Bochum. Bochum liegt in Sachen Patentanmeldungen klar hinter den Revier-Rivalen Essen und Dortmund. Fehlen Stadt und Firmen die Innovationskraft?
Neue Firmen, neues Image, neuer Aufschwung. Viele Faktoren sprechen dafür, dass Bochum das Image der grauen Maus im Revier abstreifen kann. Allen voran sorgt die Entwicklung auf dem Gelände des ehemaligen Opel-Werks in Laer für einen mächtigen Schub. In Sachen Innovationskraft liegt die Stadt aber scheinbar meilenweit hinter den Revierrivalen.
Gerade einmal 45 Patente haben Unternehmen aus Bochum im vergangenen Jahr angemeldet. Zum Vergleich: In Essen waren es 580, in Dortmund immerhin noch 200. Das gibt zu denken. „Patentanmeldungen sind ein starker Indikator für Innovationswillen und Innovationskraft. Da ist in unserem Kammerbezirk noch Luft nach oben“, sagt Eric Weik, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet.
81 Patentanmeldungen im Vorjahr in der Region
Überhaupt schwächelt die gesamte Region in diesem Bereich. Lediglich 81 Patentanmeldungen hat es 2019 in Bochum, Herne, Hattingen und Witten gegeben. Weik: „Wir müssen uns nicht bei allem ein Beispiel an Süddeutschland nehmen – in diesem Fall allerdings schon. An der Ruhr-Uni und den vielen guten Hochschulen in unserer Stadt steckt viel Entwicklungspotenzial. Unternehmen sollten eine stärkere Verknüpfung mit Uni und Hochschulen anstreben, um ihre Innovationsfähigkeit zu erhöhen.“
Denn die Ruhr-Uni ist auf jeden Fall einer der Motoren für Neuentwicklungen. Von ihr stammten im Vorjahr acht Patentanmeldungen – und das aus unterschiedlichen Technologiefeldern.
500.000 Euro jährlich für Patentschutz
Hermann Monstadt pflegt mit seinen Unternehmen seit Jahren diese Zusammenarbeit. „Im Tech-Bereich ist die Anmeldung von Patenten immer auch Teamarbeit“, sagt er. „Es gibt keinen einzelnen Daniel Düsentrieb, der im Kämmerchen alles erfindet.“ An gut 400 Entwicklungen und Patenten im Bereich der neurovaskulären Medizinprodukten war er maßgeblich beteiligt. Nicht zuletzt deshalb wurde der Bochumer vor einigen Tagen zum Honorarprofessor der Ruhr-Uni ernannt. Er sagt: „Ohne Neuentwicklungen braucht man in der Medizintechnik gar nicht antreten.“ Etwa eine halbe Millionen Euro gibt er nach eigener Auskunft jedes Jahr für die Patentstrategie seiner Unternehmen aus.
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81 Patentanmeldungen aus der Region
Insgesamt 81 Patentanmeldungen gab es 2019 von Unternehmen im Bereich der IHK Mittleres Ruhrgebiet: 45 aus Bochum, 17 aus Witten, 15 aus Herne und fünf aus Hattingen.
Die meisten Anmeldungen gehörten zum Bereich „Arbeitsverfahren und Transportieren“ (25). Danach folgten Physik (18), Maschinenbau (14) und der tägliche Lebensbedarf (12).
Vor allem internationale Schutzrechte können teuer sein. Gerade für junge Firmen, die ihr Geld lieber in andere Bereiche stecken, ist das ein Problem. Dabei ist die Beobachtung von Entwicklungen und die Frage, ob Patentrechte anderer verletzt werden, für sie mitunter noch wichtiger als der Schutz eigener Rechte. Das jedenfalls hat Hermann Monstadt schmerzhaft erfahren. „Das unterschätzen viele. Mir ist das mit einer meiner früheren Firmen auch passiert.“ Zehn Jahre lang dauerte ein Rechtsstreit mit einem US-Unternehmen, den er bzw. die Eigner seiner später verkauften Firma verloren.
Patentanwalt und studierter Maschinenbauer
Ohnehin müsse nicht jede Neuerung unbedingt patentrechtlich geschützt werden. Mitunter reicht auch eine Veröffentlichung, die dann als neuester Stand der Technik gilt. „Immer dann, wenn es um wirtschaftliche Verwendbarkeit geht, sind Schutzrechte wichtig“, sagt Hermann Monstadt.
Patentanwalt Lukas Tanner bestätigt das. Der Bochumer ist studierter Maschinenbauer und Jurist, nach einigen Jahren als Patentanwalt für eine Kanzlei in München hat er sich in seiner Heimatstadt selbstständig gemacht. Dabei kümmert er sich nicht nur den Schutz technischer Innovationen, also Patente. Geschützt werden auch Marken und Designs. „Bis zu 2000 Euro kostet ein Markenschutz in Deutschland“, so Tanner.
Wichtig in Schlüsseltechnologien
Teurer wird es, wenn es um internationalen, mitunter um weltweiten Schutz geht. Das kostet Zeit und Geld. Kleinere Firmen dürfen immerhin auf Hilfe hoffen. Der Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen (Wipano) wird vom Bundeswirtschaftsministerium mit bis zu 15.000 Euro unterstützt. Gerade bei den technischen Innovationen – vor allem in der Automotivebranche, im Elektrobereich, in der IT und der Medizintechnik spielen Schutzrechte eine große Rolle.
Weil diese Rechte so wichtig sind, werden sie in großen Unternehmen und Konzernen auch gebündelt. Bei Escrpyt in Bochum gibt es permanent Neuentwicklungen. Drei bis fünf Erfindungen werden nach Einschätzung von Entwicklungsleiter Christoph Pohl jedes Jahr patentiert. Aber in den Patentverzeichnissen taucht der Name Esrcypt gar nicht auf. Denn: Alle Patente werden unter dem Namen Bosch angemeldet. Das gehört zur Patentstrategie des Technologiekonzerns, zu dem Escrypt mittlerweile gehört.
Vor allem Großunternehmen melden Patente an
„Deutschlandweit kommen etwa 70 Prozent der Patentanmeldungen aus Großunternehmen. Und diese sind im vom Mittelstand geprägten mittleren Ruhrgebiet eher selten“, sagt Patentanwalt Lukas Tanner. So relativiert sich Bochums großer Rückstand gegenüber den Nachbarn Essen und Dortmund. Dort gibt es mehr Großkonzerne, die die „Patentbilanz“ der Stadt bereichern. Findiger müssen sie dort deshalb nicht unbedingt sein.
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