Bochum. Mit Schnupfen darf wegen Corona kein Kind in den Kindergarten. Eltern kritisieren das und ein Bochumer Kinderarzt sorgt sich vor dem Herbst.
Eltern und ein Bochumer Kinderarzt kritisieren die Corona-Vorgabe des Landes, nach der Kinder bereits bei einer laufenden Nase ihren Kindergarten nicht besuchen dürfen. Während sich der Stadtelternrat über die strikte Regel ärgert, blickt der Bochumer Kinderarzt Gediz Taskaya mit Sorge auf den Beginn der Erkältungssaison im Herbst. Wie soll er den Patienten-Ansturm dann stemmen?
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Der 39-Jährige erlebe seit der Öffnung der Kindergärten eine kleine „Infektwelle“ von Kindern mit Schnupfen. Das Problem: „Früher wären die Kinder – solange sie kein Fieber haben – wieder in die Kita gegangen.“ Um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern ist das nicht mehr erlaubt. Nach Vorgaben der Landesregierung dürfen kranke Kinder „unabhängig von Art und Ausprägung der Krankheitssymptome“ nicht betreut werden.
Bochum: Kinder müssen nicht unbedingt zum Arzt - viele Kindergärten haben das lieber
Grundsätzlich gelte zwar, dass Eltern nicht unbedingt zum Arzt müssen, weil sie sich verpflichtet haben, ihre Kinder nur gesund in den Kindergarten zu schicken. Die Landesregierung hatte nach Protesten an dieser Regel nachgebessert. Kinderarzt Gediz Taskaya erlebt das in der Praxis aber nach wie vor anders. „Eltern holen ihre kranken Kinder vom Kindergarten ab und werden sofort zum Arzt geschickt.“ Die Betreuer hätten Angst vor dem Coronavirus. „Das ist verständlich, hat aber enorme Auswirkungen.“
So seien die Kinderarztpraxen schon jetzt wieder sehr voll und auch die Eltern müssten schließlich bei jedem Schnupfen zu Hause bleiben. „Wir sind bereits in den vergangenen Wochen an unsere Kapazitätsgrenzen gekommen“, sagt der Arzt aus Weitmar. Die Patienten sollten voneinander getrennt werden, daran will sich Gediz Taskaya auch halten. „Noch ist es so warm, dass wir Patienten draußen warten lassen können. Aber wie machen wir das im Herbst“, sagt der Mediziner, der nach eigenen Angaben im Winter 100 Patienten täglich sieht.
Im Herbst steigen die Kranken-Zahlen – Überlastung der Kinderärzte droht
Dann nämlich steigen die Kranken-Zahlen ohnehin wieder. „Es werden mehr Kranke, aber auch mehr banale Fälle. Wie sollen wir das dann stemmen?“ Außerdem kämen die Eltern schließlich demnächst zweimal: Einmal zur Krank- und einmal zur Gesundschreibung. „Wie soll ich das machen? Wenn ich keinen Corona-Test mache, kann ich das Kind doch nicht corona-frei schreiben?“ Er könne zwar verstehen, dass die Kitas sich absichern wollten. „Aber das System ist nicht durchdacht.“
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Auch der Stadtelternrat zeigt sich auf Nachfrage unglücklich mit den Vorgaben des Landes. „Es wird viel auf dem Rücken der Kinder ausgetragen“, sagt Meike Kessel. „Es ist die Frage, ob man das nicht anders organisieren könnte. Ist eine laufende Nase wirklich ein Corona-Symptom?“
Eltern müssen Homeoffice und Kinderbetreuung miteinander vereinbaren
Sie sieht die Not der berufstätigen Eltern. „Wie soll das im Herbst funktionieren?“ Viele Eltern würden das momentan noch über die Arbeit im Homeoffice regeln. Dieses funktioniere neben der Kinderbetreuung aber auch nicht besonders gut, wie eine Umfrage unter Bochumer Eltern ergeben habe.
„Vereinzelt haben wir auch schon verzweifelte Rückmeldungen von Eltern, deren Urlaubstage durch die Kinderbetreuung schon komplett weg sind. Im Endeffekt muss dann einer seine Stunden reduzieren. Das ist keine befriedigende Situation.“
Betreuungsverbot bei Erkältungssymptomen
Das Verbot, den Kindergarten zu besuchen gilt auch, wenn Eltern oder Geschwister Erkältungssymptome zeigen. Die Eltern müssen nach Angaben der Stadt erklären, dass sie ihre Kinder nur bringen, wenn sie gesund sind.
Bei Kindern, die krank waren, müssen Eltern bestätigen, dass sie seit 48 Stunden symptomfrei sind. Wenn es daran Zweifel gibt, kann der Kindergarten verlangen, dass die Eltern mit dem Kind zum Kinderarzt gehen. Ein Attest ist nur bei einer nachgewiesenen Sars-Cov-2-Infektion erforderlich. Das gelte analog auch für die Erzieher.
Kinderarzt Gediz Taskaya setzt schon jetzt auf kreative Möglichkeiten, den Patienten-Strom in seiner Praxis möglichst sinnvoll zu leiten. „Ich versuche bereits jetzt, viele Dinge telefonisch zu machen. Außerdem denke ich über eine Videosprechstunde nach.“