Bochum. Bochum legt ein Gestaltungshandbuch für die Innenstadt vor. Es wirbt für mehr Qualität und eher für Zurückhaltung als für bunte Effekthascherei.
Heimatverbundene Menschen leben gerne hier. Auch wenn, wie Grönemeyer einst gesungen hat, Bochum „keine Schönheit“ ist. Unter den an vielen Stellen schrillen und schrägen Fassaden in der Innenstadt steckt aber mehr Substanz als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Und diese Substanz soll wieder sichtbar werden. Ein Gestaltungshandbuch spielt dabei eine wichtige Rolle.
260 Seiten stark ist das Werk, an dem Stadt, Bochum Marketing und die Initiative Bochumer City (IBO) lange gefeilt haben. Weil das nicht immer ganz einfach war „und weil ich weiß wie viel Arbeit in dem Buch steckt, bin ich schon ein bisschen stolz darauf“, sagt IBO-Vorsitzender Marc Mauer, einer der Initiatoren. Das Handbuch soll helfen, die Innenstadt auf die Dauer schöner und wertiger wirken zu lassen.
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Wenig herausragende Architektur
„Unser Anliegen ist Qualität“, sagt Stadtbaurat Markus Bradtke. Und diese architektonische Qualität werde in der City häufig überlagert von schriller Werbung, großen Reklametafeln und anderen Instrumenten, mit denen vor allem Händler und Gastronomen um die Aufmerksamkeit für ihre Läden buhlen. Dabei „ist weniger mehr“, so Bradtke. Will sagen. Wenn erstmal die bunten Schriftzüge, die schrille Werbung von den Wänden und mobile Werbeträger vor den Gebäuden verschwunden sind, kommen die Immobilien viel besser zu Wirkung.
„Wir habe nur wenig herausragende Architektur in der Innenstadt“, sagt Markus Bradtke. Das Rathaus, die Sparkassen-Zentrale, das Baltz-Gebäude und der Telekomblock, seit kurzem auch das Musikforum.“ Vielmehr gebe es auf den ersten Blick nicht. Auf den zweiten Blick ließen sich aber schöne Gebäudeensemble etwa aus den 1950er Jahren wie an der Bleichstraße entdecken. „Wir müssen die Qualität herausarbeiten“, so Bradtke. Am Ende sei vor allem eines wichtig: Dass sich die Menschen in der Innenstadt wohlfühlen.
Das Motto: Erklären, nicht verbieten
Es gibt eine breite Basis, um dieses Ziel zu erreichen. Der Rat hat mit großer Mehrheit das Handbuch und auch die Gestaltungssatzung verabschiedet, die IBO sogar einstimmig für das Handbuch plädiert. Und auch wenn IBO-Chef Marc Mauer weiß, „dass nicht jeder gleich jubeln wird“. Er ist überzeugt von der gemeinsamen Initiative.
Zumal: „Wir verbieten mit dem Handbuch nicht, sondern wir erklären“, so Stadtbaurat Bradtke. Und er nennt Beispiele für Unförmiges oder Überladenes: Das Gebäude an der Kortumstraße etwa, in dem bis vor einigen Monaten die Schuhkette CCC eine Filiale hatte, und das mit seiner überproportional hohen Glasfront wirke wie „die zersägte Jungfrau“. Oder das Eckgebäude an der Bongardstraße/Bleichstraße, dessen 1950er-Jahre-Charme überlegt werde von zu ausladender Werbung. Bei beiden Häuser gelte wie an vielen anderen Stellen in der City: Weniger ist mehr.
Leerstände können auch eine Chance sein
„Das wird Überzeugungsarbeit kosten“, so die Initiatoren. Aber schon jetzt zeigten sich Erfolge. Marc Mauer hat sich bei der Renovierung seiner Immobilie an der Kortumstraße von dem neuen Geist inspirieren lassen. Gastronom Lukas Rüger (Livingroom, Franz Ferdinand) steht hinter der Idee und hat beim Anstrich für eines seiner Restaurants auf Geheiß eine dezente Farbe gewählt. Auch andere ziehen mit: Jener Immobilienbesitzer etwa, der seine Gebäude in Bochum bislang vorzugsweise in auffälliger Brombeerfarbe hat anstreichen lassen, wähle nun andere Farben, wie Dagmar Stallmann vom Bauamt weiß.
Bei der Umsetzung der neuen Gestaltungsideen könne die aktuelle Krise sogar helfen, so Thomas
Handbuch ist im Internet zu finden
Wer das Gestaltungshandbuch studieren will, der hat dazu Gelegenheit auf der Seite der Stadt Bochum (www.bochum.de). Dort ist es komplett als PDF-Datei hinterlegt.
Es soll außerdem alle Händler, Gewerbetreibenden und Eigentümern in der Innenstadt zur Verfügung gestellt werden, so Dagmar Stallmann vom Bauamt. Zahlreiche Exemplare würden außerdem an öffentlichen Stellen ausgelegt.
Weckermann, Prokurist bei Bochum Marketing. „Wir müssen mit mehr Leerständen rechnen. Aber das kann man auch als Chance begreifen.“ Bei Veränderungen in und an Häusern biete sich ein Blick ins Gestaltungshandbuch an.
Werbung muss neu beantragt werden
Für die Immobilien selbst besteht Bestandsschutz. Sie können, „sogar zum Teil mit überschaubaren Mittel aufgewertet werden“, so Markus Bradtke. Sie müssen es aber nicht. Keinen Bestandsschutz haben aber Werbemittel und -träger, die jedes Jahr neu beantragt werden müssen. „Mal sehen was da auf uns zukommt“, sagt Dagmar Nagel, die beim Ordnungsamt zuständig für Sondernutzungen ist. Es habe schon die ersten Andeutung dazu gegeben, dass Geschäftsleute sich juristisch wehren wollen, wenn sie nicht mehr wie bisher im öffentlichen Raum werben können. Marc Mauers Appell: „Man sollte nicht nur sein Geschäft und seine Immobilie sehen, sondern das Ganze.“
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