Bochum. Dieses Silvester dürfte ruhiger werden. Böller werden ja nicht verkauft. Doch diese sind nicht die größte Sorge eines Bochumer Arztes.

Rund um den Jahreswechsel ist in der Unfallchirurgie des Bergmannsheils in Bochum für gewöhnlich etwas mehr los. Das habe aber nicht in erster Linie mit Verletzungen durch Böller und Raketen zu tun, sagt Prof. Dr. Marcus Lehnhardt, Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte. Es seien in der Vielzahl die Begleitumstände der Feierlichkeiten, mit deren Folgen man dann beschäftigt sei. Und es sei auch gar nicht die Silvesternacht selbst, die die Ärzte in der Unfallchirurgie besonders ins Schwitzen bringe.

Auch Lehnhardt erwartet in diesem Jahr wegen Corona einen ruhigeren Jahreswechsel. Das ergebe sich allein schon aus dem verbotenen Verkauf von Feuerwerk und Knallern. Diese bereiten ihm aber ohnehin nicht die größte Sorge. "Natürlich bekommen wir es an Silvester immer wieder mit Handverletzungen zu tun", sagt der Hand-Chirurg. "Aber diese haben eher selten Unfälle mit Böllern als Ursache. Meist resultieren sie von Schlägereien."

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Eigentlich immer sei bei diesen Notfällen, die über Silvester ins Bergmannsheil kommen, Alkohol im Spiel, berichtet Marcus Lehnhardt. "Dann wird gefeiert, getrunken, und dann kommt es immer wieder mal zu einer Schlägerei." Üble Handverletzungen entstünden vor allem dann, wenn die Faust auf Zähne trifft. "Die sind ja scharf und verursachen enorme Schäden an den Mittelhandköpfchen und den Strecksehnen." Durch Bakterien im Mundraum entstünden zudem häufig Entzündungen.

Vor allem dann, wenn die Betroffen erst am nächsten oder sogar übernächsten Tag ins Krankenhaus kommen. "Das passiert relativ oft", sagt Professor Lehnhardt. "Zunächst stehen die noch unter Strom, sind voller Adrenalin. Erst am nächsten Tag wird dann die Schwere der Verletzung richtig eingeschätzt."

In der Silvesternacht herrscht in der Unfallchirurgie im Bergmannsheil Bochum Normalbetrieb

Auch in den Tagen vor Silvester herrscht in der Unfallchirurgie erhöhte Alarmbereitschaft. Lehnhardt: "Dann werden ja gerne Mal Böller der Marke Eigenbau gebastelt. Und diese Eigenmischungen gehen auch mal hoch. Mit solchen Fällen haben wir es dann häufig zu tun."

Aus diesem Grund wird das Ärzte-Team der Unfallchirurgie im Bergmannsheil speziell an den Tagen vor und nach Silvester aufgestockt. In der Silvesternacht selbst herrscht Normalbetrieb. Wenn es dann doch zum Unfall mit einem Böller kommt, sieht es meist übel aus. "Vor allem, wenn der Böller bei der Explosion in der geschlossenen Hand gehalten wurde. Dann ist in der Regel nichts zumachen", erklärt Marcus Lehnhardt und meint damit - eine Amputation.

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Das sei dann jedes Mal auch für die Ärzte "beeindruckend", erzählt Lehnhardt aus eigener Erfahrung. "Denn der Betroffene ist ja von jetzt auf gleich für den Rest seines Lebens behindert." Als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie weise er mit seinen Kollegen daher immer wieder in Kampagnen auf die Gefahren des Böllerns hin.

Immerhin, Tote habe man durch Unfälle mit Böllern in Bochum bisher nicht zu beklagen gehabt. Wohl aber, so Lehnhardt, in anderen Situationen, "wenn zum Beispiel bei einer Feier in einer Gartenlaube der Gasofen nicht funktioniert und explodiert". Auch depressive Menschen mit Brandverletzungen nach Suizidversuchen würden gerade an Silvester oft behandelt. Und Menschen, die einfach Pech hatten, weil sie beispielsweise von einer noch glühenden Rakete getroffenen wurden.

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Mit ein bis drei Handverletzungen bekäme es die Unfallchirurgie im Bergmannsheil an einem normalen Wochenende zu tun, an Silvester seien es bis zu fünf, rechnet Marcus Lehnhardt vor. Dieses Jahr - wie gesagt - könnte es ruhiger werden. "Doch irgendeinen Verrückten", da ist sich der Professor sicher, "gibt es ja immer."

Erste-Hilfe-Tipp vom Experten

Das rät Prof. Dr. Marcus Lehnhardt für die erste Hilfe: "Sollte es zu einem Unfall kommen, die Wunde immer steril halten, abbinden und einen Druckverband anlegen. Und dann schnell ins Krankenhaus."

Abgetrennte Gliedmaßen (der Mediziner spricht von Amputaten) auf jeden Fall mitbringen. Eile sei in jedem Fall geboten. Lehnhardt: "Da zählt jede Minute."

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