Bochum. An diesem Donnerstag würde Bochum Total starten. Doch Corona hat zur ersten Absage nach 34 Jahren geführt. Dafür gibt’s ein Online-Format.

Ab Donnerstag wäre Marcus Gloria (57) im Bochum-Total-Modus, residierend im zur Kommandozentrale umfunktionierten Pasta-Restaurant an der Viktoriastraße, mit Dutzenden Teammitgliedern fixiert auf vier Tage nonstop Planung und volles Programm. Doch: Nix mit Pasta. Nix mit Planung. Nix mit Programm. Zum ersten Mal seit 34 Jahren fällt BO-Total aus. Das Undenkbare ist geschehen. Und was macht Gloria? „Ich werd’ mir ein Bier aufmachen und den Bands zuprosten – nicht vor der Bühne, sondern vor dem PC am Schreibtisch.“

Mit jährlich mehr als 500.000 Besuchern gilt Bochum Total als Europas größes Umsonst-und-draußen-Festival. Die 35. Auflage vom 16. bis 19. Juli war im Frühjahr weitgehend in trockenen Tüchern. Zugkräftige Bands wie „dArtagnan“ oder „Tonbandgerät“ sowie aufstrebende Künstler wie Tom Gregory oder die Bochumer 1Live-Krone-Gewinnerin Amilli waren gebucht, das Sicherheitskonzept mit den Behörden abgestimmt. Erstmals sollte es eine Electro- und DJ-Bühne geben.

Dann kam Corona.

Corona-Absage kam Mitte April

„Im Februar dachten wir noch: Das wird alles gut, bis zum Festival ist es noch weit“, erinnert sich Marcus Gloria, Erfinder und mit seiner Agentur „Cooltour“ bis heute Veranstalter von BO-Total. Im März wich die Zuversicht einer nur noch vagen Hoffnung. Mitte April kam die Absage. Sie war alternativlos. Plötzlich erschienen Bilder, auf denen sich Tausende Menschen vor Bühnen drängen und ausgelassen Party machen, wie aus einer anderen, gefahrbringenden Welt.

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Die Enttäuschung war und ist groß. Ab Mittwoch wären die Straßen in der Innenstadt gesperrt gewesen. Am Donnerstag hätten die ersten Gitarrenriffs Bochum für vier Tage zur Rock-City gemacht. Fans aus ganz Europa würden bei voraussichtlich bestem Festival-Wetter voller Vorfreude am Hauptbahnhof ankommen.

Wären. Hätten. Würden.

Millionen-Schaden für Stadt und Partner

Wie ist es um den finanziellen Schaden bestellt? Marcus Gloria macht zwei Rechnungen auf. Seine Agentur beklage Ausfälle „im mittleren fünfstelligen Bereich“. Das, sagt er, sei auch dank der staatlichen Fördergelder zwar schmerzhaft, aber nicht existenzbedrohend. Auf mehrere Millionen Euro indes beziffert er die entgangenen Einnahmen für die Gastronomie, Hotellerie und den Handel in Bochum sowie für die vielen Veranstaltungspartner vom Bühnenbauer bis zum Flohmarktverkäufer.

„Nichts kann das Lebensgefühl ersetzen, das viele Menschen mit unserem Festival verbinden“, weiß Marcus Gloria. Und doch versucht er, „Corona auf unsere Weise ein Schnippchen zu schlagen“. Bochum Total wird zu Cyber Total. Statt umsonst und draußen wird umsonst und drinnen gefeiert.

Marcus Gloria (hier ein Archivbild) ist Erfinder und Macher von Bochum Total. Nach 34 Jahren muss das Innenstadt-Festival wegen Corona erstmals abgesagt werden.
Marcus Gloria (hier ein Archivbild) ist Erfinder und Macher von Bochum Total. Nach 34 Jahren muss das Innenstadt-Festival wegen Corona erstmals abgesagt werden. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Digital-Festival startet am Donnerstag

Auf www.cooltour.live gibt es schon seit Mai regelmäßige DJ-Sets. An den vier BO-Total-Tagen geht hier ein Digital-Festival an den Start, das in dieser Fülle und Vielfalt in Bochum beispiellos ist. Von Donnerstag bis Sonntag gibt’s jeweils ab dem Nachmittag Electro, Pop und Rock, Lesungen und Poetry Slam: mal aus der Konserve, mal in Echtzeit aus der Christuskirche, die ihre Urban-Urtyp-Reihe ganz in das Zeichen von Bochum Total stellt.

Vier Musikfilme im Open-Air-Kino

Während Bochum Total ausfallen muss, konnte Marcus Gloria das Open-Air-Kino auf dem Fiege-Brauhof vor dem Corona-Aus bewahren.

Als Reminiszenz an BO-Total werden an den vier Festivaltagen ausschließlich Musikfilme gezeigt: „Die Toten Hosen auf Tour“ am Donnerstag, „Lindenberg! Mach dein Ding“ am Freitag, „Bohemian Rhapsody“ am Samstag und „Rammstein: Paris“ am Sonntag.

Einlass ist ab 20 Uhr. Infos und Buchungen auf www.fiegekino.de.

Im Kirchen-Kubus treten u.a. „Kuult“ (Samstag 20 Uhr), „Kid Be Kid“und „Ministry“ auf. Alle Künstler sind live zu sehen. Denn: „Die beste Musik ist die, die gerade entsteht“, weiß Kulturkirchen-Macher Pfarrer Thomas Wessel. „Wir wollten bei BO-Total immer schon mal zusammenarbeiten“, ergänzt Marcus Gloria. „Jetzt ist der Knoten endlich durchschlagen.“ Neben den Live-Streams gibt es einen Chat, in dem sich die Zuschauer mit den Musikern austauschen können. Auch Spenden sind online möglich – und herzlich willkommen. Das komplette Programm gibt es hier.

Im Juli 2021 soll wieder open air gefeiert werden

Bei aller Zuversicht, dass BO-Total als Cyber-Format guten Anklang findet: Nichts ersetzt das Original. Das ist für das nächste Jahr bereits fest terminiert: vom 1. bis 4. Juli 2021. Markus Gloria würde sich dann gern wieder ein Bier aufmachen – aber bitteschön gemeinsam mit Hunderttausenden fröhlich feiernden Besuchern.