Bochum. Flucht in ein besseres Leben? Wieso drei Bochumer den Schritt wagten, alles hinter sich zu lassen – und wie ihre Erwartungen an die Zukunft sind.

Vier Jahre ist es her, dass Ibrahim Soumah aus Guinea nach Deutschland geflohen ist. Allein, ohne seine Familie, mit 16 Jahren. Auf seiner Flucht aus dem Land in Westafrika hat er gesehen, wie Menschen, viele Menschen, gestorben sind. Er hat überlebt, sich durchgekämpft. Anfangs, in seinen ersten Monaten in Bochum, litt er unter schlimmen Schlafstörungen. Doch die Zeiten sind vorbei. Mittlerweile spricht der junge Mann sehr gutes Deutsch, hat eine Ausbildung begonnen und in Bochum eine zweite Familie gefunden.

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Zu seiner Familie in Guinea hingegen hat er keinen Kontakt mehr. „Das ist schwer“, sagt Soumah, kurz erkennt man einen Anflug von Traurigkeit in seinem Gesicht – gefolgt von einem Lächeln. „Aber ich fühle mich hier echt willkommen. In Bochum habe ich ein Ehepaar kennengelernt, das mich unterstützt.“ Mittlerweile nennt er die beiden Mami und Papi, außerdem hat er viele Freunde gefunden.

Bildung in Deutschland war für 16-jährigen Guineer Grund für Flucht

Aber was bewegt einen jungen Mann, der mit 16 Jahren eigentlich noch ein Kind ist, ganz alleine in ein fremdes Land zu fliehen – ohne zu wissen, ob er den Weg überhaupt überlebt? Die Bildung, antwortet er auf diese Frage. Dass er zur Schule gehen konnte, auf die Gesamtschule Höntrop, und nun eine Ausbildung zum Bürokaufmann macht. Soumahs Spitzname lautet „Mister Motivation“, weil er nie aufgegeben und stets andere motiviert hat. Aktuell ist es sein größter Wunsch, seine Ausbildung zu schaffen und in Bochum zu bleiben. „Ich bin echt dankbar“, sagt er.

Basel Ibrahim lebt seit sechs Jahren in Bochum. Für ein Studium kam er aus Syrien nach Bochum, nun macht er eine Ausbildung.
Basel Ibrahim lebt seit sechs Jahren in Bochum. Für ein Studium kam er aus Syrien nach Bochum, nun macht er eine Ausbildung. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Dankbar ist auch Basel Ibrahim (25), der in Bochum ebenfalls ein Zuhause gefunden hat. Er kam 2014 aus Syrien nach Deutschland, um ein Maschinenbau-Studium in Bochum zu beginnen, noch vor der Flüchtlingskrise. Danach wollte er wieder zurück zu seiner Familie – weil sich die Lage in seiner Heimat durch den Bürgerkrieg verschlimmerte, entschied er sich aber dagegen. Ibrahim lernt Deutsch, arbeitet als Dolmetscher in Flüchtlingsheimen oder Schulen und ist Mitgründer eines ehrenamtlichen Projekts.

Sein Studium hat er relativ schnell abgebrochen, dafür macht Ibrahim seit August 2019 eine Ausbildung zum Maschinen-Anlagenführer in Castrop-Rauxel. „Ich verstehe mich sehr gut mit meinem Meister und würde gerne eine zweite Ausbildung zum Industriemechatroniker machen“, sagt er. Sein Plan, als er nach Deutschland kam, war ein anderer – trotzdem ist er glücklich in Bochum. Er hofft, in Deutschland bleiben zu dürfen und hat vor Kurzem einen Antrag gestellt.

„Ich bin hier, damit meine Kinder eine bessere Zukunft haben“

Der Weg, den Soumah und Ibrahim gegangen sind, steht Heiba Dalwan (30) noch bevor. Die gebürtige Syrerin kam vor neun Monaten nach Deutschland, zusammen mit ihren beiden Söhnen (10 und 12). Zuvor hat sie sieben Jahre in Ägypten gelebt. Gerade lernt die Frau, die in ihrer Heimat Anwältin war, die deutsche Sprache. „Ich bin hier, damit meine Kinder eine bessere Zukunft haben“, sagt sie. Außerdem wünscht sie sich, einen Job zu finden. „Ich weiß noch nicht, in welchem Bereich, aber ich hoffe, dass ich Arbeit finde“, sagt die junge Mutter.

Die IFAK

Die IFAK ist eine gemeinnützige, parteipolitisch neutrale und religiös ungebundene Selbstorganisation von Zuwanderern und Einheimischen. Sie verfolgt nach eigenen Angaben einen interkulturellen Arbeitsansatz und damit das gemeinsame Ziel, das Zusammenleben und die gegenseitige Akzeptanz und Toleranz von Zuwanderern und Einheimischen zu fördern, die Migrantenbevölkerung zu stärken und Benachteiligungen abzubauen.

Die IFAK ist Mitglied im Paritätischen NRW und seit 1975 staatlich anerkannter Träger der freien Jugendhilfe.

Gegründet wurde der Verein 1974 als ehrenamtliche Initiative von Lehrern und Schülern eines Bochumer Gymnasiums.

Eins haben sie alle drei gemeinsam: Ohne Uli Pieper, Vorstand der IFAK, dem Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe sowie Migrationsarbeit, wären sie wohl nicht dort, wo sie jetzt sind. „Herr Pieper unterstützt mich immer“, sagt Soumah. Basel Ibrahim stimmen nickend zu, er hat zwischenzeitlich sogar bei Pieper gewohnt.

Vier Jahre nach Flucht schreibt Ibrahim Soumah Motivationsgedichte

Doch dieser sagt bescheiden: „Dass sich so viele Menschen einsetzen und es so viele Ehrenamtler gibt, ist eine tolle Sache. Doch die Hauptarbeit machen die Migranten.“ Indem sie deutsch lernen, sich integrieren und kämpfen.

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Kämpfen – das ist etwas, womit Ibrahim Soumah früh angefangen hat und nie mit aufhören will. Seit der heute 20-Jährige in Deutschland lebt, schreibt er Motivationsgedichte. Bald hat er so viele zusammen, dass ein Buch aus ihnen entstehen soll. „Eigentlich habe ich die Gedichte geschrieben, um mich selbst zu motivieren. Jetzt sollen sie auch anderen helfen“, sagt der Bochumer, der versucht, stets positiv zu denken. Das habe ihm in der Vergangenheit am weitesten gebracht und wird es auch zukünftig tun – neben seinem Fleiß und seinem Mut zu Kämpfen und einfach zu Machen.

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