Bochum. Karneval in Corona-Zeiten: Das ist eine traurige Angelegenheit. Doch es gibt vereinzelte Lebenszeichen – und eine denkwürdige Ordensverleihung.

„Narren trotzen Sturm und Regen: 40.000 Besucher feiern in Linden“: So unsicher die aktuelle Corona-Lage erscheint, so sicher ist: Diese WAZ-Schlagzeile vom Rosenmontag 2020 wird am 15. Februar nicht wieder zu lesen sein. Nicht nur der Rosenmontagszug in Linden, sondern das komplette närrische Treiben in Bochum ist wegen der Pandemie abgeblasen. Die Jecken tragen 2021 Maske – und Trauer.

Zweimal in seiner fast 40-jährigen Geschichte musste der Lindwurm auf der Hattinger Straße ausfallen: während des Golfkriegs 1991 und wegen einer Orkanwarnung 2016. Noch bis zum Herbst 2020 hatte die Lindener Werbegemeinschaft getüftelt, gehofft, gebangt. Vergeblich. Mangels Planungssicherheit wurde im September das Aus für 2021 verkündet.

Karneval in Bochum: Rosenmontag ist in Linden ein ganz normaler Tag

Stefan Rodemann ist die Enttäuschung bis heute anzumerken. „Aber letztlich war die Entscheidung alternativlos“, sagt der Chef der Werbegemeinschaft. Auch vage Ideen, dem Rosenmontag mit kleineren Aktivitäten unter Corona-Bedingungen ein wenig Leben einzuhauchen, wurden verworfen. „Das wäre in der jetzigen Situation kontraproduktiv“, weiß Rodemann. Folge: Der 15. Februar 2021 ist in Linden wie in ganz Bochum ein normaler Arbeits- und Geschäftstag – soweit man im anhaltenden Lockdown von Normalität sprechen kann.

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Davon ist auch der Festausschuss Bochumer Karneval weit entfernt. Die Vorfreude war groß. Zum runden Geburtstag der Stadt sollten und wollten auch die Karnevalisten ihren Beitrag leisten. Mit damals noch augenzwinkerndem Blick auf Corona wurden 2020 die Orden bestellt. Aufschrift: „700 Jahre Bochum – die ausgefallene Session“. Dass das Motto derart gnadenlos Realität wird, mochten die Aktiven lange nicht glauben. Von „kreativen Lösungen“ war die Rede, von Open-Air-Veranstaltungen, von coronatauglichen Formaten.

Alles aus. Alles vorbei. Und das nicht erst am Aschermittwoch.

Vereine setzen Lebenszeichen

Sowohl der eingedampfte Sessionsstart im November im Pater-Romanus-Stift als auch die für Januar vorgesehene Neuauflage der Gala im Ruhrcongress (der jetzt als Bochumer Impfzentrum dient) mussten gestrichen werden. Die tollen Tage? Nichts als eiskalte Tristesse. Kein Mummenschanz in der Rotunde. Kein Kolping-Karneval in Linden. Kein Biwak in der Innenstadt. Kein Rathaussturm. Und zum zweiten Mal hintereinander (2020 wegen des Unwetters) kein Zug in Wattenscheid.

Karneval: Das sagen die Facebook-Nutzer

Karneval in Corona-Zeiten? Geht das? Darf man das? Auf unseren Aufruf am Mittwoch auf der WAZ-Facebook-Seite erreichten uns zwiespältige Kommentare.Larissa Jamann ist als gebürtige Kölnerin nach Bochum gezogen. Sie „feiert“ Karneval zu Hause auf der Couch, „mit kölschen Liedern und Aufzeichnungen von alten Sitzungen“.Anja Hölter freut sich für ihre Tochter: „Die Klassenlehrerin hat sich etwas überlegt. Alle Kinder, die Freitag dabei sein können, dürfen sich verkleiden und dann können sich die Kinder über Teams unterhalten.“Auch Lea Te plant eine Video-Konferenz: „mit meinen Mädels, selbstverständlich in Verkleidung.“Stefan Arendt trägt’s mit Humor: „Ja klar feiern wir. Der Maskenball ist doch schon seit Monaten voll im Gange.“David Trystofitin fehlt – wie vielen anderen Facebook-Nutzern – jedes Verständnis: „Äh, haben wir gerade andere Probleme?“

Da war die närrische Welt noch in Ordnung: Festausschuss-Präsident Bernd Lohof (hier mit Bürgermeisterin Gaby Schäfer bei einer Preziosa-Sitzung) muss in dieser Session nicht nur auf Bützchen verzichten.
Da war die närrische Welt noch in Ordnung: Festausschuss-Präsident Bernd Lohof (hier mit Bürgermeisterin Gaby Schäfer bei einer Preziosa-Sitzung) muss in dieser Session nicht nur auf Bützchen verzichten. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Was bleibt? Tapfere Lebenszeichen einzelner Vereine und Verbände, etwa der Wattenscheider Gänsereiter, die trotz Corona an ihrer Festzeitung festhalten, oder der Awo, die im Familienzentrum in Wattenscheid 2000 Karnevalstüten mit Bastel- und Backangeboten für Familien bereithält. „Einige Klubs sind auch im Internet aktiv, tauschen sich aus und laden Fotos aus den Vorjahren hoch“, berichtet Festausschuss-Vorsitzender Bernd Lohof.

Denkwürdige Ordensverleihung am Donnerstag am Steinring

In vollem Ornat traten die Jecken nur einmal in Erscheinung - am Donnerstag, an dem regulär Weiberfastnacht gefeiert worden wäre. „Wir wollten wenigstens ein kleines Highlight setzen“, sagt Lohof. So kam es am Nachmittag zu einem denkwürdigen Festakt im Pater-Romanus-Stift am Steinring. Im Abstand von 30 Minuten erschienen jeweils zwei Repräsentanten der elf Karnevalsvereine, die dem Festausschuss angehören. Mit Maske, an der frischen Luft und mittels eines Greifarms (!) wurde ihnen der Sessionsorden überreicht. In sicherer Distanz, oben am Fenster, positionierte sich das Bochumer Dreigestirn und entbot seinen ersten und wohl auch letzten Gruß der Session.

Am Karnevals-Wochenende, sonst vollgestopft mit Terminen, hat Bernd Lohof zum ersten Mal seit Ewigkeiten frei. Was macht der Bochumer Chef-Karnevalisten und Anwalt am höchsten närrischen Feiertag, dem Rosenmontag? „Vormittags gehe ich ins Büro. Nachmittags hänge ich mir eine Luftschlange um und rufe: Helau! Das war’s dann.“

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