Bochum. Vom 1. Juli an gilt bis Ende des Jahres der reduzierte Mehrwertsteuersatz. Der Handel in Bochum hofft auf eine deutliche Belebung der Nachfrage.
Die erste kleine Hitzewelle des Sommers ist gerade mal vorbei und bis Weihnachten noch lang hin. Aber Juwelier Marc Mauer schon vorweihnachtliche Zustände. „Bei uns im Tresor liegen viele Artikel, die wir für Kunden zurückgelegt haben.“ Gekauft werden sie voraussichtlich von Mittwoch (1. Juli) an. Dann gilt die reduzierte Mehrwertsteuer. Und die sorgt vor allem bei hochpreisigen Produkten für nennenswerte Preissenkungen.
„Die Mehrwertsteuersenkung spürt man natürlich ganz besondere bei größeren Anschaffungen“, sagt Geschäftsführerin Kerstin Feix vom Autohaus Feix. Nach der verhalteneren Nachfrage im Juni erwartet sie einen spürbaren Anstieg bei den Verkaufszahlen; „zumal wir die Preise zum Beispiel bei Tageszulassungen noch stärker reduzieren werden“, so Feix.
Aufwand für den Handel ist immens
Allerdings: „Der Aufwand, den die Mehrwertsteuersenkung im Handel mit sich bringt, ist immens“, sagt die Geschäftsführerin. „Mit einem Knopfdruck ist das nicht getan.“ Als Händler mehrerer Automarken sei ihr Haus zum Beispiel eingebunden in ein komplexes System unterschiedlicher Programm. Für die müssen Updates erstellt werden, die Buchhaltung muss Auftrags- und Rechnungsdatum berücksichtigen, Preisschilder müssen neu erstellt werden und vieles mehr.
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Auch Juwelier Marc Mauer sagt: „Ich kann die Stunden gar nicht mehr zählen, in denen ich mit diesem Thema beschäftigt habe.“ Er setzt auf eine möglichst unkomplizierte Regelung in dieser Übergangsphase: „Wir ändern unsere Preisschilder nicht, geben aber die Steuersenkung an unsere Kunde weiter.“ So halte sich der Aufwand Anfang 2021, wenn wieder die alte Mehrwertsteuer von 19 Prozent gilt, in Grenzen.
Handelsverband rechnet mit Kosten in Millionenhöhe
Wie viele Geschäfte überhaupt die Steuersenkung weitergeben, sei auch „noch gar nicht absehbar“, so Marion Runge, Geschäftsführerin des Handelsverbandes Ruhr-Lippe. Denn: „So schön sie für den Verbraucher ist, für den Handel ist sie mit großem Aufwand verbunden.“ Und mit Kosten. Der Bundesverband taxiere diese auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Erst Ende des Jahres werde sich ein klares Bild ergeben.
Stadtwerke geben Vorteil an Kunden weiter
Positiv auswirken wird sich die Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 16 Prozent bis zum Ende des Jahres auf jeden Fall für Kunden der Stadtwerke Bochum.
„Diese Entlastung geben wir eins zu eins an unsere Kunden weiter“, verspricht Stadtwerke-Geschäftsführer Frank Thiel.
Immerhin: Etliche Händler machen mit. So hat das Autohaus Tiemeyer angekündigt, die Steuersenkung an die Kunden weiterzugeben. Das Gartencenter Augsburg hat sogar schon vor einigen Tagen damit begonnen, nur den gesenkten Mehrwertsteuersatz zu berechnen. Vor allem im Textilhandel geht die Reduzierung der Umsatzsteuer einher mit saisonbedingten Preisnachlässen. So hat etwa das Modehaus Baltz schon vor Wochen angekündigt, die großen Lagerbestände über mehr als nur um drei Prozent reduzierte Preise abbauen zu wollen.
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Gastronomen senken Preise nicht
Einfacher verhält es sich offenbar im Handwerk. Angesichts digitaler Rechnungssysteme spricht Kreishandwerksmeister Michael Mauer von einem „überschaubaren Aufwand“ für die Betriebe. Wem dieser am Ende wie viel nützt, bleibe abzuwarten. „Einige Handwerker sind schon bis zum Jahresende ausgebucht. Für sie spielt die Senkung keine Rolle.“ Ob sie bei anderen zu mehr Aufträgen führe, bleibe abzuwarten.
Helfen könnte die reduzierte Umsatzsteuer der Gastronomie. Für sie wurde vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Juni 2021 ohnehin schon die Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf sieben Prozent reduziert, nun sinkt der Satz bis Ende des 2020 sogar auf fünf Prozent. Das könnte, so der Bochumer Gastronom Christian Bickelbacher, dazu führen, dass Betriebe das Geschäftsjahr „mit plus/minus Null abschließen.“ Die Preise senke werde er in seinen Häusern nicht. „Ich kennen auch keinen anderen Betreiber, der das tun will“, so Bickelbacher. Die Hoffnung sei, dass die geringen Beträge, die ein Kunde bei Essen und Getränke einsparen würde, in Summe am Ende zum Überleben von Restaurants und Kneipen führe, sollte das Besucherverhalten so bleiben wie es jetzt ist“. Bei Getränken gilt die Reduzierung von 19 auf 16 Prozent bis zum Ende des Jahres.