Bochum-Stiepel. Trotz Coronakrise und Fachkräftemangel hat das Mittelstandsunternehmen Steden elf Azubis. Die Hälfte kam als Flüchtling nach Deutschland.

Mamadou Bah und Samspon Addai knien auf einer Großbaustelle auf dem Boden, einer der beiden trägt mit einem Zahnspachtel Feuchtkleber auf, der andere verklebt im Anschluss Vinylboden in Holzoptik. Radiomusik wird von lauten Maschinen übertönt, die Luft im Neubau eines Altenpflegezentrums ist staubig. Die beiden Männer gehören zum etwa 50-köpfigen Mitarbeiterteam der Firma Steden – und sind zwei der elf Auszubildenden im Mittelstandsunternehmen. Inhaber Klaus Steden (72) weiß: Viele Unternehmer wollen sich mit dem Thema Ausbildung gar nicht beschäftigen.

Torsten Nowacki, Marijan Karschcick und Klaus Steden berichten über Fachkräfte und Auszubildende im Unternehmen.
Torsten Nowacki, Marijan Karschcick und Klaus Steden berichten über Fachkräfte und Auszubildende im Unternehmen. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

„Zu aufwändig, zu teuer, zu zeitintensiv“, hört er immer wieder. „Viele sehen auch die Perspektive nicht, wenn Azubis die Firma direkt nach der Ausbildung wieder verlassen“, sagt der Geschäftsinhaber des 1899 gegründeten Unternehmens, das Raumgestaltung und Bodenbeläge im Objektbereich anbietet. In Bochum hat Steden mit der Erneuerung des Zuschauerraums von Starlight Express im laufenden Betrieb von sich reden gemacht. Man weiß: Die Azubis von heute sind die Fachkräfte von morgen.

Nicht über Fachkräftemangel reden, sondern etwas tun

Deshalb hat man in Sachen Ausbildung bei Steden folgende Doktrin: „Man kann nicht nur über den Fachkräftemangel reden, man muss etwas tun“, sagt Mittelständler Steden, der die Firma einst in der dritten Generation übernommen hat. Mehr als ein Fünftel des Teams sind deshalb Azubis – zum Bodenleger und Raumgestalter sowie im Bereich Einzelhandel und Büromanagement.

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„Auch für uns ist es nicht immer leicht, Azubis zu finden“, gibt Torsten Nowacki zu, der die Firma solange weiterführt, bis Stedens Enkel Marijan Karschuck (18) sie übernehmen wird. Dass der Sohn vom Nachbarn oder Onkel der nächste Azubi im Handwerksbetrieb werde und alles ganz einfach über Mund-zu-Mund-Propaganda laufe, sei längst nicht mehr der Fall. „Bei der Rekrutierung arbeiten wir meist mit dem Jobcenter zusammen, welches Maßnahmen bei Stiftungen oder Weiterbildungszentren begleitet“, so Nowacki.

Meist biete man den Bewerbern über ein zweiwöchiges Praktikum die Möglichkeit, den Beruf kennenzulernen. „Wer aber nach drei Tagen nicht mehr kommt, ist raus“, sagt Nowacki weiter. Leider erlebe man manchmal, dass solche Anwärter nur ein paar Tage erscheinen würden, um eine Bescheinigung für das Arbeitsamt zu erhalten.

Flüchtlinge machen Ausbildung zum Bodenleger

Bah und Addai aber sind drangeblieben. Bah, der ursprünglich aus Guinea kommt, ist bereits im zweiten Lehrjahr. „Mir macht die Ausbildung zum Bodenleger Spaß, weil man viel rechnen und sauber arbeiten muss“, sagt der 23-Jährige, der in seinem Heimatland seinen Schulabschluss gemacht hat. Kollege Addai (35), der vor fünf Jahren aus Ghana nach Deutschland flüchtete, sagt: „Ich habe in Ghana seit ich zwölf Jahre alt bin Fliesen verlegt. Bodenlegen ist ähnlich, deshalb habe ich mich für diesen Beruf entschieden.“ Zuvor habe er in einer Lagerfirma gearbeitet.

Fachkräftemangel

Ein flächendeckender Fachkräftemangel herrscht in Deutschland noch nicht, in bestimmten Regionen und Branchen können offene Stellen aber bereits nicht mit geeigneten Fachkräften besetzt werden. Das betrifft vorrangig den MINT- und Gesundheitsbereich.

Die Bundesregierung setzt deshalb auf die verstärkte Einbindung von Frauen und älteren Personen, Zuwanderern aus dem Ausland und Geflüchteten.

„Den Ausbildungsberuf Bodenleger gibt es erst seit etwa 15 Jahren, vorher haben oft Maler die Tätigkeiten übernommen“, kommentiert Steden. Dass sechs der elf Azubis als Flüchtlinge nach Deutschland kamen, sieht man bei Steden positiv: „Das sind oft hochmotivierte Männer, die am zweiten Tag manchmal Sachen können, für die andere Azubis sechs Monate brauchen“, hat Nowacki beobachtet.

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Er sieht auch einen gesellschaftlichen Auftrag: „Integration gelingt am besten, wenn man hier einen Job hat.“ Generell übernehme die Firma rund 90 Prozent der Auszubildenden. Ein Problem bleibe jedoch häufig die Sprachbarriere. „Unternehmer sollten aber wissen, dass es hier Unterstützung gibt, damit die Azubis auch Sprachkurse parallel zur Ausbildung machen können“, erinnert Nowacki. Auch die Berufsschulen würden auf Nachfrage oft zusätzliche Nachhilfe anbieten.