Bochum. Im Bochumer Museum unter Tage wird die Ausstellung „Artige Kunst“ eröffnet. Sie setzt sich mit der Kunstpolitik im Nationalsozialismus auseinander.

  • Das Museum unter Tage zeigt bis zum 9. April 2017 die Ausstellung „Artige Kunst“.
  • Gemälde NS-konformer Maler werden mit Werken von verfemten Künstlern konfroniert.
  • Die Ausstellung ist einzigartig und wurde durch Leihgabe aus ganz Deutschland möglich.

„Artige Kunst“ heißt die neue Ausstellung im Museum unter Tage (MuT) im Schlosspark Weitmar. Sie setzt sich kritisch-analytisch mit der Kunstpolitik im Nationalsozialismus auseinander.

Der Titel „Artige Kunst“ mag irritieren, aber er ist bewusst gewählt: „Er regt als Gegenbegriff zur diffamierenden NS-Terminologie der ,entarteten Kunst’ dazu an, über das Verhältnis von Kunst und Politik sowie Widerständigkeit und Gehorsam nachzudenken“, so Silke von Berswordt-Wallrabe, Vorsitzende der Stiftung Situation Kunst.

Konfrontative Gegenüberstellung de Werke von verfolgten oder verfemten Künstlern

Im Museum unter Tage, das vor einem Jahr eröffnete, wurde die Stamm-Ausstellung „Weltsichten“ mit Landschaftsmalerei für die neue Exposition etwas verkleinert. In fünf Räumen werden nun exemplarische Werke der offiziellen NS-Kunst gezeigt, dazu in konfrontativer Gegenüberstellung Werke von verfolgten oder verfemten Künstlern. Sie sind sozusagen das Antidot zur Einfältigkeit der systemkonformen Kunst.

Provozierend, auch verstörend sind Attribute, die einem während des Ausstellungsrundgangs einfallen. In erster Linie wird man angezogen von den zum Teil Riesenformaten, die Maler wie Paul Junghanns, Hermann Otto Heuer oder Adolf Ziegler damals gestalteten. Lachende Arbeitsmaiden, wettergegerbte Bauernfamilien, der Pflüger hinter seinen Pferden auf dem Acker, später auch die Soldaten an der Front (Albert Otto: „Stillleben mit Stahlhelm“): die Bilder stellen in gegenständlich-eingängiger Manier eine Quasi-Idylle aus, die es so natürlich nicht gegeben hat.

Schockierende Kontraste

„Natürlich geht es keinesfalls darum, diese Kunst aufzuwerten. Ganz im Gegenteil soll nachgewiesen werden, dass ihr ein kritisches Hinterfragen ebenso fehlt wie ein humanistischer Anspruch“, so Silke von Berswordt. Die Gegenstimmen dazu stammen von den anderen, den verfemten Künstlern.

Die Blut-und-Boden-Gemälde und heimelig-unheimlichen Familienszenen werden abrupt und auch schockierend aufgebrochen. Die vermeintlich unpolitische, harmlos anmutende NS-Kunst wird mit skeptisch-melancholischen Bildern von Max Beckmann, George Grosz, Felix Nussbaum konfrontiert oder mit Karl Schwesigs Zeichnungen aus den SA-Folterkellern – aber auch mit fotografischen Dokumenten zu Krieg, Zerstörung und Massenmord. Da hängt neben dem NS-Werbeplakat „Gesunde Eltern – gesunde Kinder“ das Foto von einem kleinen Jungen, der im KZ Bergen-Belsen an Leichenbergen vorbeigeht.

Die Zerrissenheit der Zeit und der in sie eingebetteten Kunst wird in dieser eindringlichen Ausstellung anschaulich. Sie erlaubt es dem Besucher nicht nur, aus der Anschauung eigene Schlüsse zu ziehen, sie zwingt ihn geradezu dazu.

Die Schau basiert auf der Überzeugung, dass Museen Orte kultureller und gesellschaftspolitischer Bildung sind und auch der kritische Diskurs befördert werden sollte. Mit verschiedenen Diskussions- und Vortragsveranstaltungen wird genau das versucht.

Vernissage am 4. November

Eröffnung Freitag (4.11) um 18 Uhr im Museum unter Tage, Schlossstraße 13. Die Ausstellung ist vom 5. November bis 9. April 2017 zu sehen. Schirmherr ist Bundestagspräsident Dr. Nobert Lammert
http.//www.situation-kunst.de