Bochum-Harpen. Schüler der Werner-von-Siemens-Schule Bochum denken in der Adventszeit nicht an sich. So versuchen sie, vor allem anderen eine Freude zu machen.

Mit einem großen Bastkorb voller roter Päckchen und bunten Schleifen rücken sie an: Die Adventswichtel der Werner-von-Siemens-Schule. So könnte man sie zumindest nennen, denn die Achtklässler tragen zwar keine roten Wichtelmützen, haben aber jede Menge Geschenke im Gepäck. Nicht die einzige Aktion, mit der die Bochumer Hauptschüler ihre Welt ein bisschen besser machen wollen.

„Wir haben Tannenbäume aus Holz gesägt und aus Salzteig gebacken und sie dann golden besprüht“, sagt Alina Schöttler. „Außerdem haben wir ein Rezept für Nutella-Kekse aufgeschrieben“, ergänzt Mitschülerin Sahar Naif. Die übergeben die Schüler nun an die 37 Bewohner und Bewohnerinnen des Wichern-Hauses.

Der Tannenbaumschmuck ist nicht die erste Überraschung: „Wir haben uns für jeden Advent eine kleine Aktion überlegt, mit der wir den Senioren eine Freude machen wollen“, sagt Klassenlehrerin Kathrin Torka. Zum ersten Advent wurden die Altenheimbewohner schon mit selbst gebackenen Plätzchen von der Hauswirtschaftsgruppe beschert. „Das Schottische Shortbread und die Kokosmakronen, die wir gebacken haben, waren wirklich lecker“, berichtet Sahar Naif.

Adventsprojekt zwischen Schule und Seniorenheim ist Win-Win-Situation

Darüber war die Freude bei den Bewohnern am ersten Advent so groß, dass die Senioren Briefe zum Dankeschön an die Schüler geschrieben haben. „Ich habe die Kekse für die Schüler verteilt, die Senioren dafür einzeln in ihren Zimmern besucht und dann in ihrem Namen mit ihnen die Briefe geschrieben“, sagt Hannah Simon, Leiterin des Sozialen Dienstes im Wichern-Haus. Auch Stutenkerle und einen Schoko-Adventskalender für die Klasse bekamen die Werner-von-Siemens-Schüler als Dankeschön.

Hannah Simon (links) vom Sozialdienst des Wichern-Hauses gemeinsam mit den Bewohnerinnen Ursula Heil und Linda Weholt (rechts) und der Korb voller Geschenk-Päckchen, den sie überreicht bekommen haben. Sie freuen sich über das Engagement der Schüler.
Hannah Simon (links) vom Sozialdienst des Wichern-Hauses gemeinsam mit den Bewohnerinnen Ursula Heil und Linda Weholt (rechts) und der Korb voller Geschenk-Päckchen, den sie überreicht bekommen haben. Sie freuen sich über das Engagement der Schüler. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Das Adventspatenprojekt ist aus Simons Sicht eine klassische Win-Win-Situation. „Viele Bewohner haben keine Angehörigen mehr und sehen nun, dass trotzdem an sie gedacht wird“, sagt Simon. Übliche hausinterne Aktionen wie Weihnachtsmärkte müssten wegen der Corona-Krise ausfallen, das Seniorenheim sei im Lockdown stark isoliert und könne kaum Besuch empfangen. „Die Adventsüberraschungen schaffen für die Bewohner einen äußeren Rahmen und signalisieren ihnen, dass Weihnachten bald bevorsteht“, sagt Simon. Ein Großteil der Bewohner sei kognitiv eingeschränkt, ein äußerer Rahmen gebe ihnen Struktur und Sicherheit.

Kooperation der Einrichtungen ist lange gewachsen

Auch die Schüler profitieren von der Kooperation: „Sie lernen eine Beziehung verantwortungsvoll zu gestalten und aufrechtzuerhalten“, sagt Simon. Der Kontakt zwischen Altenheim und Hauptschule besteht schon länger, was mit gemeinsamen Spielenachmittagen noch vor dem Pandemieausbruch anfing, wurde mit einem wöchentlichen Gartenprojekt im „Wahlpflichtunterricht“ erweitert und ist nun erneut gewachsen. In dem Gartenprojekt kümmern sich die Schüler sich um den Garten des Seniorenheims, legen Beete an und bepflanzen sie.

400 Jugendliche besuchen die Schule

Die Werner-von-Siemens-Schule befindet sich an der Haydnstraße und zählt etwa 400 Schülerinnen und Schüler. Sie können einen regulären Hauptschulabschluss, einen Hauptschulabschluss nach Klasse 10, eine Fachoberschulreife oder eine Fachoberschulreife mit Berechtigung zum Besuch des Gymnasiums erwerben.

Das Wichern-Haus ist eine Einrichtung des Evangelischen Johanneswerks und liegt am Kolpingplatz.

„Weil es teilweise schwierig ist, mit den Senioren zu kommunizieren, lernen die Schüler das auf kreative Weise zu tun“, sagt Simon. Durch das Patenprojekt bekämen sie außerdem Kontakt zu verschiedenen Berufsgruppen. Das ist für die Schüler eine tolle Chance: Denn allzu oft, so berichtet ihre Klassenlehrerin, bekämen ihre Schüler den „Stempel Hauptschule“.

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„Wenn man anderen eine Freude macht, macht man auch sich selbst eine Freude“ findet Ahmad Barikzai. Schülerin Lilien Schulze hat das Adventsprojekt sogar zu einer privaten Aktion motiviert. „Gemeinsam mit einer Freundin möchte ich Plätzchen backen und sie an Obdachlose in der Innenstadt verschenken“, sagt sie. Backen mache ihr sowieso Spaß.

Schüler haben einen Adventskalender der besonderen Art

An den kommenden Adventssonntagen dürfen sich die Senioren auf gebastelte Adventskarten und Teelichter in gestempelten Brottüten freuen. „Ich fände es toll, wenn Schüler so etwas auch einmal für mich machen, wenn ich alt bin“, sagt Sahar Naif.

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Sich selbst stimmen die Schüler übrigens mit einem Adventskalender der besonderen Art auf die Weihnachtszeit ein. Keine Schokolade ist darin, sondern eine tägliche Aufgabe: „Zum Beispiel jemandem ein Kompliment machen, etwas ausprobieren, was man noch nie gemacht hat oder eine Wunschliste schreiben, mit Dingen, die man nicht kaufen kann“, erzählt Alina Schöttler.

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