Bochum. Erneut demonstrieren Radler für eine Umdenken in Bochum in Sachen Verkehrspolitik. Sie erwägen nun ein Bürgerbegehren.
Sogar eine Clique jugendlicher Kängurus, ganz kleine Polizisten und freundliche Schutzengel radelten am Samstagnachmittag durch Bochum. In heiteren Kostümen demonstrierten sie für eine fahrradfreundlichere Stadt.
Die Radwende Bochum, ein Zusammenschluss von 15 Initiativen und Verbänden, hatte zum Aktionstag aufgerufen und fuhr gemeinsam mit 450 Demonstranten vom Rathaus aus über die Dorstener Straße, Herner Straße, den Stadtring, Universitätsstraße und Wasserstraße. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion vor dem Schauspielhaus thematisierten die Aktivisten vor einer lockeren Ansammlung Zuschauer die Missstände im hiesigen Radverkehr und warfen einen Blick in andere Städte. Die Moderation der Diskussion übernahm Kristin Schwierz vom Bahnhof Langendreer.
Klimanotstand bekämpfen
Probleme sehen die Aktivisten in Bochum nicht nur in fehlenden Radwegen, sondern in unsicheren Strecken etwa neben Straßenbahnschienen, Parkstreifen oder gemeinsam mit Fußgängern zu benutzende Wege. „Wir fordern den massiven Ausbau der Radwege, große Teile der Innenstadt sollen zu Tempo-30-Zonen und der Ring soll mit dem Fahrrad befahrbar werden.
Radfahren soll in Bochum angstfrei möglich werden und das Fahrrad ein Verkehrsmittel für alle werden, gerade für die Kinder“, sagte Anne Koltermann, die als Vertreterin der Radwende mitdiskutierte. Dass es sich hier nicht um hehre Wünsche von Fahrradidealisten handelt, sondern um logische und notwendige Schritte in der städtischen Verkehrsplanung mag die Tatsache unterstreichen, dass die Stadt Bochum im Juni 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat und 2016 im Antrag auf Aufnahme in der Arbeitsgemeinschaft Fußgänger und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW (AGFS) das Ziel formulierte, in Bochum bis 2030 einen Verkehrsanteil von 20 Prozent Fahrradfahrern zu erreichen. Laut Radwende Bochum seien es aktuell gerade mal sieben Prozent, hieß es vom Podium am Schauspielhaus.
Lückenloses Radwegenetz
Was in Bochum auf vielen Strecken noch Zukunftsmusik ist, nimmt in anderen Ruhrgebietsstädten aktuell massiv Fahrt auf. So berichtete Ludger Vortmann vom Radentscheid Marl. Dort gelang es per Bürgerbegehren, dass die Stadtverwaltung Marl in den kommenden acht Jahren 65 Millionen Euro in den Radverkehr investieren muss.
„Auf der Erzbahntrasse in Bochum hatte ich übrigens eine Art Schlüsselerlebnis für mein Engagement in Marl. Ich fand es so toll, dort zu fahren wie ein kleiner Junge, der gerade Fahrradfahren gelernt hat“, sagte Vortmann mit Blick auf positive Entwicklungen im Bochumer Fahrradverkehr.
12.000 Unterschriften sind nötig
Auch in Essen sorgte vor wenigen Tagen ein Bürgerbegehren dafür, dass in den nächsten neun Jahren ein lückenloses Radwegenetz von hoher Qualität entstehen soll, berichtete Claudia Harfst vom Radentscheid Essen. Positive Beispiele, die den Radlern auch in Bochum Anlass zur Hoffnung geben: „Wir haben viele Unterstützer und überlegen jetzt, ob wir den Weg eines Bürgerbegehren gehen. Um einen Bürgerentscheid herbeizuführen, bräuchten wir circa 12 000 Unterschriften“, informierte Dominik Bald, Sprecher von der Radwende Bochum.
Radwende Bochum und Radentscheide
Die Radwende Bochum plant am 23. September eine Veranstaltung, um weitere Weichen für einen Radentscheid zu stellen. Informationen dazu veröffentlicht die Initiative auf ihrer Homepage: www.radwende-bochum.de und in sozialen Netzwerken.
Informationen zu den Positivbeispielen aus Marl und Essen sind auffindbar auf den dazugehörigen Websites: www.radentscheid-marl.de und www.radentscheid-essen.de.
Dass die konsequente Entwicklung zur fahrradfreundlichen Stadt mitunter ein zähes Ringen ist, betonte Ulrich Syberg, Bundesvorsitzender des Allgemeinen Deutschen-Fahrradclub (ADFC). Es erfordere ein komplettes Umdenken in der Stadt. Fahrradfreundlichkeit bedeute auf der einen Seite entsprechende Infrastruktur zu schaffen, aber sie sei auch ein Lebensgefühl, so Syberg.
Die Radwende Bochum konnte fürs erste mit dem Aktionstag zufrieden sein, auch wenn wohl noch ein ganzes Wegstück vor ihr liegt. Für Fahrradaktivist Ludger Vortmann waren es an diesem spätsommerlichen Abend ganz konkret etwa 30 Kilometer per Rad zurück nach Marl.
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