Bochum/Düsseldorf. Pflegebedürftige, die ihre Wohnung nicht verlassen können, warten bisher vergeblich auf eine Corona-Schutzimpfung. Das soll sich im März ändern.

Notburga Ott weiß: „Eine Covid-19-Infektion würde meine Mutter nicht überleben.“ Seit fünf Jahren ist die 92-Jährige pflegebedürftig, seit einem Sturz im vergangenen Jahr komplett immobil. Sehnsüchtig wartet die Tochter darauf, dass ihre Mutter gegen Corona geimpft wird. Jetzt kündigt das NRW-Gesundheitsministerium eine Lösung an, auf die viele pflegende Angehörige seit langem warten.

Daheim im Ehrenfeld versorgt Notburga Ott ihre demente und schwerst pflegebedürftige Mutter (Pflegegrad 5) Tag und Nacht. Seit Beginn der Pandemie ist die Fürsorge auch von Angst geprägt. Täglich gehen Mitarbeiter des ambulanten Pflege- und Betreuungsdienstes ein und aus. „Die Furcht ist immer präsent: Schleppen sie – unwissend – das Virus mit ein?“

Corona in Bochum: „Man lässt uns Angehörige allein“

Hoffnungsfroh war die 67-jährige Sozialwissenschaftlerin, die lange an der Ruhr-Uni gelehrt hat, als Ende 2020 die Impf-Kampagne startete. Die vulnerabelsten Menschen sollen zuerst geschützt werden. Wer, wenn nicht ihre Mutter, könnte zu dieser Gruppe gehören? Doch auf eine Impfung wartet die Tochter bis heute. Trotz mehrfacher Nachfragen bei der Kassenärztlichen Vereinigung, der Stadt und beim NRW-Gesundheitsministerium „lässt man uns allein“, klagt Notburga Ott.

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In der Tat: Zwar werden seit Dezember alle Altenheimbewohner geimpft. Zwar können alle Senioren über 80 Jahre seit drei Wochen das Impfzentrum aufsuchen. Zwar sieht der jüngste Erlass des Landes nun auch Impfungen u.a. für die Tagespflege und Senioren-WGs vor. „Dabei hat man offensichtlich Pflegebedürftige, die zu Hause versorgt werden und die Wohnung nicht mehr verlassen können, vergessen. Dabei muss das Impf-Angebot doch auch für sie gelten“, fordert Notburga Ott.

Das Impfzentrum im Bochumer Ruhrcongress ist seit diesem Monat im Betrieb. Senioren, die die Wohnung nicht verlassen können, wurden bis heute nicht geimpft.
Das Impfzentrum im Bochumer Ruhrcongress ist seit diesem Monat im Betrieb. Senioren, die die Wohnung nicht verlassen können, wurden bis heute nicht geimpft. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Petition an NRW-Landtag

Die Bochumerin hat in der vergangenen Woche eine Petition an den NRW-Landtag verfasst. Dass auch Personen unter 80 Jahren geimpft werden sollen, sei „rechtswidrig“, solange nicht alle Ü-80-Senioren eine Spritze erhalten haben: auch die, die es nicht ins Impfzentrum schaffen.

AOK: Ohne Angehörige wäre Pflege nicht leistbar

In Bochum erhalten immer mehr Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung. Das teilt die AOK mit Verweis auf das Landesamt für Statistik mit.

2019 lag die Zahl bei 18.513. Das waren rund 20 Prozent mehr als zwei Jahre zuvor (15.417).

Drei Viertel der Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt, rund 70 Prozent davon überwiegend von ihren Angehörigen. Lediglich 17,9 Prozent werden in vollstationären Pflegeeinrichtungen betreut.

„Ohne Angehörige wäre die Pflege nicht leistbar. Sie ermöglichen es den Pflegebedürftigen, zu Hause wohnen zu bleiben, ihr soziales Umfeld und eine möglichst selbstständige Lebensführung zu erhalten“, würdigt die AOK.

„Ich kann das Anliegen der Tochter nur unterstützen“, sagt Dr. Eckhard Kampe, Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, die die Corona-Impfungen organisiert. Dass Impfungen bei bettlägerigen Senioren nicht möglich sind, sei „eine Lücke im Versorgungssystem, auf die wir das Land immer wieder hingewiesen haben“. Allein in seiner Praxis habe Kampe mehr als 50 Patienten, die nicht in der Lage seien, im Ruhrcongress geimpft zu werden. „Wir Hausärzte können nichts tun, weil wir keinen Impfstoff haben. Das muss sich schnellstens ändern.“

„Aufsuchende Impfungen“ sollen im März beginnen

Wird es, versichert NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gegenüber der WAZ. Das Problem der Impfungen von über 80-Jährigen, die daheim gepflegt werden und nicht in ein Impfzentrum können, werde bald lösbar sein. „Ich rechne damit, dass wir noch im März mit den aufsuchenden Impfungen beginnen können“, so Laumann. Im Wesentlichen sei dafür der Biontech-Impfstoff vorgesehen. „Schon bald wird es dafür auch deutlich mehr Moderna-Impfdosen geben“, ergänzt Eckhard Kampe.

Notburga Ott hofft, dass ihre Mutter schnellstmöglich an der Reihe ist. Sorgen hat sie wie alle pflegenden Angehörigen genug. Mit der Impfung wäre es eine weniger.

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