Bochum. Der Bochumer Klimatologe Andreas Pflitsch flog trotz Coronakrise mit Sondererlaubnis in die USA. Seine Daten wären sonst verloren gewesen.
Man erreicht Andreas Pflitsch auf Hawaii. Der 62-Jährige kommt gerade vom Datensammeln aus einer Lavahöhle zurück, als er auf dem Bildschirm eines Zoom-Meetings erscheint. „Eigentlich wäre ich schon im September hier gewesen, deshalb sind ein paar Geräte ausgefallen und ich muss Batterien wechseln“, sagt der Wissenschaftler von der Ruhr-Universität Bochum. Dass Pflitsch nämlich trotz der Pandemie fast 12.000 Kilometer weit weg von Bochum reisen durfte, hat einen besonderen Grund: Der Klimatologe musste seine Forschungsdaten retten.
Mit einer Sondererlaubnis der US-Regierung wurde ihm die Einreise nach Alaska, Oregon, South Dakota und Hawaii gewährt. Überall dort hat Pflitsch Forschungsstationen. „In Alaska bin ich in den Kupferminen von Kennicott und McCarthy tätig. Sie wurden in den 1930er Jahren verlassen und sind im Anschluss zugefroren“, berichtet er. Nun beginnen die Minen wieder aufzutauen: „Dabei arbeite ich für den St. Elias Nationalpark, in dem die Minen größtenteils liegen, und für einen Privatmann, der eine Mine für touristische Zwecke zugänglich machen möchte“, sagt Pflitsch.
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Forschung in Kupferminen
Wie lange wird es dauern, bis die Minen aufgetaut sind? Wie viel Grad herrschen, gibt es Permafrost und wie verhalten sich die Luftströmungen? Das sind Fragen, die den Wissenschaftler interessieren. „Hätte ich nicht in die USA reisen können, wären wichtige Daten verloren gegangen“, sagt Pflitsch. Denn um mehr über die Mine herauszufinden, hat Pflitsch eine mehrere hundert Meter lange Sensorkette in einen Schacht gelassen. „Ich lese sie jährlich aus. Im Laufe des Jahres friert sie aber zu und ich muss dann stundenlang Eis abklopfen“, berichtet er.
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Vielfältige Arbeitsschwerpunkte
Prof. Dr. Andreas Pflitsch ist außerplanmäßiger Professor des Geographischen Institutes der Ruhr-Universität Bochum.
Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Klimatologie extremer Standorte, Höhlen, Gletscher, Vulkane und Minen sowie das Strömungsverhalten in U-Bahn-Systemen und Sicherheitsforschung.
Weitere Informationen über die Arbeit des Bochumer Wissenschaftlers gibt es unter: www.andreaspflitsch.de
Zwei Jahre hätte die Sensorkette nicht überstanden. Auch manche Geräte würden in der Zwischenzeit den Geist aufgeben. „Ich habe nun eine Solaranlage installiert, damit ein Strömungsmessgerät ein ganzes Jahr laufen kann“, sagt Pflitsch. Um an die Forschungsstation in Alaska zu gelangen, musste sich der Wissenschaftler mit einem Kleinflugzeug über einen Talrücken fliegen lassen, verbrachte ausgerüstet mit sechs Taschen und einem Rucksack voll mit Nahrungsmitteln, einem Gaskocher, Schlafsack und Notzelt eine Woche abseits der Zivilisation. Seine jahrzehntelange Erfahrung ist es, die den Wissenschaftler ohne Angst in eine solche Mission gehen lässt.
Verrät beeindruckende Orte
Die USA sind das Hauptforschungsgebiet von Pflitsch, aber auch in Deutschland gibt es Orte, die einen Klimatologen reizen: „Das sind zum Beispiel die Schellenberger Eishöhle, die Windloch-Höhle im oberbergischen Engelskirchen und das Herbstlabyrinth-Adventhöhlen-System in Hessen“, sagt er.
Obwohl Pflitsch schon jede Menge beeindruckende Landschaften gesehen hat, sind es vor allem zwei Orte, die ihn immer wieder in seinen Bann ziehen: „Extrem schön finde ich den Krater des Mount St. Helens in Washington und den Mona Loa auf Hawaii“, verrät Pflitsch. Wenn er mit einer Gruppe Studierender auf dem Vulkan stehe und wisse, dass nur fünf Kilometer tiefer eine Magmakammer liege, die jederzeit ausbrechen könnte, sei das ein einmaliges Erlebnis.
Digitale Alternativen schaffen
In diesem Jahr wird das aber nicht stattfinden, denn geplante Exkursionen mit seinen Studierenden musste Andreas Pflitsch absagen. Wann sie wieder stattfinden können, steht in den Sternen. Auf Hawaii befasst sich der Wissenschaftler neben der Erforschung der klimatologischen Bedingungen in Vulkanhöhlen deshalb damit, mögliche digitale Alternativen für seine Studierenden zu schaffen. „Ich filme Orte, die wir sonst besucht hätten – auch solche, die nicht im Reiseführer stehen“, sagt er.
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Außerdem nehme er Podcasts auf und installiere eine Wetterstation. „So können Forschungsdaten auch aus Deutschland abgerufen werden“, erklärt er. Dass die Kurzfilme kein würdiger Ersatz für eine echte Exkursion sein können, weiß der Professor. Ein „unendliches Privileg“ nennt er daher die Tatsache, dass er aktuell selbst reisen darf. Jetzt aber kommt Andreas Pflitsch erst einmal nach Hause, um Weihnachten zu feiern. So gut das eben geht.
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