Grumme. Anwohner in Bochum-Grumme klagen über Raserei und Lärmbelästigung. Früchte haben ihre Beschwerden schon getragen. Doch das reicht ihnen nicht.

Der Ordner unter Ruth Strickers Arm mit der Aufschrift „Aktion Lärmpegel“ ist dick – seit 2018 hat er sich stetig gefüllt. „Ich beschwere mich seit ich hergezogen bin ständig bei Stadt, Politik und Polizei“, sagt die Seniorin. Ursprünglich hat Stricker das Landschaftsschutzgebiet um die Grummer Teiche an die Tenthoffstraße gelockt – es versprach Ruhe und Natur.

Nun ist die Luft aber gleich aus mehreren Gründen in Grumme ziemlich dick: Raser in Tempo 30-Zonen, Lärm durch Schwerlastverkehr, zu viele Autos durch Ausweichverkehr von der Herner Straße und Feinstaubbelastung beklagen die Anwohner, die Stricker aus dem Umfeld der Josephinenstraße zusammengetrommelt hat. „Ich kann nicht auf meiner Terrasse sitzen“, sagt Udo Parschau und Erika Wenzel pflichtet ihm bei: „Man kann an heißen Tagen nicht mit offenem Fenster schlafen.“ Zu laut seien die LKW, die das Gebiet zwischen 4.30 und 22.30 Uhr passierten. „Es ist immer schlimmer geworden“, sagt Ulrike Bonowski.

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Seit auf der Herner Straße Einschränkungen herrschten, habe sich das Verkehrsaufkommen in den Siedlungen um die Josephinenstraße deutlich erhöht, meint sie. „Für mich sind Diesel-Gestank und Feinstaub besonders schlimm, ich habe schon Husten bekommen“, klagt Bonowski. Anderen Anwohnern ist vor allem die vielfache Missachtung der 30-Zone rund um das Altenheim an der Kaiseraue ein Dorn im Auge: „Hier wird gerast wie auf einer Autobahn“, sagt Ilse Grimshaw und beobachtet das Verkehrsgeschehen. „Muss erst ein Kind überfahren werden?“ fragt Gudrun Bydlowski deshalb.

Rechtlich keine Möglichkeiten

Der Unmut der Grummer hat bereits Früchte getragen: Angestoßen durch dutzende Anrufe und Briefe wurde die Tempo 30-Zone im unmittelbaren Nahbereich des Altenzentrums mit dem Zusatzschild „Altenheim“ erst geschaffen. „Die Maßnahmen haben aber nichts geändert“, sagt Stricker. Sie hat deshalb ihr Anliegen Mitte August vor dem Ratsausschuss für Infrastruktur und Mobilität erneut vorgetragen. Dort kam man aber zu dem Schluss, dass die bereits getroffenen Maßnahmen rechtlich die einzige Möglichkeit seien, ein verändertes Verhalten der Verkehrsteilnehmer herbeizuführen.

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Hohe Geschwindigkeit ist häufig Ursache für Unfälle

Bei der Aufstellung von Blitzern müssen Richtlinien befolgt werden, die je nach Bundesland variieren. Es gibt Voraussetzungen zum Mindestabstand zu Verkehrsschildern, Unfallhäufungsstellen oder schutzwürdigen Straßenabschnitten.

2019 wurden knapp 2,7 Millionen Verkehrsunfälle mit 385 000 Verletzten erfasst. Es gab rund 3000 Verkehrstote - in 32 Prozent durch Geschwindigkeitsunfälle.

„Der Ausschuss regt an, die Geschwindigkeit durch mobile Blitzer auch nachts überprüfen zu lassen“, heißt es in der öffentlichen Niederschrift. Außerdem werde zeitnah eine Geschwindigkeitstafel aufgestellt. Das ist bereits passiert: „Das hat auch schon etwas geholfen“, meint Grimshaw. Davon, dass man die Raserei in den Griff bekommen habe, wollen die Anwohner aber bei weitem nicht sprechen. Sie fordern weiterhin die Dauereinrichtung einer Messstelle für Lärmpegel und Stickoxide sowie ein festinstalliertes Blitzgerät. Polizei-Sprecher Volker Schütte teilt auf Anfrage mit: „Die Örtlichkeit und die damit verbundene Problematik ist der Polizei Bochum bestens bekannt.“ In den Jahren 2019/2020 habe man bereits über 1000 Geschwindigkeitsverstöße geahndet, sei im ständigen Austausch mit der Stadt.

Neue Messung gefordert

Die verweist auf WAZ-Anfrage auf die vorhandene Verwaltungsvorlage, in der es heißt: „Die Verkehrssituation auf der Josephinenstraße und auf der Tenthoffstraße im Umfeld des Altenzentrums Kaiseraue wurde wiederholt mit der Polizei überprüft.“ Besondere Gefahrenlagen, die nach der Straßenverkehrsordnung Voraussetzung für Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs seien, wurden dabei nicht festgestellt.

Im April 2020 sei eine Verkehrszählung vorgenommen worden, die sogar eine Abnahme des Gesamtverkehrs bis zu 35 Prozent im Vergleich zu 2018 ergeben habe. Der Güterverkehr sei gleichgeblieben, nur vier schwere Lastzüge seien erfasst worden. Stricker und ihre Mitstreiter wollen das nicht glauben: „Die Messung lag in der Corona- und Ferienzeit. Sie passt nicht zu unserem Gebiet“, sagen sie und fordern neue Messungen. Dazu sieht die Stadt aber keinen Anlass, auch nicht für Lärmmessungen.

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Denn Berechnungen, die die Stadt beruhend auf den Verkehrszahlen von 2018 durchgeführt hat, zeigen Pegel zwischen 60 - 65 Dezibel an den angrenzenden Gebäudefassaden – und damit keinen Lärmschwerpunkt. „Im Bereich wurde bereits eine Geschwindigkeitsreduzierung aus Gründen der Verkehrssicherheit angeordnet sowie ein Kreisverkehr errichtet. Beide Maßnahmen wirken sich auch lärmmindernd aus“, heißt es. Die Überwachung der Luftqualität sei Aufgabe des Landes.

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