Altenbochum. Mit „Freigrafendamm“ ist nicht nur den Zentralfriedhof in Bochum gemeint. Die WAZ geht auf Spurensuche an einem geschichtsträchtigen Ort.

Jeder in Bochum kennt den Namen „Freigrafendamm“. Die Meisten verbinden damit den Hauptfriedhof. Aber der Begriff hat auch darüber hinaus Bedeutung. Geschichtsträchtig ist er obendrein. Eine Spurensuche.

Pläne stammen aus den 20er Jahren

Der Freigrafendamm erstreckt sich über 750 Meter als doppelspurige Allee schnurgerade zwischen Wittener und Immanuel-Kant-Straße. Ein schöner Ort, große, alte Bäume stehen hier, in der Mitte der Straße ist Platz für Fußgänger, mancherorts laden Bänke zum Verweilen ein. Aber der ständig und intensiv zugeparkte Straßenraum trübt den guten Eindruck. Ebenso der eher ungepflegte Gesamtzustand dieser städtebaulichen Anlage, die einst eine Vorzeige-Allee war.

Herkunft des Namens

Der Freigrafendamm - ebenso wie der Name der dort gelegenen Gaststätte „Femlinde“ - erinnern an die mittelalterlichen königlichen Gerichte in Westfalen.

Diese hießen Freigerichte oder Feme, wobei der Vorsitzende des Gerichts der „Freigraf“ war. Die Gerichte, die am „Freistuhl“ und/oder an der „Fem-Linde“ zusammenkamen, sprachen in öffentlichen und geheimen Sitzungen Recht.

Erweiterung des Friedhofes war geboten

Die Geschichte der Straße reicht bis in die 1920er Jahren zurück. Bereits vor der Eingemeindung Altenbochums (1926) nach Bochum waren Pläne für einen Zentralfriedhof und dessen repräsentativer Zuwegung in Angriff genommen worden. Die Friedhofserweiterung war geboten, weil Bochum - auch wegen der Eingemeindungen - immer weiter gewachsen und der alte Gottesacker an der Wittener Straße (heute Kortum-Park) zu klein geworden war.

Streng, voluminös und einschüchternd wirken die Bauten des Hauptfriedhofs. Das Ensemble mit der großen Trauerhalle entstand 1939. Aufnahme aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Streng, voluminös und einschüchternd wirken die Bauten des Hauptfriedhofs. Das Ensemble mit der großen Trauerhalle entstand 1939. Aufnahme aus der Zeit des Nationalsozialismus. © Stadt Bochum | Fritz Köhler

Das weitläufige Gelände zwischen Altenbochum und Havkenscheid war als Standort für die Begräbnisstätte ausgeguckt worden, wobei die Anlage von vornherein als Zentralfriedhof der Groß- und Industriestadt Bochum vorgesehen war. Sie sollte also zukünftig kleinere kommunale Bestattungsplätze ersetzen. 1925 fanden am Freigrafendamm die ersten Beisetzungen statt, danach wurde der Friedhof Zug um Zug ausgebaut.

Gebäude stehen für den Geist der NS-Zeit

Die vorhandenen Gebäude, Eingangsbereich, Verwaltung, Trauerhalle und Krematorium entstanden zwischen 1935 bis 1939 im Stil einer nationalsozialistischen Bauauffassung. Tatsächlich ist die Anlage bis heute eines der am besten erhaltenen und typischsten Zeugnisse der NS-Zeit im ganzen Ruhrgebiet. Die Straße „Freigrafendamm“ sollte als würdige Allee den Zugang zu dem neuen Friedhof erschließen. Entsprechend großzügig dimensioniert wurde der Bereich. Nicht nur die Straße selbst, auch die Bebauung folgte in den späten 1920er Jahren dieser Idee.

Zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit

Beispielhaft dafür steht die zwischen 1928 und 1931 errichtete, große Wohnsiedlung, die sich zwischen Freigrafendamm, Püttmannsweg, Andreas-Hofer-, Steuben- und Altenbochumer Straße ausbreitet.

So sah das ehemalige Kriegerdenkmal aus. Im Hintergrund die Wohnanlage Freigrafendamm.
So sah das ehemalige Kriegerdenkmal aus. Im Hintergrund die Wohnanlage Freigrafendamm. © Stadt Bochum

Die Bochumer Architekten Franz Albert Bergmann und Franz Grothe schufen mit diesem Wohnblock eine qualitätsvolle Bebauung zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit; der Genossenschaftsbau steht für die demokratisch-offene Haltung der Weimarer Republik.

Begrünte Innenhöfe

Kubische Formen, versetzt und gestaffelt ausgeführt, lockern die Blockhaftigkeit des Ensembles auf. Durchgänge und Wege führen zwischen den Straßen und Häusern zu Innenhöfen, die als Orte der Gemeinschaft und des Aufenthalts konzipiert sind. Ruhe- und Spielplätze finden sich dort, auch sind die Innenbereiche begrünt.

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Gedenken an die Gefallenen des Krieges

Die Straße wurde 1931, nach Abschluss der Randbebauung, durch ein Kriegerdenkmal komplettiert. Es stand unmittelbar am Entree zur Wittener Straße, wo heute der (zugemauerte) Kiosk steht. Das Denkmal (Bildhauer Walter J. Becker) bestand aus einem 3,60 Meter hohen Natursteinsockel, auf dem die Bronzefigur eines knienden Soldaten mit gesenkter Fahne über der Schulter ruhte. Es erinnerte an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Männer aus Altenbochum.

Am 18. Oktober 1931 war die feierliche Einweihung, zu der Tausende herbeiströmten, nicht nur aus Altenbochum. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Bronzedenkmal abgebaut und eingeschmolzen.

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