Berlin. Der Bund darf bei der Bekämpfung der Pandemie nicht nachlassen, sondern muss neue Wege gehen, kommentiert Redakteurin Diana Zinkler.

Jeder kennt solche Leute. Wie meine Freundin, Mutter von zwei Kindern, berufstätig, Anfang 40, klug, aufgeklärt, aber leider ein bisschen egoistisch. Denn sie plant nicht, sich gegen Sars-CoV-2 impfen zu lassen. Warum? Sie sagt, sie habe keinen Vorteil davon, wenn sie es tut.

Angst davor, sich mit dem Coronavirus anzustecken oder daran zu erkranken, hat sie nicht. Also, warum braucht sie diese Impfung? Überall, wo sie hinreisen will, kann sie es mit einem negativen Testergebnis. Müsste sie eine Quarantäne einhalten, würde sie nicht einreisen oder sich darüber hinwegsetzen.

Impfkampagne gerät ins Stocken – auch wegen egoistischen Verhalten

Und zudem lassen sich ja die anderen impfen: Zu Tausenden, zu Hunderttausenden, zu Millionen. Deutschlands Impfquote ist seit dem holprigen Start beachtlich gewachsen. Das Gesundheitsministerium berichtet, dass 37,9 Prozent bereits vollständig geimpft sind und gute 55 Prozent mindestens eine Dosis erhalten haben. Doch schon jetzt zeigt sich: So reibungslos wie in den vergangenen Wochen wird es nicht weitergehen.

Diana Zinkler, Politik-Korrespondentin.
Diana Zinkler, Politik-Korrespondentin. © Krauthoefer | Krauthoefer

Denn immer mehr Termine verstreichen in Impfzentren und Arztpraxen. Der Grund: Viele Menschen glauben, die Corona-Pandemie sei überwunden, eine Impfung reiche aus, oder man ist in den Urlaub gefahren und hat nicht abgesagt.

Aber von „Pandemie vorbei“ kann nicht die Rede sein. Für kein Kind unter zwölf Jahren ist bislang ein Impfstoff zugelassen, die Impfbereitschaft bei über Zwölfjährigen ist relativ gering, Eltern sind verunsichert durch die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, die eine Impfung in dieser Altersgruppe nicht generell empfiehlt. Dann gibt es noch diejenigen, die sich aufgrund von bestimmten Erkrankungen nicht impfen lassen können, und jene, die trotz Impfung keine Immunreaktion erreichen.

Und dann sind da noch jene, die sich wie besagte Freundin gar nicht unbedingt impfen lassen wollen, weil sie sich darauf verlassen, dass es die anderen schon für sie richten. Ihr Anteil ist eben auch nicht gering.

Corona: Nur etwas mehr als die Hälfte der noch Ungeimpften will sich impfen lassen

Schätzungen gehen davon aus, dass wir eine Immunität von 80 bis 85 Prozent brauchen, um die sogenannte Herdenimmunität zu erreichen. Schon jetzt zeigt sich, dass es ziemlich schwer wird, dieses Ziel überhaupt – oder noch vor dem Herbst zu erreichen. Damit uns die vierte Welle mit der sich schneller verbreitenden Delta-Variante nicht so hart erwischt.

Wer will schon noch einmal so ein Weihnachten oder Neujahr feiern wie zuletzt? Ohne Opa und Oma, ohne Freunde, ältere Geschwister – in vielen Fällen sogar allein. Doch das ist genau das, was uns droht.

Die Covimo-Studie des RKI hat zuletzt die Impfbereitschaft unter den bisher noch Ungeimpften abgefragt, nur 57,8 Prozent gaben an, sich „auf jeden Fall“ impfen lassen zu wollen.

Bestrafung für „Impfschwänzer“ oder Belohnung für Geimpfte

Einige Politiker und Experten fordern jetzt Bußgelder für „Impfschwänzer“. Das ist eine Möglichkeit, aber sicherlich nicht so effektiv wie eine Belohnung. Warum sollten wir nicht auch wie in manchen Bundesstaaten der USA mit jeder Impfung ein Los für einen Millionengewinn ausgeben? Oder im Fitnessstudio impfen, an Universitäten oder beim Einkaufen wie in Israel?

Menschen wie meine Freundin brauchen das Gefühl, einen Vorteil zu haben, wie einen Gewinn oder ein Privileg, das sie sich nicht anders erschummeln können. Das könnte künftig der Kinobesuch sein, der ohne Impfung nicht möglich ist, genauso wie der Besuch des Inneren eines Restaurants oder eines Clubs. Wer mag schon im Herbst an der Tür zum Vergnügen abgewiesen werden, als gehöre man nicht dazu oder hätte schon zu viel getrunken?

In diesem Sinne, Dabeisein ist alles. Auch beim Impfen.