Bochum-Wattenscheid. Wieder beschäftigt das Ruhrbistum Essen und die katholische Wattenscheider Propsteigemeinde der Verdacht eines sexuellen Missbrauchs.

Es war ein Schuss ins Blaue, aber der traf trotzdem. Diesmal geht es um einen Verdachtsfall in der katholischen Gemeinde St. Johannes in Wattenscheid-Leithe. Im Dezember hatte die Pressestelle des bischöflichen Generalvikariates die ungewöhnliche Meldung herausgegeben, das Bistum Essen gehe Hinweisen aus der Wattenscheider Gemeinde St. Johannes nach, die mögliche sexuelle Straftaten durch einen Priester in den 1970-er und 1980-er Jahren betreffen könnten. Nach heutigem Kenntnisstand könne nicht ausgeschlossen werden, dass es möglichweise noch Betroffene gibt, hieß es darin.

Doch noch Meldung eines Betroffenen in Wattenscheid

Das Bistum Essen rief daher Betroffene und Personen auf, die Kenntnis über mögliche Taten haben, sich bei den unabhängigen Ansprechpersonen von Vorwürfen sexualisierter Gewalt im Bistum Essen zu melden.

Werner Plantzen, Propst der katholischen Großgemeinde in Wattenscheid, zeigte sich noch kurz vor Weihnachten erleichtert, dass es nach der Veröffentlichung des Aufrufs keine Meldungen gegeben hatte. Gleichwohl lobte er, dass das Bistum um eine möglichst große Transparenz bemüht sei und auch geringsten Hinweisen auf sexuellen Missbrauch nachgehe.

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Taten wahrscheinlich schon verjährt

Inzwischen aber hat sich aber doch ein Informand gemeldet, bestätigt Anke Wolf, Gemeindereferentin und Koordinatorin in St. Johannes. Wie Ulrich Lota, Leiter der Pressestelle im Bistum, vermutet sie, dass die Tatvorwürfe bereits verjährt sein müssten. Denn es handele sich um den Zeitraum von etwa Mitte der 1970er bis Anfang der '80er Jahre.

Bistum geht den Vorwürfen nach

Lotha stellt gleichwohlfest: "Wir gehen da strikt nach der Verfahrensordnung vor. Wenn es Anhaltspunkte für ein Missbrauchsdelikt gibt, werden wir die Staatsanwaltschaft einschalte." Aber auch wenn die Verjährungsfrist greife, schließe sich ein Verfahren nach Kirchenrecht an. "Und darin gibt es keine Verjährung", erklärt Lota.

Der letzte Fall führte zur Entlassung aus dem Klerikerstand

In der Wattenscheider Gemeinde St. Joseph war 2019 bekannt geworden, dass ein Priester jahrelang in ihrer Gemeinde tätig gewesen ist, obwohl er wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zuvor mehrfach rechtskräftig verurteilt worden war. In einem bislang wohl beispiellosen Akt in der Geschichte der katholischen Kirche in Bochum wurde während der Messe in der Kirche an der Geitlingstraße eine Entschuldigung des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck verlesen. Das dann im November 2020 vom Kirchengericht des Erzbistums Köln gefällte Urteil gegen den Ruhestandsgeistlichen wegen Missbrauchsvergehen bekam Rechtskraft.

Entlassung aus dem Klerus höchste Strafe laut Kirchenrecht

Kardinal Rainer Maria Woelki, der Erzbischof von Köln, hatte daraufhin A. aus dem Klerikerstand entlassen. Damit hat dieser die schärfste Strafe erhalten, die das Kirchenrecht für einen Kleriker vorsieht. Mit dieser Strafe hat er alle mit der Priesterweihe verbundenen Rechte und Privilegien verloren.

Bischof Overbeck entschuldigte sich

Bei seiner Entschuldigung an die Gemeinde St. Joseph hatte Franz-Josef Overbeck zugesagt, die Aufklärung von Missbrauchsfällen im Bistum Essen weiter voran zu treiben. Auch das Bistum hat dazu eine „unabhängige und ergebnisoffene Untersuchung" verschiedener Missbrauchsfälle durch das Institut für Praxisforschung und Projektbegleitung (IPP) in München in Auftrag gegeben. Ziel dieser Untersuchung sei es, „genauer zu verstehen, welche Strukturen die Missbrauchsfälle in unserem Bistum begünstigt haben, und weshalb Täter so vorgehen konnten, wie sie vorgegangen sind".

Aufarbeitung für Betroffene

Ulrich Lota bekräftigt für das Essener Bistum, "wir sind mit uns selbst rücksichtsloser geworden", was die dringend notwendige Aufarbeitung von Missbrauch angehe. Zurzeit sei man noch in einem sehr frühen Stadium des Verfahrens. "Es hat sehr lange gedauert, bis sich dann auf den Aufruf und den ersten Verdacht hin noch jemand gemeldet hat", räumt er ein.

Anke Wolf ist abgesehen vom strafrechtlichen Standpunkt und der kirchenrechtlichen Bewertung vor allem wichtig, dass nach über 40 Jahren "wir den Betroffenen endlich den Raum geben müssen, diesen tragischen Teil ihrer Lebensgeschichte aufzuarbeiten".

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