Grundwasserschutz, wird dort kein Hausmüll mehr abgeschüttet; er wird in Wuppertal und Herten verbrannt. Seit 2009 wird dort auch kein Bauschutt mehr abgekippt. Danach begann die „Stilllegungsphase“, die bis heute andauert. Der USB brachte auf der Halde eine bis zu acht Meter dicke Abdeckschicht aus Bau- und Bodenstoffen auf, auf der sich die Natur ausbreiten konnte. Der USB freut sich darüber, denn die Bepflanzung fängt das Regenwasser auf.

Allerdings sind die Tage all dieser Pflanzen gezählt! Ab 2020 wird – bis auf den Außenring mit den Bäumen – die komplette Deponie abgeschürft und mit Noppen- und Glattfolien abgedichtet. Sie werden sich über fast 30 Hektar erstrecken. Pro Jahr sollen vier Hektar abgedichtet werden. 2027 soll alles fertig sein. Auf die Riesenfolien kommt später eine „Rekultivierungsschicht“ mit Lösslehm und Mutterboden, in die dann ganz neue Pflanzen gesetzt werden: Wiesen-Hornklee, Kratzdisteln, Wiesenrispengras, Glatthafer, Löwenzahn, Mehlige Königskerze und Krauser Ampfer.

Aus 69 Brunnen wird Gas zur Strom- und Wärmegewinnung abgezapft

In einigen Jahrzehnten könnte die Deponie einmal öffentlich begehbar sein; so wie jetzt schon der mit Bau- und Bodenschutt angehäufte Tippelsberg. Dann könnten unsere Kinder auf zwei grünen Hügeln in der Stadt spazieren gehen.

Die Deponie besteht je zur Hälfte aus Hausmüll und Baustoffen. Durch die Zersetzung entsteht Gas, das in 69 Gasbrunnen abgezapft wird. Damit wird in einem Blockheizkraftwerk Strom und Wärme erzeugt. Zusammen mit der Solaranlage am „Berg“ können so fast 2000 Haushalte versorgt werden.

Sorge in der Anwohnerschaft löst der Plan des USB aus, die Deponie wieder als Boden- und Bauschuttdeponie zu öffnen. Beschlossen ist noch aber nichts.