Bochum. Projekt „Lernen durch Erinnern“ bietet sechs Führungen und interaktive Karte zu 550 Erinnerungsorten in Bochum. Website mit Film ist nun online.
Abseits von Publikumsverkehr, auf dem Zentralen Betriebshof der Technischen Betriebe der Stadt, steht ein Betonrohr als Erinnerungszeichen an das Außenlager Bochumer Verein des Konzentrationslagers Buchenwald, was dort einmal war. In ein solches Betonrohr kroch der Zeitzeuge Rolf Abrahamsohn hinein und überlebte so einen Bombenangriff am 4. November 1944.
In dem Außenlager wurden tausende mehrheitlich jüdische Zwangsarbeiter ausgebeutet und misshandelt. „Hauptanliegen unseres Projektes ist es, eben auch solche Erinnerungsorte sichtbar zu machen, die vielleicht nicht jeder oder jedem bekannt sind“, sagt Sebastian Döpp (27).
Studierende machen Nazi-Verbrechen in Bochum sichtbar
Er ist einer von sechs Studierenden des Projektteams „Lernen durch Erinnern“. Die Studierenden haben sich intensiv mit der Geschichte Bochums in der Zeit des Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Die vielfältigen und spannenden Ergebnisse ihrer Arbeit können nun auf einer eigens dafür angelegten Website entdeckt werden.
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Das Initiativprojekt wurde über 18 Monate mit circa 14.000 Euro im Programm „inStudies“ der Ruhr-Universität Bochum vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Kern der Website ist die interaktive „Karte des Erinnerns“, auf der die Studierenden durch akribische monatelange Recherche über 550 Orte verzeichnet und teils mit Erklärungen versehen haben.
Sechs Führungen beleuchten Stadtgeschichte im Dritten Reich
Die Orte erinnern an die Zeit des Nationalsozialismus in Bochum und Umgebung sowie an zahlreiche Bürger der Stadt, die den nationalsozialistischen Verbrechen zum Opfer fielen. Neben der Karte und umfangreichen Quellen- und Literaturhinweisen sind auf der Website sechs Führungen bereitgestellt. Sie beleuchten verschiedene Schwerpunkte der Stadtgeschichte im Dritten Reich genauer. Die Rundgänge dauern zwischen 45 Minuten und zwei Stunden und sind sowohl direkt über die App „Biparcours“ mit GPS-Unterstützung umsetzbar als auch als PDF-Dateien abrufbar.
Website und Führungen
Die Website des Projekts Lernen durch Erinnern ist erreichbar unter: https://lernendurcherinnern.ruhr-uni-bochum.deIn Kürze möchte das Team auch die sozialen Netzwerke Twitter und Instagram integrieren, um dort zum Beispiel einzelne Erinnerungsorte vorzustellen.Auf der Startseite der Website ist auch ein Film zu erleben, der das Projekt vorstellt.Folgende sechs Führungen zwischen 45 Minuten und zwei Stunden sind mit der App „Biparcours“ abrufbar: Zentralfriedhof, Stadtpark, Jüdisches Leben, Verfolgung und Zwangsarbeit, Verfolgung und Widerstand, Bombenkrieg und Luftschutz.
„Ausgangspunkt unseres Interesses war ein Seminar zum Thema ,Erinnerungskultur im Ruhrgebiet´. Dort sind uns die Dimensionen der nationalsozialistischen Verbrechen noch einmal klarer geworden. Der Holocaust ist nicht nur ein abstrakter Begriff, sondern das ist direkt vor der Tür passiert – auch in Bochum“, so Thorben Pieper (28).
Angebot auch für Lehrkräfte: Lokalgeschichte in den Unterricht integrieren
Die Studierenden wollen mit ihrem Projekt einen Beitrag dazu leisten, dass das Wissen zu den Erinnerungsorten in der eigenen Stadt vor allem für junge Menschen leichter zugänglich wird. Durch die interaktiven Führungen in der App möchten sie besonders Schüler für das Thema sensibilisieren und anregen, sich über Bochum in der Zeit des Nationalsozialismus zu informieren.
Aus diesem Grund beschäftigt sich das Projektteam auf seiner Website auch mit dem Thema Didaktik, um gezielt Lehrkräfte an Schulen, Dozenten an Universitäten sowie Schüler und Studierende anzusprechen. „Unser Projekt soll dabei unterstützen, lokalgeschichtliche Bezüge zum Nationalsozialismus zu nutzen, um mehr außerschulische Orte in den Unterricht einzubeziehen“, so die Studierende Luise Mohr (26).
Studierende suchen noch weitere Kooperationspartner
Hierdurch, so die Hoffnung des Projektteams, könne die Lebenswelt der Schüler verstärkt in den Unterricht integriert und das Engagement für das Thema befördert werden. Die Studierenden würden sich auch über Kooperationen mit lokalen Institutionen freuen, um ihr Bildungsangebot einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.
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