Bochum. Anfang September hat sich ein Ernährungsrat in Bochum gegründet. Um Diäten geht es darin nicht. Die junge Initiative hat ganz andere Absichten.

Keine Sorge, auch wenn er „Ernährungsrat“ heißt – um Ratschläge zu Diäten und Abnehm-Methoden geht es nicht. Der Genuss einer Bochum er Currywurst ist also vorerst nicht in Gefahr. „Das Modell kommt aus dem englischsprachigen Bereich und heißt dort viel freundlicher ,Food Council’“, sagt Mitglied Alessa Heuser und erklärt direkt, worum es bei dem neugegründeten Ernährungsrat stattdessen geht: „Wir verstehen uns als Netzwerk, Denkfabrik und Aktionsplattform und wollen im lokalen Ernährungssystem mitmischen.“ Es solle nachhaltiger, gemeinwohlorientierter und offener für Partizipation werden.

Neuer Ernährungsrat in Bochum will über das Essen aufklären

Gegründet hat sich die Initiative mit etwa 15 Aktiven Anfang September in der Ko-Fabrik, eine zweijährige Vorbereitungsphase war dafür nötig. „Es geht darum, Ernährungsdemokratie zu leben und zu fördern“, führt Sprecherin Anne Siebert aus. Ernährungsdemokratie, das heißt: Akteure, die am lokalen Ernährungssystem mitwirken – von Herstellung über Produktion bis hin zu Verteilung – an einem Tisch zusammenzubringen.

Woher kommt unser Essen?

„In der Stadtverwaltung haben jeweils nur einzelne Bereiche mit dem lokalen Ernährungssystem zu tun: Im Bereich Umwelt, Soziales oder bei der Flächenplanung beispielsweise“, führt Heuser aus. Niemand halte aber alle Stricke in einer Hand – der Ernährungsrat wolle in diese Lücke stoßen. Fragen, die den Rat dabei beschäftigen, lauten: Wie kann das Ernährungssystem nachhaltiger werden? Wie leisten wir Aufklärungsarbeit, damit Verbraucher wissen, woher das Essen auf ihrem Teller kommt? Wie können auch weniger kaufkräftige Menschen ökologisch einkaufen?

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„Besonders im Ruhrgebiet gibt es viele Menschen, die sich etwa Bio-Lebensmittel nicht leisten können“, sagt Heuser. Man wolle deshalb nicht mit einem erhobenen Zeigefinger daherkommen, sondern gemeinsam an Lösungen arbeiten. Das geht nicht nur in monatlichen Treffen, sondern auch bei Formaten wie „Schnippeldiskos“ – Workshops bei denen gleichzeitig mit geretteten Lebensmitteln gekocht wird – „politischen Suppentöpfe“, hinter denen sich Diskussionsveranstaltungen verbergen, genauso wie bei Hofbesuchen und Stadtrundgängen.

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In ihrer politischen Arbeit will sich die Initiative in Bochum etwa den Wochenmärkten widmen: „Wir wollen das Regionale und Ökologische auf den Märkten stärken und auch im Gestaltungsprozess der künftigen Markthalle im Haus des Wissens mitwirken“, kündigt Siebert an. Die Hintergründe der Mitglieder sind dabei breit gestreut: Während Heuser und Siebert als Sozialwissenschaftlerinnen Erfahrung aus Bereichen wie Entwicklungspolitik und Ernährungssouveränität mitbringen, gehören auch interessierte Verbraucher dazu. „Menschen aus Lebensmittelkooperativen, bei denen in einer Gruppe eingekauft wird, machen ebenso mit wie Initiatoren von Online-Wochenmärkten“, berichtet Siebert.

Seit 2015 in Deutschland

Ernährungsräte halten seit 2015 Einzug in Deutschland. Es gibt sie etwa schon in Essen und Köln.

Der Ernährungsrat freut sich über Zuwachs: Offene Treffen finden jeden ersten Montag im Monat von 19.30 bis 21.30 Uhr bei Botopia im Raum 9 (Griesenbruchstraße 9, 44793 Bochum) statt.

Termine und weitere Informationen gibt es auf www.ernaehrungsrat-bochum.de sowie bei Facebook.

Dass man auf die Unterstützung aus Politik und Stadtverwaltung angewiesen sein wird, ist den Mitgliedern dennoch klar: „Wir können das nicht alleine schaffen“, sagen sie. Gehe es beispielsweise darum, dass Kinder aus armen Familien häufiger adipös seien, weil die ungesunden Lebensmittel oft deutlich günstiger sind, sei die Stadt gefragt: „Hier kann man beispielsweise in Schulen und Kitas ansetzen“, sagt Heuser.

Lebensmittel sind Produkte geworden

Auch wenn bei all dem die kommunale Ebene im Vordergrund steht, die internationale Ebene will man trotzdem nicht aus dem Blick verlieren: „Internationale Agrarkonzerne bestimmen unsere Ernährung mit. Lebensmittel sind in unserem Wirtschaftssystem zu Produkten geworden, es sind nicht mehr einfach nur Lebensmittel“, gibt Heuser zu Bedenken. Es brauche eine neue Wertschätzung.

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Siebert sagt: „Die Gründungsveranstaltung hat uns Aufwind gegeben, die Ernährungswende im Ruhrgebiet anzugehen.“ Neue Mitglieder seien willkommen, auch eine deutschlandweite Vernetzung strebe man an. Unter dem Logo aus Möhre, Förderturm und Gabel fordert der Ernährungsrat: „Es ist Zeit, dass wir mitbestimmen, was wie auf unseren Tellern landet!“

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