Bochum-Griesenbruch. In Bochum gibt es für sie keine Verwendung mehr, in Afrika schon. Deshalb werden die Fenster der St.-Antonius-Kirche nun nach Kamerun verschifft.
„Was machen Sie denn da?“ Diese misstrauische Frage stellten Anwohner rund um die Kirche St. Antonius in Bochum - Griesenbruch Michael Bülhoff in der vergangenen Woche öfters. Denn: Der Aktive vom Rotary Club Oberhausen fuhr mit einem Hubwagen an der seit 2008 nicht mehr genutzten Kirche vor und ging frisch ans Werk. „Als sie hörten, dass wir die Fenster für eine Bischofskathedrale im afrikanischen Kamerun ausbauen, drehte sich die Stimmung. Viele waren begeistert. Sie freuten sich, dass mit den Fenstern noch etwas Nützliches geschieht“, schmunzelt der Sprachtherapeut.
Über den heimischen Rotary Club leistet Michael Bülhoff seit Jahren persönlich organisierte Entwicklungsarbeit in Afrika . Scheibe für Scheibe holen die Mitarbeiter der Firma „Stamm & Belz Concerts & Events“ auf ihren Hubwagen nun einzelne Teile der großen Seitenfenster aus ihren Fassungen. Das geschieht sorgfältig zeitgleich von außen und innen, so dass möglichst keine der schweren, bleigefassten Opalglasscheiben zu Bruch geht. Anschließend kommen sie in speziell gebaute Transport-Holzkisten, die der Glashersteller Pilkington aus Witten baute und zur Verfügung stellte. Diese reisen dann in einem Übersee-Container per Schiff nach Kamerun.
„Die Fenster sind Arbeiten des Glaskünstlers Hubert Spierling, einer der herausragenden deutschen Glasgestalter des 20. Jahrhunderts“, erklärt Ulrich Linnhoff, Vorsitzender des Immobilienausschusses der Propsteipfarrei St. Peter und Paul . Erst 1979 wurden seine Werke in die zehn großen und vier kleinen Seitenfenster von St. Antonius eingebaut . Damals renovierte die ehemalige Antonius-Pfarrei, die 2008 in der Groß-Pfarrei aufging, den neugotischen Kirchenbau (ab 1977) und gestaltete ihn um.
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Michael Bülhoff freut sich über diese Qualität der Glasfenster. Sie finden nun in der 2018/2019 errichteten katholischen Kathedrale des Bischofs Bruno Ateba in der Provinz-Hauptstadt Maroua (Nord-Kamerun) ein neues Zuhause. „Hilfreich ist hierbei, dass Spierling die Fenster abstrakt gestaltet hat. Eine klassische europäische Ausmalung mit figürlichen Elementen hätte schnell zu Irritationen bei den Gläubigen in Kamerun führen können “, ergänzt das Rotary-Mitglied.
Ehemaliges Gotteshaus wird zu Wohnraum
1901/1902 plante der Kirchenarchitekt Hermann Wielers die Kirche „St. Antonius“. Ab 1906 war sie der Mittelpunkt der gleichnamigen eigenständigen Pfarrgemeinde. Bis 1954 wurde der neugotische Kirchenbau in veränderter Form neu errichtet. Bomben zerstörten am 4. Januar 1944 das Gebäude samt Innenausstattung fast vollständig.
Von 1977 bis ‘79 fand die letzte Renovierung statt. 2008 entwidmete das Ruhrbistum die Kirche . Seitdem wurden verschiedene zukünftige Nutzungen überlegt, da die Kirche als „Landmarke“ für die Quartiersgeschichte erhalten bleiben soll. Der Einbau von Wohnungen ist die aktuelle Entwicklung .
Am 5. Oktober 2020 erhielt ein Investor die Baugenehmigung für einen moderateren Umbau der Kirche. Diese beinhaltet den Bau von zwölf anstatt ursprünglich geplanter 39 Wohnungen . Der Chorraum bleibt erhalten. Für das gesamte Karree wird ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet.
Den Auftrag, sich in Deutschland um gebrauchte Fenster aus Kirchen zu kümmern, erhielt Bülhoff direkt von Bischof Ateba. „Eigentlich unterstützen wir Rotarier die Ausbildung von 240 Steinmetzen in seiner Pfarrei“, erzählt er. Aber die neue Kathedrale benötigte Glocken und Glasfenster, die nicht in dem afrikanischen Land hergestellt werden können . Da in Deutschland Kirchen entwidmet und abgerissen werden, war das ein guter Weg, beides miteinander zu verknüpfen.
Über das Ruhrbistum erfuhr Bülhoff von den Fenstern in St. Antonius. Die Glocken erhielt er aus einer evangelischen Kirche im Saarland, die abgerissen wurde. Der Bochumer Pfarrei ist der Rotarier dankbar. „ Sie übernahm 5000 Euro der insgesamt 12.000 Euro, die der Ausbau und der Transport der Fenster kostet “, erklärt er. Ulrich Linnhoff sieht das pragmatisch: „Die Fenster hätten ansonsten ausgebaut und eingelagert werden müssen. So helfen wir, dass die künstlerischen Glasarbeiten eine neue Zukunft haben.“
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