Bochum. Die Kontaktlisten in Lokalen sind zum Alltag geworden. Ob sie ihrem Zweck dienen? Die Stadt Bochum wartet mit einer bemerkenswerten Bilanz auf.

Die Registrierung in Gaststätten und Restaurants gilt Wirten und Gästen gleichermaßen als – mitunter lästige – Pflichtübung. Ihren Sinn hat die schriftliche oder digitale Hinterlegung der Daten in Bochum bislang komplett verfehlt. Wie die Stadt auf WAZ-Anfrage mitteilt, hat das Gesundheitsamt noch kein einziges Mal von den Listen Gebrauch gemacht.

Name, Adresse, Telefon- und Tischnummer, Tag und Uhrzeit des Aufenthalts: In der Gastronomie sind die Bögen mit den Kontaktdaten der Besucher seit Ende des Lockdowns im Frühjahr Pflicht. Sie sollen dem Gesundheitsamt bei der Corona-Kontaktnachverfolgung helfen. Anhand der Daten sollen mögliche Infektionsketten erkannt und unterbunden werden.

Corona in Bochum: „Donald Duck“ an Tisch 8

Das sei in Bochum bis heute nicht passiert, berichtet Stadtsprecher Peter van Dyk. Zwar hat das personell aufgestockte Gesundheitsamt alle Hände voll zu tun, um zu ermitteln, wer sich im Umfeld eines Infizierten angesteckt haben könnte. Dass mitunter mehr als 800 Bochumer in Quarantäne sind, zeigt das Ausmaß der Nachforschungen. Die Listen der Gastronomen spielten dabei in den vergangenen vier Monaten jedoch keine Rolle.

Das ist womöglich auch gut so. Denn längst nicht alle Gäste nehmen die Registrierungspflicht ernst. Vielfach, so die Beobachtung in der Branche, werden Phantasienamen wie „Donald Duck“ oder „Benjamin Blümchen“ verwendet. Oder: Die Einträge sind (bewusst) unleserlich. Einen Anhaltspunkt lieferte am Dienstagabend ein Hamburger Bezirksamtsleiter in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz. Von 1483 ausgewerteten Kontaktangaben, vornehmlich in St. Pauli, war nur jede dritte korrekt, berichtete er.

Christian Bickelbacher geht davon aus, dass in seinen Lokalen die Gäste ihren korrekten Namen in die Listen eintragen. Bei „Benjamin Blümchen“ schreitet auch mal das Personal ein.
Christian Bickelbacher geht davon aus, dass in seinen Lokalen die Gäste ihren korrekten Namen in die Listen eintragen. Bei „Benjamin Blümchen“ schreitet auch mal das Personal ein. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Stadt sieht „keinen Missbrauch“

Zahlen für Bochum gibt es nicht. „Die kann es auch nicht geben. Immerhin sind die Gastronomen nicht befugt, die Einträge zu kontrollieren“, erklärt Stadtsprecher Peter van Dyk. Die Ordnungsbehörden dürfen nur Einsicht nehmen, wenn es für eine Nachverfolgung erforderlich erscheint. „Das war bisher nicht der Fall. Wir haben daher keine Erkenntnis, dass mit den Listen in großem Stil Missbrauch getrieben wird.“

Was nicht heißt, dass alle Gäste ehrlich sind. „In bestimmten Szene-Kneipen in Bochum sind ,Helmut Kohl’ oder ,Loki Schmidt’ häufiger zu Gast“, schildert Christian Bickelbacher, Vorstandsmitglied der Interessen- und Standortgemeinschaft Bermudadreieck. In seinen fünf Lokalen komme das aber nur sehr selten vor. Wer es besonders wild treibt und sich etwa als Peter Pan oder Max Mustermann ausgibt, werde vom Personal freundlich darauf hingewiesen, doch bitteschön den richtigen Namen zu verwenden.

Dehoga bekräftigt: Daten sind wichtig

Das, betont die Stadt, sei im Interesse aller: der Gäste, der Gastronomen, der Gesellschaft. „Die größte Angst in unserem Gewerbe ist die vor einem zweiten Lockdown“, bekräftigt Thorsten Hellwig, Sprecher des Branchenverbandes Dehoga in NRW. Die Gastronomen kämen ihrer Registrierungspflicht deshalb penibel nach – auch, was die vorgeschriebene Vernichtung der Listen nach vier Wochen betrifft. „Wir sind aber darauf angewiesen, dass sich auch die Gäste ihrer Verantwortung bewusst sind“, so Hellwig. Der jüngste Corona-Ausbruch nach einer Hochzeitsfeier in Hamm zeige, „dass man sich keinesfalls in Sicherheit wiegen darf“.