Bochum. Schmierereien und allerübelste persönliche Beleidigungen sind in Bochum auf Wahlplakate gesprüht worden. Der Polizei liegen mehrere Anzeigen vor.
In Bochum sind in den letzten Tagen mehrere Fälle bekannt geworden, in denen Wahlkampfplakate verschiedener Parteien beschmiert oder sonst wie beschädigt worden sind. Nach Recherchen der WAZ sind es Dutzende Wahlplakate verschiedener Parteien, verunstaltet oder mit ganz offensichtlich extrem rechten Symbolen beschmiert worden. In einem besonders üblen Fall ist die Wattenscheider SPD-Politikerin Deborah Steffens auf mindestens acht Plakaten, die ihr Porträt zeigen, in volksverhetzender und persönlich äußerst verletzender Weise angegangen worden.
Politikerin über Attacken erschüttert
Deborah Steffens, die für die SPD in Wattenscheid für den Rat kandidiert und selbst Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist, zeigt sich im Gespräch mit dieser Redaktion erschrocken. Auf den Plakaten wurde sie als „Du Juden...“ beschimpft, andere Plakate wurden mit Hakenkreuzen und SS-Runen beschmiert. „Ich hätte nie gedacht, dass so etwas heute noch in Deutschland passieren kann. Wir haben natürlich Anzeige erstattet“, sagte die 38-Jährige sichtlich erschüttert über diese Attacken.
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Die Polizei bestätigt, dass es Anzeigen gegeben habe. Eine konkrete Zahl könne jedoch nicht genannt werden. Auch von einer ungewöhnlichen Häufung könne, so die Polizei, derzeit keine Rede sei. Auf Nachfragen zu dem konkreten verbalen Angriff auf die SPD-Politikern bestätige ein Polizeisprecher, dass der polizeiliche Staatsschutz Ermittlungen auch wegen Volksverhetzung gegen unbekannt aufgenommen habe. Außerdem gehen die Ermittler Anzeigen wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole, Beleidigung und Sachbeschädigung in diesen Fällen nach. Sollte jemand tatsächlich der Volksverhetzung überführt werden, drohen ihm – je nach rechtlicher Einordnung der Tat – bis zu fünf Jahre Haft.
Parteien sehen Zunahme persönlicher Angriffe
Dass in Bochum Wahlplakate beschmiert werden, hat leider traurige Tradition. Schon bei vergangenen Wahlen waren davon immer wieder Parteien des gesamten politischen Spektrums betroffen.
Die Parteien sehen jedoch in der Zunahme gerade von ganz persönlichen Angriffen eine neue Qualität. Dies komme in einer Zeit, in der vor allem rechte Parteien auf ihren ganz offiziellen Wahlplakaten ausloten, was gerade noch rechtlich möglich ist. Hier gab es konkret bei der Europawahl Fälle, in denen die Gerichte eingeschaltet worden sind. Hier ging es um Plakate der NPD und deren Aussagen zum Thema Migration.
Der CDU-Ratskandidat Kenan Yildiz (32) wurde in den letzten Tagen gleich zwei Mal beim Aufhängen von Plakaten von einem Passanten als „Scheiß-Türke“ beschimpft. „Ich war so geschockt und vor den Kopf gestoßen. Ich bin hier in Deutschland geboren, engagiere mich auch über die Politik hinaus. Ich dachte nur. Was wollt Ihr denn eigentlich von mir?“ Er räumt aber auch ein, dass er solche Beleidigungen kenne. „Das kommt bestimmt ein bis zweimal in der Woche vor.“
Christian Haardt, Bochumer CDU-Vorsitzender und Oberbürgermeisterkandidat, verurteilt dies: „Solche persönlichen Angriffe hat es zumindest in dieser Heftigkeit hier noch nicht gegeben.“ Die CDU-Parteimitglieder, die dies mitbekamen, seien so geschockt gewesen, dass der Beleidiger sich habe unerkannt entfernen können. Auch etliche Plakate der CDU seien mit Parolen besprüht worden. Auch der Bochumer CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke verurteilt die persönlichen Angriffe auf Kenan Yildiz scharf. Hier hätten „ganz handelsübliche Nazis ihr Unwesen getrieben“.
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Solidarität über Parteigrenzen hinweg
Beschädigt wurden auch Wahlplakate der Linken, etwa indem Hakenkreuze darauf gesprüht worden sind oder sie schlicht zerstört wurden. „Wir haben deswegen Anzeige erstattet“, sagt Amid Rabieh, Sprecher und Oberbürgermeister-Kandidat der Bochumer Linken. „In den vergangenen Jahren hat es bereits eine Reihe rechter Angriffe auf unsere Büros gegeben. Jedoch wurden bisher in keinem der Fälle, die unsere Partei betrafen, die Täter ermittelt.“ Auch von linker Seite gibt es ganz offenkundig solche Schmierereien. So wurde mindestens ein großes Wahlplakat der FDP mit dem Schriftzug „Antifa“ und dem Hammer-und- Sichel-Symbol besprüht. Dazu Felix Haltt: „Jeder Demokrat ist ein Antifaschist, aber offenkundig ist nicht jeder Antifaschist ein Demokrat.“
Bündnis erinnert an Mord an Walter Lübcke
In den sozialen Netzwerken gibt es zumindest eine Solidarität über Parteigrenzen hinweg, so dass generell gegen Hass und die wie auch immer gearteten Verunstaltungen von Wahlplakaten Zeichen gesetzt werden. Ganz konkret springen dort etwa Oliver Buschmann von den Grünen und Felix Haltt Deborah Steffens zur Seite. In einer Stellungnahme des parteiübergreifenden Bochumer Bündnisses „Bochum ohne Hass. Wahlkampf ohne rechts“, heißt es dazu: In Bochum wurden Wahlplakate vandalisiert. Es geschah nicht leichtfertig, sondern gezielt. Einige Attacken sind eindeutig rassistisch, eindeutig antisemitisch, denunziert wurden nicht nur Parteien, sondern auch Personen.“
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Das Bündnis erinnert in diesem Zusammenhang an den Mord an Walter Lübcke, dem ebenfalls eine öffentliche Verleumdungskampagne vorausgegangen ist. Der Kasseler Regierungspräsident Lübcke (CDU) war 2019 vor seinem Haus erschossen worden. Derzeit läuft der Prozess gegen den rechtsextremen Angeklagten Stephan E. „Wo Hass dazu übergeht, Menschen vor aller Augen zu markieren, rückt er sie in ein Fadenkreuz, er fordert auf“, so das Bochumer Bündnis in seiner Erklärung.
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