Bochum. In Bochum gibt es eine „Naturschutzwiese“, auf der rund 1070 Arten leben. Ein Naturschutzjuwel. Auch für seltene Bienen.
Die Wiese an der Schattbachstraße sieht im Vorbeifahren recht unscheinbar aus: ein paar Obstbäume – und eben nur Wiese. In Wahrheit blüht dort ein überaus wertvolles Naturparadies. Während die Artenvielfalt hierzulande dramatisch sinkt, findet auf dieser ökologisch gepflegten Wiese das genaue Gegenteil statt.
Ein Naturschutzjuwel für die ganze Stadt!
Auf der Bochumer Wiese sind rund 1070 Arten nachgewiesen
Der Botaniker Dr. Armin Jagel vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Bochum hat auf der 5000 Quadratmeter großen Fläche zwischen dem Friedhof und dem Schattbach rund 1070 verschiedene Arten nachgewiesen: Pflanzen, Tiere, Pilze, Flechten. Rund 700 Insekten-, 60 Wildbienen- und 230 Schmetterlingsarten tummeln sich dort, von letztgenannten sind die meisten nachts unterwegs.
In den letzten 20 bis 30 Jahren ist die Anzahl der Insektenarten in Teilen Deutschlands um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Auf der „Naturschutzwiese“ an der Grenze Querenburg/Laer wächst die Artenvielfalt hingegen, und dies stark.
Äußerst selten: die Ackerwitwenblume und die Witwenblumen-Sandbiene
Jagel nennt ein paar Beispiele äußerst seltener Exemplare dort: die blaue Ackerwitwenblume, früher massenhaft auf den Wiesen in Bochum vertreten, ist in Folge der intensiven, mit Spritzmitteln betriebenen Landwirtschaft mittlerweile eine Rarität. An der Schattbachstraße ist sie aber zahlreich vertreten. Und deshalb taucht dort auch die Witwenblumen-Sandbiene auf. Die ist so extrem selten, dass, wie Jagel sagt, „Bienenforscher Pipi in die Augen bekommen“.
Diese Bienenart sammelt in dieser Blüte die Pollen für ihre Brut. „Man sieht sehr gut die rosa Pollenhöschen an den Beinen, hier sammelt sie den Pollen der Acker-Witwenblume, den sie in ihr Nest im Boden bringt und darauf dann die Eier ablegt“, so der Botaniker.
Der seltene Nachtfalter Schwarze Ordensband misst eine Spannbreite von bis zu 7,5 Zentimeter
Ein weiteres Beispiel für den Erfolg dieser Naturschutzwiese: Das Schwarze Ordensband, ein Nachtfalter. Auch er ist eine Rarität in NRW. Besonders spektakulär ist er wegen seiner Flügelspannweite: bis zu 7,5 Zentimeter. Jagel ist ihm nachts mit Hilfe eines Köders nahe gekommen, um ihn zu fotografieren: Auf einen Baumstamm hat er Apfelmus, Rotwein und Zucker geschmiert. „Da stehen die drauf.“
Als große Seltenheit kann Jagel auch das Ackerquellkraut und das deutsche Filzkraut nennen; auch dieses wächst auf dieser Wiese. Gängige Kräuter wie Oregano und Thymian natürlich auch.
Nur zweimal im Jahr wird die Wiese gemäht - mit der Sense
Das Grundstück gehört der Stadt, der BUND hat es gepachtet. Bis 2015 wurde die Wiese nur gemulcht, die Rasenmahd einfach liegengelassen und der Boden damit erstickt. Nun aber ist der Boden viel offenporiger, weil er ökologisch gepflegt wird: Nur zweimal im Jahr wird gemäht, schonend mit der Sense, und abgeräumt. Das bringt die Blumen auch ein zweites Mal zum Blühen und schafft Nahrung für die Insekten.
Gemäht wird nur abschnittweise, nicht alles auf einmal, damit die Insekten jederzeit genug zu fressen haben.
In den Gehölzen leben ebenfalls viele Kleintiere, die wiederum Nahrung für Vögel und Säugetiere sind. Zudem wurden Hecken aus heimischen frühblühenden Sträuchern angelegt.
Zu viele Mähen vertreibt die Blumen und die Insekten
Hier blühen weitere Naturschutzwiesen
Die Wiese ist eingezäunt. Das Betreten muss extra erlaubt werden. „Verstöße werden zur Anzeige gebracht“, steht auf einem Schild.
Weitere Naturschutzwiesen in Bochum gibt es auf Hof Bergmann in Laer (2000 Quadratmeter), am evangelischen Friedhof in Wattenscheid (3000 Quadratmeter) sowie demnächst im Westpark.
„Die sommerblühenden Wiesen sind verloren gegangen durch zu häufiges Mähen. Dadurch verschwinden die bunten Blumen und es bleiben nur Gräser übrig“, sagt Jagel. „Wir brauchen nicht grün, sondern bunt. Wildbienen können mit Gräsern nichts anfangen.“
Der Ökologe Dr. Fritz Ludescher vom Arbeitskreis Umweltschutz (AKU Bochum) sagt angesichts der bedrohten Artenvielfalt: „Es ist aller-allerhöchste Eisenbahn, dieses Blütenangebot auf große Flächen auszudehnen und miteinander zu vernetzen.“ Möglichst mit heimischen Blütenarten.
An der Kassenberger Straße in Oberdahlhausen betreibt auch er eine Blumenwiese auf städtischem Gelände. „Jeder einzelne Bürger, und wenn er auch nur ein paar Quadratmeter hat, ist aufgerufen mitmachen“, hatte er mal in einem WAZ-Bericht über sein Projekt gesagt.