Bochum-Linden. Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus in Bochum gammelt seit Jahren leidvoll vor sich hin. Wie es weitergeht, wird jetzt vor Gericht entschieden.
Für die schier unendliche Geschichte des Sträter-Hofs in Bochum-Linden ist weiter kein Ende in Sicht. Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus an der Nöckerstraße 15 steht seit Jahren leer und gammelt leidvoll vor sich hin. Massive Stützgerüste sollen verhindern, dass es einstürzt. Riesige Plastikplanen auf dem schon vor längerer Zeit abgedeckten Dach schützen das Bauernhaus vor Regen. Das Gelände ist abgesperrt und komplett zugewuchert, der Zutritt streng verboten.
Kein Wunder, dass die Anwohner in direkter Nachbarschaft in einiger Sorge sind: „Wie soll das hier nur weitergehen?“, fragt ein Nachbar und schaut wie jeden Tag reichlich ratlos auf das Fachwerkhaus nebenan. Auch bei Bezirksbürgermeister Marc Gräf (SPD) wachsen angesichts dieses komplett heruntergekommenen Baus schön länger die Sorgenfalten: „Wir müssen in dieser Sache dringend aufs Tempo drücken“, sagt er. „Es ist keine Option, so lange zu warten, bis das Haus irgendwann einstürzt.“
Bei den Nachbarn des Sträter-Hofs in Bochum wachsen die Sorgen
Die Geschichte des Sträter-Hofs geht über Jahrzehnte zurück. Am Sturz des Tores ist noch gut das Jahr zu erkennen, in dem es gebaut wurde: 1836. Damals beherbergte das Haus im einst ländlich geprägten Linden eine Bauernfamilie mitsamt der Ställe und soll noch bis etwa 1982 als landwirtschaftlicher Betrieb genutzt worden sein. „Die alten Futterstellen und die Tröge sind heute noch im Inneren zu finden“, sagt Gräf.
Als stiller Zeuge der bäuerlichen Vergangenheit sei der Sträter-Hof daher von einiger Bedeutung für die Geschichte des Stadtteils und nicht einfach durch modernen Wohnungsbau ersetzbar, meint der Bezirksbürgermeister. Dies sieht auch die Stadt so: Die Untere Denkmalbehörde nahm das Haus 1997 in ihre Liste der Baudenkmäler auf. Seither steht es unter besonderem Schutz.
Zunächst sollte ein Supermarkt dorthin
„Schon als ich Mitte der 1990er Jahre hierher gezogen bin, gab es Diskussionen um den Erhalt der Bausubstanz“, erinnert sich Gräf. Mehrfach sei es bereits verkauft worden: Nachdem die Erbengemeinschaft den elterlichen Hof veräußerte, habe zunächst ein Lebensmitteldiscounter Interesse geäußert, dort einen Supermarkt zu errichten. „Das hat die Politik aber nicht gewollt.“ Seither dürfe das Fachwerkhaus nur für Wohnzwecke genutzt werden. Abgerissen werden darf es aus Gründen des Denkmalschutzes nicht.
Ende 2018 kam es zum Teileinsturz einer Außenwand: Augenzeugen berichteten der Feuerwehr, dass mehrere Männer kurz zuvor auf dem Gelände gesehen wurden. „Die Feuerwehr und die Polizei sind damals mit großer Kavallerie angerückt, um das Gebäude zu sichern“, sagt Marc Gräf.
Fachwerkhaus fängt im Sommer an zu stinken
„Das Gebäude ist in einem erkennbar schlechten Zustand, aber es ist baurechtlich so gesichert, dass keine Gefahr von ihm ausgeht“, sagt Stadtsprecher Peter van Dyk. Gegen witterungsbedingte Einflüsse sei es für den Wiederaufbau geschützt worden.
Für die Nachbarn ist das kein großer Trost, denn das Gebäude in der dicht bebauten Wohnsiedlung ist nicht nur wenig schön anzusehen. Es hat auch einen unangenehmen Geruch: „Man glaubt ja gar nicht, wie furchtbar das Haus im Sommer stinkt“, erzählt der Anwohner. „Wenn man im Garten sitzt, dann riecht man es förmlich. Ganz heftig.“ Der Nachbar hat schon davon gehört, dass die jetzige Eigentümerin das Gebäude am liebsten abreißen würde und mit der Stadt deswegen gerichtlich im Clinch liege.
Denkmal oder kein Denkmal?
Viel mag Marc Gräf mit Blick auf das „laufende Verfahren“ dazu nicht sagen: „Im Kern geht es um die Frage, ob das Gebäude weiterhin als denkmalwürdig zu erachten ist oder nicht“, sagt er. „Die Stadt glaubt fest daran. Ich finde, es steht niemandem zu, ein Denkmal zu beseitigen nur für den größtmöglichen Profit.“
Die Eigentümerin hat derweil ein Gutachten bei einem Hamburger Sachverständigen zur „denkmalfachlichen Ersteinschätzung“ in Auftrag gegeben. Dies kommt zu einem eindeutigen Urteil: „Eine Erhaltung des Gebäudes unter Wahrung seines historischen Erscheinungsbildes in Verbindung mit seiner Bausubstanz, also unter Wahrung seiner Identität, ist aufgrund des erforderlichen weitgehenden Materialaustauschs nicht mehr möglich.“ Eine „Löschung aus der Denkmalliste“ sei daher unausweichlich.
"Nächstes Jahr wird sich was tun"
Dies sieht auch der Rechtsanwalt Christian Tünnesen-Harmes so, der die Eigentümerin vertritt: „Als meine Mandantin das Gebäude Ende 2018 erwarb, war der Verrottungsvorgang innerhalb des Gebäudes schon über Jahre fortgeschritten.“ Die Untere Denkmalbehörde habe hier „viel wertvolle Zeit“ verstreichen lassen. „Meine Mandantin hat das Gebäude mit der Intention gekauft, es im Sinne des Denkmalschutzes zu erhalten, doch das lässt die Bausubstanz längst nicht mehr zu.“
Tünnesen-Harmes ist zuversichtlich, dass das Gericht dieser Ansicht folgen werde: „Mir erscheint offensichtlich und das bestätigt auch der Gutachter, dass das Gebäude nicht zu retten ist.“
Wie es mit dem Sträter-Hof weitergeht, muss demnach wohl vor Gericht entschieden werden. Wie lang das dauern wird, mag Tünnesen-Harmes nicht vorhersagen: „Nächstes Jahr wird sich was tun“, meint er.
Und dann? Der Nachbar hat bereits eine Vorahnung: „Es wird sich niemand finden, der einen riesigen Geldsack aufmacht, um das Ding zu sanieren.“
Info: Stadtverwaltung glaubt an den Wiederaufbau
Mit Blick auf das laufende Verfahren hält sich die Stadtverwaltung bezüglich der weiteren Entwicklung bedeckt: „Die Stadt Bochum geht davon aus und hat dies gutachterlich untersuchen lassen, dass das Fachwerkgebäude wieder aufzubauen ist“, sagt Sprecher Peter van Dyk.
„Selbstverständlich würden wir es sehr begrüßen, wenn das Fachwerkhaus wieder hergerichtet und einer Nutzung zugeführt wird. Die Stadt Bochum wird alle konstruktiven Schritte zur Wiederherstellung des Denkmals positiv begleiten und unterstützen.“