Bochum. Die Fans des VfL Bochum sind vor dem Topspiel gegen den HSV zuversichtlich: Der Aufstieg ist nahe! Wie Luftballons für Stadion-Atmosphäre sorgen.
Der Kapitän spricht allen Blau-Weißen aus der Seele. „Der Aufstieg wäre überragend: für die Mannschaft, für die Fans, die ganze Stadt“, sagt Anthony „Toto“ Losilla vor dem Topspiel des VfL Bochum am Freitag (18.30 Uhr) gegen den Hamburger SV. Saison noch lang, schweres Restprogramm, eng an der Spitze, nur ja kein Übermut: Alles verstanden. Alles zugestanden. Und doch ist in Bochum das alte Fieber zurück. Die Rückkehr ins Fußball-Oberhaus, seit elf Jahren ersehnt, ist in Corona-Zeiten greifbar nah.
Spielerischer Glanz, bemerkenswerte Konstanz, Tabellenführer mit der Chance, dem großen HSV auf acht Punkte zu entrücken: Was macht das mit den Fans? Dirk Michalowski muss es wissen. Der 50-Jährige, den alle nur Moppel nennen, ist seit 1997 (!) hauptamtlicher Fanbetreuer des VfL.
VfL träumt vom Aufstieg: und das ohne Fans im Stadion
„Ausgerechnet“: Das Wort fällt im WAZ-Gespräch mit Moppel mehrfach. Ausgerechnet in der Pandemie, in der die Fans nicht ins Stadion dürfen, laufen ZZ Top (Zoller/Zulj) und ihr Team zur Hochform auf. Ausgerechnet jetzt müssen die Anhänger vor dem Fernseher mitfiebern, furchtbar fern, coronakonform in kleinster Runde. Ausgerechnet jetzt, wo es etwas zu feiern gäbe, ist der Stadt eigentlich nicht zum Feiern zumute.
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Zu Beginn von Corona sei das noch erträglich gewesen, sagt Moppel. „Jeder musste erstmal sein eigenes Leben in den Griff kriegen.“ Aber: „Je näher es in der Saison auf die Zielgerade zugeht, desto schlimmer wird’s.“
Fanbeauftragter lobt Disziplin in Corona-Zeiten
Umso dankbarer ist er für die Disziplin der Fans. „Alle bleiben daheim und halten sich an die Corona-Auflagen. Meines Wissen nach gab es bisher keine größeren Treffen, um die Spiele zu gucken.“ Auch die vielen aktiven VfL-Fanclubs zeigten Verantwortung und verzichteten auf nahezu alle Aktivitäten. Moppel: „Es gab nur einige Video-Konferenzen. Wir appellieren auch weiterhin: Bleibt zu Hause!“
Auch dort lässt sich ein Hauch Stadion-Atmosphäre herbeizaubern. Heinz Jörges macht’s vor. Der 50-Jährige ist Mitglied des noch jungen VfL-Fanclubs „Blau-Weiße Pandemie“, der aus den „Superfreunden 1848“ hervorgegangen ist. Um die Sky-Übertragungen daheim aufzupeppen, hat Jörges acht VfL-Trikots auf seiner Wohnzimmercouch drapiert. Eines für jedes fehlende „Pandemie“-Mitglied. Luftballons dienen als Köpfe, VfL-Mützen und -Kappen als Kopfbedeckung. Fertig ist die Miniatur-Ostkurve.
Castroper Straße im Mai in blau-weiß?
Gebangt, geflucht und gejubelt wird gleichfalls wie im Stadion. Na ja, fast. „Während des Spiels tauschen wir uns in einer WhatsApp-Gruppe aus. Da geht’s oft hoch her“, lacht Heinz Jörges.
Klar, dass die Auf-immer-und-ewig-Vfler auch die nächsten Begegnungen vor der Glotze erleben werden. Ist der Aufstieg perfekt, spätestens am letzten Spieltag am 23. Mai, müsse es mit der Zurückhaltung aber für ein paar Stunden vorbei sein. „Ich bin mir sicher, dass die Castroper Straße dann blau-weiß ist, mit dem nötigen Abstand, aber voll mit Fans und Fahnen“, sagt Heinz Jörges. „Ich wäre dabei. Das lassen wir uns nicht nehmen!“
Gastronomen blutet das Herz
Spätestens dann, möglichst früher, hoffen auch die Gastronomen, endlich wieder Umsätze zu erzielen, zumindest in der Außengastronomie. An jedem Spieltag neu blutet den Wirten der VfL-Kneipen das Herz. Prompt ist es wieder da, das Wort „ausgerechnet“. Ausgerechnet jetzt, wo die lang vermisste VfL-Euphorie wieder überall spürbar ist, bleiben die Gaststätten wegen Corona dicht.
Polizei lobt die VfL-Fans
Die Polizei lobt die VfL-Fans. Bei den „Geisterspielen“ im Vonovia-Ruhrstadion sei es bisher zu keinerlei Problemen gekommen. „Die Fans folgen dem Appell und bleiben zu Hause“, sagt Polizeisprecher Volker Schütte.Das sei auch beim Heimspiel gegen den Hamburger SV zu erwarten. Gleichwohl werden Einsatzkräfte vor Ort sein.Derweil denken manche Fans schon darüber nach, wie der Aufstieg gefeiert werden könnte. Ein Empfang auf dem Rathaus-Balkon mit Tausenden Menschen auf dem Vorplatz dürfte auch im Mai kaum realistisch sein. Möglich erschiene ein Autokorso unter Corona-Bedingungen.
„Dürften wir am Freitag zum HSV-Spiel öffnen, wäre der Laden ab 15 Uhr rappelvoll“, weiß Christian Bickelbacher, Chef der Bermuda-Sportsbar ThreeSixty. Immerhin: Wer Sky als Gewerbekunde abonniert hat, zahlt nicht drauf. Bickelbacher: „Die Gebühren wurden reduziert. Zudem kann man das Geld als Fixkosten bei den Überbrückungshilfen geltend machen.“ Kein Pappenstiel. Allein für seinen Bochumer Betrieb überweist Bickelbacher normalerweise jährlich 20.000 Euro an den Pay-TV-Anbieter.
„Moppel“: Mindestens ein Punkt bleibt in Bochum
Mit einem Erstligisten könnte sich das Abo in Nach-Corona-Zeiten doppelt lohnen. Ober-Fan Moppel ist optimistisch. Sein Tipp für das HSV-Spiel? „Mindestens ein Punkt bleibt anne Castroper.“