Bochum. Mario (62) und Petra Witt (60) aus Bochum pflegen ihren behinderten Sohn Max (35). Sie machen sich Sorgen. Wie lange schaffen sie das noch?
Max bricht am Tisch in Tränen aus und verdrückt sich in die Küche, als es um die Suche seiner Eltern nach einem Platz in einem Behindertenwohnheim für ihn geht. Für den jungen Mann im Rollstuhl ist das ein emotionales Thema. Er kann sich nicht vorstellen, ohne seine Eltern den Alltag zu bewältigen. Sie sind Tag und Nacht für den 35-Jährigen da – pflegen ihn, behüten ihn. Und gerade deshalb sind die Sorgen bei Petra und Mario Witt groß. Wie lange geht das noch gut?
Max hat seit seiner Geburt eine so genannte Tetra-Spastik. Er kann seine Muskeln nicht entspannen, kann nicht laufen, lesen oder schreiben. Er braucht Hilfe beim Toilettengang, kann nicht alleine telefonieren, kochen oder Wäsche waschen.
Aber der junge Mann hat ein glückliches Leben. Er wächst behütet mit seinen drei jüngeren Geschwistern in Langendreer auf. Das Haus ist an seine Bedürfnisse angepasst, es gibt einen Aufzug, Toilettenlifter, breite Türen. Mit seiner Familie unternimmt er Reisen. Die Großeltern leben nebenan. Es könnte ideal sein, doch mit dem Alter machen sich seine Eltern immer größere Sorgen um die Zukunft.
Eltern pflegen ihren erwachsenen Sohn - Sorge vor der Zukunft
„Mein Kind ist längst erwachsen, trotzdem stehe ich jeden Morgen um 5 Uhr auf, um meinen Sohn fertig zu machen. Was ist, wenn uns etwas passiert?“, fragt sich Petra Witt. „Ich bin 60 Jahre alt. Wie lange sollen mein Mann und ich uns noch kümmern?“ Seit mehr als zehn Jahren sucht die Familie einen Wohnheim-Platz für ihren Sohn. Sie stehen auf vielen Wartelisten, aber der Bedarf ist groß. „Die Warteliste ist unendlich lang. Es gibt viel zu wenig Plätze.“
Eigene vier Wände sind gewünscht
Ein stationäres Wohnen für Menschen mit Behinderungen ist laut LWL nach dem Bundesteilhabegesetz nicht mehr gewünscht. „Wir möchten weg von geschlossenen Wohnformen und die Menschen möglichst in eigene vier Wände bekommen“, sagt eine Sprecherin.
Daher habe der LWL sein Veto für die Pläne der Lebenshilfe in Wattenscheid eingelegt. Pläne für ambulante Wohnformen - die wären laut LWL möglich gewesen - habe die Lebenshilfe nicht vorgestellt.
Max arbeitet in der Behindertenwerkstatt Constantin, dort sortiert er Schrauben. Er fühlt sich wohl, hat dort Freunde. Ihn aus diesem Umfeld herauszureißen, wäre fatal - da sind sich seine Eltern sicher. Aber: Es gibt nur wenige Plätze für junge Erwachsene mit Behinderung.
LWL hält eigene Wohnungen für Menschen mit Behinderung für besser
Der LWL möchte junge Menschen mit Behinderungen nach den Vorgaben des Bundesteilhabegesetzes am liebsten in eigenen Wohnungen unterbringen. „Für viele ist eine eigene Wohnung sicher großartig. Für Max ist das nichts. Er würde vereinsamen in einer eigenen Wohnung. Er bräuchte eine Tagesstruktur, er braucht auch Leben um sich herum, wie es ja in einem Wohnheim wäre.“
Von Wohnheim-Lösungen hält man beim Landschaftsverband aber nicht besonders viel. Daran war auch vor einigen Jahren ein Neubau-Projekt der Wattenscheider Lebenshilfe gescheitert. Auf einem 800 Quadratmeter großen Grundstück an der Westenfelder Straße 54 am Rande der Innenstadt sollte unter anderem ein zweites Behindertenwohnheim mit mehreren Einzelzimmern gebaut werden. Das scheiterte, weil der LWL sein Veto einlegte.
Stiefvater Mario Witt will demnächst in Rente gehen. „Wenn wir in die Zukunft schauen, dann ist das für uns beängstigend.“ Es braucht eine Lösung, da ist sich die Familie sicher. Wie die aussehen soll? „Wir hoffen weiter darauf, dass wir bald einen Platz in einem Wohnheim in der Nähe bekommen“, sagt Petra Witt. Jeden Tag wolle sie ihren Sohn besuchen, sich natürlich weiterhin kümmern. Aber für die Zukunft sei dann gesorgt.