Bochum. Corona-Wahrheiten zwischen Männertagesstätten und „Piepsomaten“: Bochums bekannteste Putzfrau Walli hatte Premiere mit ihrem neuen Programm.
Eine Atempause wollte sie sich gönnen, weniger unterwegs sein, am neuen, für 2021 geplanten Programm feilen, das sich mit dem Glauben beschäftigen sollte. Dann kam Corona. Was Esther Münch in der Tat eine – unfreiwillige – Auszeit auf der Bühne bescherte, jedoch keinesfalls ruhen ließ. Der Glaube kann warten. Die Pandemie ist da – und Thema ihres 16. Solo-Programms, das am Wochenende im dreimal ausverkauften Haus Spitz in Stiepel eine umjubelte Premiere feierte. Titel: „Nache Not“.
In ihrer Paraderolle als Reinigungsfachkraft Waltraud Ehlert zeichnet Esther Münch das Bild einer Gesellschaft im Ausnahmezustand. Das kommt im ersten Teil meist witzig, mitunter klamaukig daher. Seit Monaten sei sie „auf Willi zurückgeworfen“, stöhnt Walli über das in Coronazeiten allzu enge familiäre Zusammenleben. Wie Weihnachten. „Nur ohne Geschenke.“ Eine Lösung zur Teilzeit-Entsorgung von Göttergatten im Homeoffice könnten „Mätas“ sein: Männertagesstätten mit Rundumbetreuung.
Walli in Bochum: „Eppedemeologen“ in TV-Dauerschleife
Genervt zeigt sich die patente Putze über die TV-Dauerpräsenz der „Eppedemeologen“: „Die sitzen nur noch im Fernsehen rum. Forschen die eigentlich noch?“ Grinsend macht sie die Vorteile von Videokonferenzen aus: „Man muss nur obenrum angezogen sein.“ Walli staunt über nationale Eigenarten in vermeintlichen Notlagen: „In Frankreich waren Rotwein und Kondome ausverkauft. Bei uns Klopapier und Nudeln...“ Und regt für Supermärkte „Piepsomaten“ wie im Auto an, die fiepsen, wenn der 1,50-Meter-Abstand an der Kasse mal wieder nicht eingehalten wird.
Im zweiten Teil ist schnell Schluss mit lustig. Gewohnt gnadenlos und akribisch recherchiert, rechnet Walli mit all den Wahn-, Irr- und Stumpfsinnigen ab, die sich in den vergangenen sechs Monaten ungefragt zu Wort gemeldet haben: mit kranken Verschwörungstheoretikern („Coronesen“ genannt); mit ebenso unfähigen wie skrupellosen Politikern (der „Schimpanse“ in den USA an ihrer Spitze); mit unsolidarischen Verbrauchern, die statt im Einzelhandel massenhaft „bei Amazonien“ einkaufen; und auch mit der Bochumer Stadtverwaltung, die an dicht gedrängten Hotspots wie am Schauspielhaus allzu gnädig reagiere: „Nicht nur gucken, auch bestrafen!“
Figur wird zunehmend politischer
„Nache Not“ führt fort, was Esther Münch in den letzten Jahren forcierte. Ihre Walli wird zunehmend zur politischen Figur. Mit Kopftuch und Kittel in bester Kabarett-Tradition. Der Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit verpflichtet.
Ebenso versöhnlich wie mahnend ist das Ende. Deutschland, sagt Walli, sei bei aller Kritik bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Es gelte, weiterhin alle AHA-Regeln (so wie im Haus Spitz) zu befolgen. Denn: „Lieber ein Lappen vor dem Gesicht als ein Zettel am Fuß.“
Alle Infos und Termine auf www.esther-muench.de.