Bochum.. Die Ruhraue Stiepel glänzt wie kein anderes Naturgebiet in Bochum mit großer Artenvielfalt. Dort leben etwa 120 Vogelarten und 20.000 Amphibien.
Die „Ruhraue Stiepel“ bietet viele Superlative. Mit 195 Hektar Fläche ist sie das mit Abstand größte Gebiet in Bochum, das unter Naturschutz steht. Kein anderes wird von den Bochumern so häufig besucht, zu Fuß und mit dem Rad. Nirgends sonst werden regelmäßig so viele Vogelarten gezählt. Es sind 120. Alle zehn in Bochum lebenden Amphibienarten krabbeln hier: zum Beispiel Wasserfrösche, die man als Spaziergänger hört, Erdkröten, Geburtshelferkröten, Kammmolche.
In diesem Frühjahr wurden an einem Fangzaun binnen eines Monats rund 20.000 Amphibien gezählt: die mit Abstand größte Population, die je im Ruhrgebiet dokumentiert worden sei, sagt der Ökologe und Biologe Thomas Kordges. „Ein Alleinstellungsmerkmal.“ Das Gebiet sei „wahrscheinlich das artenreichste Gebiet in Bochum“ und ein wichtiges Biotop für wandernde Arten zwischen Quelle und Mündung der Ruhr.
Hier fliegt sogar der seltene Eisvogel
Rein formal ist die Ruhraue noch gar kein Naturschutzgebiet (NSG). Verwaltungsrechtlich befindet es sich erst im „Änderungsverfahren“. Letztlich entscheidet der Rat darüber. Strenger Schutz gilt aber auch jetzt schon.
Kordges erstellt mit seiner Firma „Ökoplan“ einen Pflege- und Entwicklungsplan für die Ruhraue. Er kennt fast jeden Meter in den weitläufigen Wiesen, Auen, Uferböschungen und Wegen. Mit seinem Fernglas beobachtet die seltenen Eisvögel, die vielen Zugvögel, für die das Gebiet ein vorzüglicher Rastplatz ist, die Schnepfenvögel, die Uferschwalben, die Wasserrallen und die wichtigsten Wiesenbrüter wie die Feldlerche, die Goldammer und den Neuntöter. Außerdemfliegen hier 30 Libellenarten und acht Fledermausarten.
Große Bedeutung für Bochum
Die Ruhraue Stiepel ist für Bochum von überragender Bedeutung, sowohl als Naherholungsgebiet als auch kulturhistorisch. Hier verläuft das Ruhrtal in seiner mithin schönsten Form: viele Blumenwiesen, Weiden und Weite, gleichzeitig bewaldete Steilhänge. Außerdem erzählt dieses Naturreservat reichlich Wirtschaftsgeschichte. Da sind der Leinpfad, auf dem die Schiffe von Pferden flussaufwärts gezogen wurden, die Stollen und Zechen, die Trinkwassergewinnung, die vor drei Jahren eingestellt worden ist. Diesem Wirtschaftszweig ist es zu verdanken, dass sich dort die Flora und Fauna so wunderbar naturnah entwickelt haben, denn als Wasserschutzgebiet wurde fast alles abgezäunt. Noch heute ist dies der Fall.
„Die sind der Tod für das Naturschutzgebiet“
„Hier stoßen die Interessen der Erholungssuchenden und die des Naturschutzes aufeinander“, sagt Kordges. Doch Dr. Fritz Ludescher, Vorsitzender des städtischen Naturschutzbeirates, sagt auch: „Dieser Konflikt ist viel kleiner als üblicherweise dargestellt, wenn der Erholungssuchende auf den Wegen bleibt. Und das tun ja die meisten.“ Einige aber nicht. Ludescher denkt da an solche unangeleinten und unkontrollierten Hunde, die wilde Tiere in Wiesen und im Unterholz aufscheuchen. „Die sind der Tod für das Naturschutzgebiet.“
Die Ruhraue ist zwar groß, aber frei zugänglich ist sie nur auf bestimmten Wegen und teilweise nicht einmal dies. Westlich der Kosterbrücke, die das geplante NSG zur Hälfte aufteilt, ist gar nichts öffentlich zugänglich. Dort befinden sich neun alte Filterbecken aus der Wassergewinnungszeit. Im Frühjahr laufen sie mit Grundwasser voll. Heute dienen die fast Fußballfeld-großen, verwilderten Becken auch als Ersatz für frühere Altwasser, in denen sich der Zwergtaucher wohlfühlt. Auch der Schwan zieht dort in aller Ruhe seine Kreise. Die Natur hat hier wieder die Herrschaft übernommen.
>>> Noch heute wird das Gebiet wirtschaftlich genutzt
Eigentümer des Gebietes sind die Bochumer Stadtwerke und deren Tochter, die Wasserbeschaffung Mittlere Ruhr (WMR), sowie Privatleute.
In der Ruhraue Stiepel wird auch heute noch G
rünlandwirtschaft (Heu) und Ackerbau (Getreide) betrieben.
Der Rauendahlbach westlich der Kosterbrücke (Laichgewässer auch für Feuersalamander) soll renaturiert werden. Die bewaldeten Steilhänge nördlich davon sollen auch unter Naturschutz kommen.