Bochum. Susanne Renninger ist Tätowiererin in Witten. Von Lustig bis Horror, sie hat viel erlebt. Besonders verrückt: die Geschichte des ersten Tattoos.

Susanne Renninger ist junge 19 Jahre alt, als sie sich ihr erstes Tattoo stechen lässt - auf einer Party, nach vielen Gläsern Sekt, ein Pegasus auf dem Po. Ihre Eltern erfahren sechs Jahre später am Tag ihrer Hochzeit davon. Eine Anekdote, über die die 52-Jährige aus Bochum-Langendreer heute lacht, auch wenn sie sagt: "Niemals Trinken vorm Tattoo". Seit zwölf Jahren ist Renninger selbst Tätowiererin und hat ein Buch mit vielen Geschichten zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken geschrieben.

"Es waren die 80er Jahre, dezent und klein musste es sein, für Großflächiges waren wir noch nicht bereit", erinnert sich Renninger zurück an das erste Tattoo, auf das viele folgen sollte. Während ihre Freunde die Rose an Arm und Knöchel wählte, entschied sie sich für den Pegasus auf dem Hintern. Am nächsten Morgen beim Duschen dann der Schock - der gemeinsam mit den Erinnerungen an die Partynacht kam.

Eltern von Bochumer Tätowiererin entdecken ihr erstes Tattoo am Hochzeitstag - Schock

Ihren Eltern - sie hielten von Tattoos damals nicht viel - verschwieg Renninger ihre neue Errungenschaft. "Es war das völlige Entsetzen. Am Tag meiner Hochzeit, sechs Jahre später, half meine Mutter mir ins Hochzeitskleid und schrie: ,Hans, Hans, Hans, komm schnell, das Kind hat sich verstümmeln lassen.'"

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Heute haben ihre Eltern das Tattoo und den späteren Beruf ihrer Tochter akzeptiert. Seit zwölf Jahren hat Renninger ein Tattoo-Studio, mittlerweile in Witten, nahe der Stadtgrenze zu Langendreer. In 30 Kapiteln hat die Bochumerin aufgeschrieben, was sie seitdem erlebt hat.

Tätowiererin aus Bochum hat Kunden zwischen 18 und 80 - von der Ärztin bis zum Ex-Knacki

Zwischen 18 und 80 sind die Menschen, die Renninger in ihrem Studio bereits tätowiert hat - von der Ärztin bis zum Ex-Knacki. Manche lassen sich tätowieren, weil es gerade Trend ist oder um ihr Körpergefühl zu stärken. Andere sehen es als Körperschmuck, wieder andere wollen interessant wirken. "Die Schicksale, die hinter den einzelnen Persönlichkeiten stecken sind mal mehr, mal weniger interessant. Die Storys hinter den Tattoos mal amüsant, mal traurig", meint die Tätowiererin in ihrem Buch.

Während manche das Tätowieren gut oder zu gut wegstecken - "Drück fester, härter, ja so ist's gut" - Zitat, bedeutet der Weg zur Körperkunst für die anderen echte Qual. "Ich weine auch mal eine Träne mit, wenn der Schmerz zu groß ist", erzählt Renninger.

"Da frage ich mich doch allen Ernstes, wo der gesunde Menschenverstand geblieben ist"

So individuell wie das Empfinden der Schmerzen sei auch das Verständnis der Hygiene ihrer Kunden. Die Bochumerin fragt sich: "Wenn ich ein Tattoo am Fuß machen lassen und in Glitzer-Ballerinas, ohne Socken, im Hochsommer nach zweistündiger Anreise erscheine? Da frage ich mich doch allen Ernstes, wo der gesunde Menschenverstand geblieben ist. Fußgeruch ist wie der Gestank von Erbrochenem." Wohl berechtigt stellt sie die Frage, ob ihre Kundinnen und Kunden auch so zum Arzt gehen würde, wie sie zum Tätowierer gehen.

Auch auf ihren wohl schlimmsten Fauxpas geht Renninger ein. Ein Kunde wollte sich das Wort Bochum stechen lassen, unter einem Förderturm. Dass am Ende trotz mehrmaliger Kontrolle und Rechtschreibprogrammen Bohum - ohne c - auf der Haut stand, bedeutete für die Tätowiererin Wochen des Horrors. "Habt Dank ihr beiden, ohne eure entspannte Reaktion hätte ich nie wieder eine Tattoomaschine in die Hand genommen", schreibt sie in ihrem Buch an Kunden und Ehefrau. Das Motiv konnte übrigens gerettet werden: Es kam ein Kohleberg über die falsche Stadt und ein Bochum neu darunter.

Autorin Renninger nimmt kein Blatt vor den Mund

Renninger schlägt bewusst einen leicht derben Ton an, ganz in feiner Ruhrpott-Manier. Wer die Kurzgeschichten aus ihrem Tattoo-Alltag liest, muss das mögen. Die Bochumer Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund und schreibt ungeschönt, was sich so mancher schon auf den "Arsch" tätowieren lassen hat - darunter auch ein "F**k you". Obwohl auch ihre Schmerzgrenze manchmal erreicht ist, sie akzeptiert nicht alle Motive und schickt Kunden auch mal weg.

Das Buch lädt zum Schmunzeln ein, ist gleichzeitig aber auch kritisch. Renninger hinterfragt den Nutzen sozialer Medien sowie den Egoismus in der Gesellschaft. Auch aktuellen Ereignissen - der Corona-Krise - gibt sie Platz. Ein Kapitel Zeitgeschichte, das ihre Existenz bedroht und die ihrer Kollegen. Während sich die ersten Kapitel des Buches noch ein wenig ziehen, ist der Leser ab Kapitel vier oder fünf drin in den Geschichten aus Renningers Tattoo-Alltag - und muss manchmal laut lachen und gleichzeitig auch mal den Kopf schütteln.

"Ink Trouble - Einblicke in den Studioalltag" veröffentlicht unter dem Pseudonym Sue Renn ist bei Buchhandlungen und online erhältlich (ISBN: 978-3-347-18047-5). Das Buch kostet 12,95 Euro und ist im Verlag "tredition" erschienen.

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