Bochum. Knöllchen über 300 Euro kassierten die neuen Pächter des Gastro-Pavillons an der Viktoriastraße in Bochum. Die Stadt sieht sich im Recht.
Mey-Lin Tintel und Tim Weiske wähnen sich am Ende der Durststrecke. Mit ihrem Lieferservice für Streetfood wollen sie der Corona-Krise in der Gastronomie weiter trotzen, sich dauerhaft eine Existenz aufbauen. Die Kunden seien Feuer und Flamme, schwärmt das Paar. Das Bochumer Ordnungsamt indes sei wenig hilfreich. Auf mehr als 300 Euro summieren sich die Knöllchen, die Tim Weiske in einem Monat wegen Falschparkens kassiert hat. „Und das in Zeiten, in denen unsere Branche ums Überleben kämpft.“ Die Stadt bekräftigt ihr Vorgehen.
Im Mai hatten sich Mey-Lin Tintel (21) und Tim Weiske (27) mit dem „Taco Flex“ selbstständig gemacht. Mexikanische Tacos, Bowls, Burritos: Das Liefergeschäft in der „Neuland“-Küche an der Rottstraße lief im Frühjahr prima an. So fassten die gelernte Hotelfachfrau und ihr Freund Mut, den Pavillon an der Viktoriastraße/Ecke Südring anzumieten: ein denkmalgeschütztes Schmuckstück im eleganten 50er-Jahre-Stil, das lange Jahre als Imbiss genutzt wurde und zuletzt einen E-Zigaretten-Händler beherbergte.
Knöllchen-Flut in Bochum: Pächter kritisieren Stadt
Vorteil: Das „Schiffchen“ ist stadtbekannt. Nachteil: Es fehlen Parkplätze. Das wurde den neuen Pächtern spätestens zum Verhängnis, als sie Anfang August nach einmonatiger Renovierung den Betrieb mit Lieferservice und zwölf Sitzplätzen im Obergeschoss starteten. Täglich schafft Weiske seither frische Ware in seinem Fiat 500 herbei. Mangels Alternativen hält er für zehn, 15 Minuten direkt vor der Tür. Von einem gezielten Vorgehen der Stadt mag er nicht sprechen. Aber „erstaunlich“ findet er es schon, dass es – Stand Dienstag – zwölf Bußgelder hagelte. „Kaum bin ich drinnen, klemmt draußen ein Knöllchen unterm Scheibenwischer.“
Der Jungunternehmer weiß: „Natürlich ist die Stadt im Recht. Aber irgendwo muss ich doch die Sachen ausladen. Und auf dem kleinen Vorplatz stört mein Auto ja niemanden.“ Was Weiske besonders ärgert: Das Ordnungsamt blocke jeden Versuch ab, eine einvernehmliche Lösung zu finden. „Kürzlich fragte ich den Sachbearbeiter, ob das die Art und Weise sei, wie man in Bochum in der Corona-Krise mit Gastronomen umgehe. Die Antwort war kurz und deutlich: ,Ja!’“
Rathaus: Entgegenkommen ist hier nicht möglich
Die Stadt bestätigt die Knöllchen-Flut – und verteidigt sie. „Es ist klar ersichtlich und muss dem Betreiber bei der Anmietung bewusst gewesen sein, dass es im Umfeld des Ladenlokals keinerlei Parkfläche, Kurzparkzonen, Ladezonen oder ähnliches gibt. Dies hat er offenbar in Kauf genommen“, erklärt Stadtsprecher Peter van Dyk.
Das Parken auf dem Gehweg berge eine erhebliche Unfallgefahr. Man sehe daher „keine Möglichkeit, Herrn Weiske entgegenzukommen und den Gehweg zum Parken für die ansässigen Geschäftsleute frei zu geben“. Im Gegenteil: Weitere Verwarnungsgelder drohen. „Da wir uns an dieser Stelle mitten in der Innenstadt befinden, ist mit mehrfach täglichen Kontrollen durch den Außendienst der Verkehrsüberwachung zu rechnen.“
Corona-Regeln werden vielfach missachtet
Derweil übt auch die Stadt Kritik an der Ausgehbranche. Bei Kontrollen der Abstands- und Hygieneregeln in der lokalen Gastronomie hatte der Ordnungsdienste in der vergangenen Woche zahlreiche Verstöße festgestellt. „73 Prozent der kontrollierten Betriebe erfüllten die Auflagen nicht korrekt“, heißt es im Rathaus. Besonders oft fielen dabei Mängel bei der Kontaktnachverfolgung sowie bei den Mund-Nase-Bedeckungen der Mitarbeiter auf. Auf die Betriebe kommen Ordnungswidrigkeitsverfahren zu.
Lars Martin, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Westfalen, erkennt eine zunehmende Müdigkeit beim Maskentragen, Desinfizieren der Hände, dem Abstandsgebot und der Datenerhebung. In Hattingen geht der Branchenverband deshalb gemeinsam mit der Stadt in die Offensive. Die Plakataktion „Mit Sicherheit gut ausgehen“ soll die Gäste an die Corona-Regeln erinnern. „Für die Gastronomen wäre ein zweiter Lockdown nicht mehr tragbar“, warnt die Dehoga mit ihrem Bezirkschef Heinz Bruns (Haus Kemnade).