Bochum. Vor einem Jahr gingen die Lichter aus. Nun plant der Starlight Express seinen Neustart. Dabei könnten einige Sitzreihen im Musical leer bleiben.

Mamas Finale mit dem „Licht am Ende des Tunnels“, Zugaben, Standing Ovations, Abklatschen, 1650 strahlende Gesichter im Publikum: Alles war wie immer an diesem 12. März 2020. Tags darauf war nichts mehr wie immer. Seit dem 13. März 2020 stehen die Züge auf dem Abstellgleis. Der Starlight Express in Bochum, das weltweit erfolgreichste Musical an einem Standort, ist im Lockdown. Und bleibt es mindestens bis zum Herbst.

Es ist ein trauriger Jahrestag, zu dem Geschäftsführer Burkhard Koch die WAZ am Stadionring begrüßt. Seit 1988 ist der Starlight Express in Bochum zu Hause. 2018, als die Show ebenso wie das Theater zum 30. Geburtstag rundüberholt wurden, gab es erstmals eine dreiwöchige Pause. Und jetzt: eineinhalb Jahre Stillstand, wenn alles gut geht. „Unvorstellbar“, sagt Burkhard Koch und blickt traurig auf die verwaiste Bühne im matten Arbeitslicht.

Starlight Express in Bochum: Rusty & Pearl auch künftig ohne Maske

Düster, 13 Grad kühl und bedrückend still ist es im Saal. Das Einzige, das läuft, ist die Kaffeemaschine für die fünfköpfige Schar der Aufrechten, die am Stadionring täglich nach dem Rechten sieht. „Starlight Express, ich brauche dich jetzt!“: Rustys Flehen gen Sternenhimmel, das Besinnen auf die eigene Stärke, gewinnt in Corona-Zeiten eine allzu realistische Bedeutung.

Das, was den Dauerläufer aus der Feder von Andrew Lloyd Webber so einzigartig macht, gereicht ihm in der Pandemie zum virologischen Nachteil: die Schweißtropfen-Nähe zu den Besuchern. Irre schnelle Rollschuh-Rennen quer durchs Publikum wecken plötzlich mehr Furcht als Freude. „Andererseits kann es bei dieser Show keine Kompromisse geben, etwa, die Handlung komplett auf die Bühne zu verlegen“, meint Burkhard Koch. Oder das Liebesduett von Rusty und Pearl mit FFP2-Masken. „Unmöglich.“

Millionenverluste – aber der Dauerläufer soll überleben

Was bleibt? Weiter zu warten. Das geht ins Geld. Mächtig. Auf vier Millionen Euro beziffert Koch die Verluste, die der Mehr BB Entertainment GmbH (Düsseldorf) als Produktionsgesellschaft durch den Ausfall von 525 Vorstellungen (gerechnet bis Herbst) entstehen. Staatliche Überbrückungshilfen habe man nicht erhalten, schildert Koch. Überlebenswichtig sei, das fast alle 89.000 Käufer von Eintrittskarten für Shows ab dem 13. März 2020 bereit waren, ihre Tickets umzubuchen.

Auch dank der Kurzarbeit für den Großteil der 300 Mitarbeiter komme man über die Runden, so Koch. Bizarr: 29 der 44 internationalen Darsteller waren im Februar 2020 neu nach Bochum gekommen. Nach drei Wochen Probe kam das Aus. Seither sind auch sie in Kurzarbeit, ohne jemals in der Show aufgetreten zu sein. Dazu sind mindestens drei Monate Vorbereitung nötig, allein, um das Rollschuhfahren zu lernen.

Starlight-Chef Burkhard Koch kündigt den Neustart für den 3. Oktober an.
Starlight-Chef Burkhard Koch kündigt den Neustart für den 3. Oktober an. © FUNKE Foto Services | Matthias Graben

Rückkehr ist für den 3. Oktober geplant

Juni 2020, August 2020, der Jahreswechsel, zuletzt der 28. März: Termine für eine Rückkehr gab es einige. Corona machte alle zunichte. Nun plant man langfristiger. Am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, soll der Tunnel durchquert sein. Der Vorverkauf läuft. Ab Juli werde das Theater wieder hochgefahren, kündigt die Geschäftsführung an. „Allein das kostet drei Millionen Euro.“

Musical ist wichtiger Wirtschaftsfaktor

Der Starlight Express ist für Bochum mit jährlich 400.000 Besuchern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Der Jahresumsatz, der durch das Musical in der Hotellerie, Gastronomie und im Handel generiert wird, liegt bei rund 60 Millionen. Es gibt allein 70.000 Hotel-Übernachtungen.

Bochum hofft auf einen Neustart im Oktober (www.starlight-express,de). Sicher ist: Der Tag der offenen Tür in den Sommerferien wird auch 2021 ausfallen. „Wir denken über einen Ersatz in der Weihnachtszeit nach“, teilt Geschäftsführer Burkhard Koch mit.

Welche Hygienebestimmungen bis dahin gelten, steht in den Sternen. Ein Hygienekonzept haben die Starlight-Macher längst erarbeitet. Als Blaupause dient das Konzerthaus Dortmund und dessen Aerosol-Studie. Für Bochum könnte dies bedeuten: dreimal wöchentlich Corona-Tests bei allen Mitarbeitern und Künstlern, weitere Optimierung der Lüftungsanlage, Entzerrung und Maskenpflicht beim Einlass und im Foyer sowie freie Sitzreihen unmittelbar an den Rennpisten. Auch eine Beschränkung auf geimpfte Besucher sei eine Option, heißt es. Nur unter 1000 dürfe die Kapazität nicht rutschen: „Das wäre nicht mehr wirtschaftlich.“

Selbst alte müssen die Show wieder neu lernen

„Wir sind mit unserem Konzept für den Neustart gerüstet. Alle brennen darauf“, konstatiert Burkhard Koch. Intern ist bis dahin noch einiges zu tun. In dieser Woche gab es ein „Show-Watch“. Die Führungskräfte schauten sich eine komplette Aufzeichnung an, erstmals nach einem Jahr. Zwei Dinge, berichtet Burkhard Koch, waren danach klar: „Erstens: Die Show wiederzusehen, hat selbst uns alten Hasen die Tränen in die Augen getrieben.“ Zweitens: „Vom Maskenbildner über das Orchester bis zum Beleuchter werden wir alle nochmal neu lernen müssen: Wie geht Starlight?“

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