Bochum. Ärzte in Bochum beklagen eine zunehmende Impfmüdigkeit. Die Folgen könnten fatal sein. Hier sind alle Zahlen und Entwicklungen zur Corona-Lage.

Ärzte in Bochum schlagen Alarm. Dringend müsse die Impfbereitschaft erhöht werden, um die Bevölkerung zu schützen. „Gerade bei jüngeren Menschen beobachten wir eine zunehmende Impfmüdigkeit. Das ist fatal!“, warnt der Vorsitzende des Medizinischen Qualitätsnetzes (MedQN) Bochum mit 150 angeschlossenen Haus- und Fachärzten, Dr. Michael Tenholt. Der Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Dr. Eckhard Kampe, regt spätestens für Ende Juli eine konzertierte Aktion in Bochum an: „als nochmaligen Aufruf und Appell, sich impfen zu lassen.“ Die wichtigsten Infos zur aktuellen Corona-Lage.

Wie viele Bürgerinnen und Bürger sind geimpft?

160.200 Frauen und Männer sind vollständig geimpft. Das sind 43 Prozent aller Einwohner. 211.944 haben die Erstimpfung erhalten. Das entspricht rund 57 Prozent.

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Welche Rolle spielt die Delta-Variante?

In Bochum ist sie noch relativ selten. Bislang wurde die Mutante 20 Mal nachgewiesen. Bei den aktuell 24 Infizierten wurde sie in vier Fällen bestätigt (zum Vergleich: die britische Mutante in 16 Fällen).

Woher rührt die Sorge der Ärzte?

Das hochansteckende Delta-Virus werde auch in Bochum schnell auf dem Vormarsch sein, befürchtet MedQN-Chef Michael Tenholt. „Für eine Herdenimmunität benötigen wir deshalb eine Impfquote von mindestens 85 Prozent.“ Die Gefahr wachse, dieses Ziel zu verfehlen. „Viele wiegen sich wegen der fallenden Inzidenzen (in Bochum am Montag 3,6) in falscher Sicherheit“, sagt Tenholt und prangert insbesondere die Impfschwänzer an, die Termine verfallen lassen.

Zahl der Impfschwänzer ist in Bochum überschaubar

Wie viele Impfschwänzer gibt es in Bochum?

Offenbar deutlich weniger als im Landesschnitt. „Für uns ist das kaum ein Problem“, sagt Björn Sperber, Leiter des Impfzentrums im Ruhrcongress. Ein Beispiel: der vergangene Sonntag. Von 1126 Impfterminen wurden 25 nicht wahrgenommen – überschaubar. KV-Chef Eckhard Kampe mutmaßt, dass sich die allermeisten Impfschwänzer mehrere Termine besorgt haben und beim schnellsten zugreifen. Das sei ärgerlich, gerade ohne Absage. „Aber letztlich zählt jede Impfung. Bestrafen würde ich das nicht.“

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Wie stehen aktuell die Chancen für eine Erstimpfung?

Bestens. Den 210 Haus- und Fachärzten, die sich derzeit in Bochum an der Impfkampagne beteiligen, stehen in dieser Woche allein 14.000 Dosen Biontech zur Verfügung. „Nächste Woche werden es noch mehr. Wir sind an einem Wendepunkt. Die Wartelisten sind vielfach abgearbeitet. Termine sind innerhalb von ein bis zwei Wochen möglich“, berichtet Eckhard Kampe. Das Impfzentrum kann in dieser Woche u.a. 9000 Dosen Biontech und 2450 Dosen Astrazeneca verimpfen. „Wir stellen gerade 550 neue Termine ins Anmeldesystem der KV“, sagte Björn Sperber am Montag. Sie gelten ab Donnerstag (8.).

Als Vorbild für die Ruhr-Uni und die Hochschulen in Bochum gilt das Impfzentrum, das die Universität Witten-Herdecke im Frühjahr in Betrieb genommen hat. Mediziner fordern auch für die Bochumer Studenten zügig eine eigene Impfkampagne.
Als Vorbild für die Ruhr-Uni und die Hochschulen in Bochum gilt das Impfzentrum, das die Universität Witten-Herdecke im Frühjahr in Betrieb genommen hat. Mediziner fordern auch für die Bochumer Studenten zügig eine eigene Impfkampagne. © FUNKE Foto Services | Matthias Graben

Kreuzimpfungen: „Jeder bekommt jetzt das, was er möchte“

Welche Folgen hat die jüngste Erklärung der Ständigen Impfkommission?

Die Stiko-Empfehlung, nach einer Erstimpfung mit Astrazeneca einen mRNA-Impfstoff für die Zweitimpfung zu wählen, habe „zu reichlich organisatorischem Aufwand“ geführt, schildern Haus- und Fachärzte in Bochum. Dank der deutlich erhöhten Zuteilung mit Biontech könne die Vorgabe der Stiko in den Praxen aber in aller Regel umgesetzt werden, frühestens nach vier Wochen. Auch im Impfzentrum heißt es: „Jeder bekommt jetzt das, was er möchte.“

Impfzentrum soll bis 30. September schließen

Die Stadt Bochum bekräftigt auf WAZ-Anfrage, dass das Impfzentrum bis zum 30. September geschlossen werden soll. Dann soll landesweit die Finanzierung der Zentren auslaufen.

Der Ruhrcongress könnte fortan wieder für Kultur, Messen und Tagungen genutzt werden.

Eine erste Reaktion der Stadt auf die sinkenden Inzidenzen gibt es bereits. Der Corona-Krisenstab tagt seit Juni nur noch mittwochs und bei Bedarf. Zuvor gab es drei Sitzungen pro Woche.

Müssen sich Menschen, die zweimal mit Astrazeneca geimpft wurden, nun Sorgen machen?

Keinesfalls, betont KV-Bezirksleiter Kampe. „Es ist möglich, dass eine Kreuzimpfung etwas besser wirkt. Eine Erst- und Zweitimpfung mit Astrazeneca bietet aber ebenfalls einen sehr hohen Schutz gegen einen schweren Verlauf. Das ist keine Impfung zweiter Wahl!“

Eigene Termine für Studenten und Hochschüler gefordert

Was bleibt zu tun, um die Impfquote weiter zu erhöhen?

„Wir müssen vor allem die Studenten und Hochschüler erreichen“, fordert MedQN-Chef Tenholt. Gerade die Jüngeren könnten im Sommer erheblich zu einer Ausweitung des Virus betragen. Stadt und Medizin in Bochum müssten deshalb zusammen mit der Ruhr-Universität und den Hochschulen eigene Impfaktionen veranstalten, möglichst direkt vor Ort. Eine Quote von 85 Prozent sei die Zielmarke. Davon hat Bochum erst die Hälfte erreicht.