Bochum. Bochumer „Querdenker“ demonstrieren vor dem Schauspielhaus gegen Corona-Maßnahmen. Das Theater reagierte dagegen auf kreative Weise.
Drei rote Banner hängen am Schauspielhaus: „1,3 Millionen Corona-Tote weltweit. Und noch Verleugnungen? Wie kommt’s?“ ist darauf zu lesen.
Nicht ohne Grund erinnern sie an die Werbetafeln aus dem Film „Three Billboards Outside Ebbing Missouri“ – einem Oscar-Preisträger, der diese Protestform im öffentlichen Raum geboren hat. Die Banner am Schauspielhaus sind eine Reaktion auf die dort startende „Querdenker“-Demo des Bochumer Ablegers am Samstag (14.), zu der etwa 150 Teilnehmer gekommen sind.
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„Wir wollen keine Diskussion über Corona-Maßnahmen verhindern, wohl aber anprangern, dass sich im Fahrwasser der „Querdenker“ auch Corona-Leugner, Nazis, Antisemiten und Verschwörungstheoretiker tummeln“, sagt Schauspielhaus-Chefdramaturg Vasco Bönisch. Wie die Polizei sagt, sind an der Versammlung vereinzelt Personen beteiligt, die sie dem rechten Spektrum zuordnet. Die Anzahl liege im einstelligen Bereich.
„Querdenker“: „Wir verleugnen nichts, sondern stellen Fragen“
Die „Querdenker“ selbst erklären: „Wir verleugnen nichts, sondern stellen Fragen. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen wie Maskenpflicht und Lockdown ist nicht gegeben“, sagt Versammlungsleiter Peter, der nicht mit vollem Namen genannt werden möchte. Ohne Maske steht er auf dem Vorplatz des Schauspielhauses. „Ich selbst bin aus medizinischen Gründen maskenbefreit“, sagt er.
Das Argument bringen in den Augen von Ordnungsamt und Polizei auffällig viele vor – Einsatzkräfte kontrollieren daher die Atteste der Teilnehmer. Böses Erwachen für manche: Die Atteste eines Bochumer Arztes, gegen den aktuell ermittelt wird, weil er diese pauschal ausgestellt haben soll, werden nicht anerkannt. Bewahrheitet sich der Vorwurf, machen sich die Verwender der Urkundenfälschung strafbar. Die Polizei schrieb 13 Strafanzeigen wegen Ausstellung bzw. Gebrauchs „unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ und sprach zwei Platzverweise aus.
Linke Szene mobilisiert Gegenprotest
Um das Ordnungsamt in Sachen Maskenpflicht zu unterstützen, ist die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort. „Wir rechnen nicht mit gewalttätigen Ausschreitungen. Die Zahl der Teilnehmer hat sich aber von Demo zu Demo erhöht“, erklärt Einsatzleiter Felix Horn. Außerdem mobilisiere die linke Szene Gegenprotest.
+++ Diese Corona-Regeln gelten in Bochum +++
Am Samstag riefen die Bochumer „Querdenker “, erst vor wenigen Wochen gegründet, zum vierten Mal zum Protest auf. Am kommenden Samstag (21.) ist mit einer vierstelligen Teilnehmerzahl zu rechnen: Dann ist mit Michael Ballweg die zentrale Führungsfigur dabei.
Vergleich von Grippe und Covid-19
„Wir haben keine Gesellschaft mehr, können nicht reisen, essen gehen oder uns treffen. Auch finanziell belastet mich Corona“, sagt Kioskbesitzer Latif Fawaz. Julia Rai sagt: „Wir stellen die Gefährlichkeit von Corona in Frage. Es ist nicht gefährlicher als eine normale Grippe.“
Wissenschaftliche Fakten sagen etwas anderes: Experten verweisen beim Vergleich zwischen dem Grippevirus und Covid-19 immer wieder auf fehlende Grundimmunität in der Bevölkerung, höheres Sterberisiko und Ansteckungsgefahr sowie unbekannte Langzeitschäden.
Bochumer Ableger heißt „Querdenken 234“
Michael Ballweg gründete die Bewegung in Stuttgart mit „Querdenken 711“, die inzwischen deutschlandweit vertreten ist.
Der Bochumer Ableger heißt „Querdenken 234“ in Anlehnung an die Bochumer Vorwahl.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) warnt, dass Rechtsextreme die Demos unterwandern. Er gehe davon aus, dass im Schnitt ein Drittel der Teilnehmer zur rechtsextremen Szene gehören, sagte er im WDR.
„Wir leugnen Corona nicht, sind keine Rechtsextremen und Verschwörungstheoretiker , sondern wollen nur normal leben wie früher“, sagt Rai. Ob das für alle Teilnehmer der Bochumer Demo gilt, ist schwer zu sagen. Manche Demonstranten erwecken einen anderen Eindruck: Einer trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Stoppt Corona-Pandemie-Lüge“, die „Querdenker“ rufen zum „Sprechchor der Maskenbefreiten“ auf und Demonstrant Arne sagt: „Ich glaube, dass die Pandemie nur vorgeschoben ist. Es ist politisch gewollt, unsere Grundrechte einzuschränken und uns zu überwachen.“
„Die Querdenker distanzieren sich von links- und rechtsextremer Gesinnung und Gewalt“
Demonstrant Christian Riepenhoff sagt: „Es geht uns um den Erhalt des Grundgesetzes.“ Wer bei einer Demo mitlaufe, könne er nicht kontrollieren, es herrsche Meinungsfreiheit. „Die Querdenker distanzieren sich von links- und rechtsextremer Gesinnung und Gewalt“, betont er. Und fordert: „Wir brauchen einen Dialog zwischen Gegnern und Befürwortern der Corona-Maßnahmen.“
Darauf will man auch metaphorisch aufmerksam machen: Beim Demonstrationszug, der vorbei an Rathaus und Bahnhof führt, laufen vorne Teilnehmer in weißen Seuchenschutzanzügen, zum Schluss schwarz gekleidete Demonstranten und dazwischen solche in Zivil. „Es gibt nicht nur schwarz und weiß. Wir Querdenker sind die bürgerliche Mitte“, erklärt Riepenhoff.