Bochum. Die erste Diskothek in Bochum hat in der Corona-Krise geschlossen. Dabei wird es nicht bleiben, heißt es in der Branche. Vielerorts wird gebangt.

Als die Veranstaltungsbranche am Montagabend mit der „Night of Light“ bundesweit auf ihre prekäre Situation aufmerksam machte, waren die Lichter im „Jack’s“ schon seit zwei Tagen aus. Am Samstag nahmen die Stammgäste Abschied von dem Partytreff. Damit ist die Diskothek hinter dem Hauptbahnhof der erste Club in Bochum, der in der Corona-Krise aufgeben musste. Er wird nicht der letzte sein, wie in der Szene gemutmaßt wird.

„Das Schlimmste ist: Es gibt keine Perspektive“, sagt Frank Bartram. Seit 2012 ist er Geschäftsführer im „Jack’s“, dem früheren „Pflaumenbaum“ auf dem Buddenbergplatz. In der selbst ernannten „Partyzentrale“ herrschte nach dem Neustart im Mai eher Eckkneipen-Atmosphäre. „Die Auflagen des Gesundheitsamtes waren knallhart. Es durfte nicht getanzt werden. Die Besucher mussten reservieren und durften nur an zugewiesenen Tischen sitzen“, berichtet der 48-Jährige.

Große Sorgen auch im „Zombiekeller“

Das habe zwar gut funktioniert, war aber weit entfernt von den Einnahmen in Vor-Corona-Zeiten: „und das bei nahezu identischem Aufwand.“ Das Aus, sagt Bartram, sei letztlich „alternativlos gewesen“. Sein Fazit: „Wer sich an die Spielregeln hält, kann kein Geld verdienen.“ Seine Befürchtung: „Es wird spätestens im Herbst noch andere treffen.“ Die Liste, die Bartram im WAZ-Gespräch nennt („Bitte nicht schreiben!“), ist erschreckend lang und mit bekannten Namen gespickt.

Das „New Orleans“ steht nicht darauf. Doch der Dino wankt. Im Januar hatte die älteste Diskothek in Nordrhein-Westfalen ihr 55-jähriges (!) Bestehen gefeiert. Kurz danach wurde es erschreckend einsam im „Zombiekeller“ am Südring, wo man freitags und samstags auf und abseits der Tanzfläche „über Abstandsgebote nicht reden muss“, sagt Thomas „Tommy“ Behrendt, der das „New Orleans“ seit 35 Jahren mit seiner Mutter Margret Hörmann betreibt.

Betreiber: „Zur Zeit bin ich leer“

Kraftlos sei er geworden. Die Verantwortung und die Angst lasten schwer auf dem 55-Jährigen, der sonst als strahlender Sunnyboy für Getränke, Musik und zahllose flotte Sprüche sorgt. „Dabei geht’s nicht nur ums Finanzielle“, sagt der Familienvater. „Es fehlen auch die vielen sozialen Kontakte, die vielen lieben Gäste. Hinzu kommt diese Hilflosigkeit.“ Wie umgehen mit einer Situation, in der der Kampf ums Überleben mit jeder Woche ohne Einnahme schwieriger, gefühlt aussichtsloser wird?

Tausende Betriebe in Gefahr

88 Prozent der Gastronomiebetriebe können seit den Lockerungen im Mai nicht wirtschaftlich arbeiten, berichtet Thorsten Hellwig, Sprecher des Branchenverbandes Dehoga NRW.

Die Corona-Beschränkungen stellten die Unternehmen „weiterhin vor extreme Herausforderungen“, so Hellwig. „Ohne direkte staatliche Hilfen werden diese Krise Tausende von Betrieben, allein in Nordrhein-Westfalen, nicht überleben.“

An wirksamer Unterstützung zweifeln jedoch zahlreiche Gastronomen. Laut einer Dehoga-Umfrage fehlt 42,9 Prozent das Vertrauen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen noch ergreift.

Ans Aufgeben will „Tommy“ dennoch nicht denken. Um die Kasse kurzfristig etwas aufzufüllen, werden Einlass-Freikarten angeboten. Für 50 Euro kommt man damit ohne Eintritt bis zum Jahresende in den „Zombiekeller“. Käme, muss es wohl heißen. Denn wann der nächtliche Tanztreff wieder öffnet, ist nicht abzusehen. „Zur Zeit bin ich leer. Man schläft mit Zweifeln ein und wacht damit auf“, sagt Behrendt. Aber: „Noch habe ich den festen Willen, dass es weitergeht.“

Ein Foto aus guten Zeiten: Margret Hörmann und Thomas Behrendt iim „New Orleans“, das als älteste Diskothek in Nordrhein-Westfalen gilt.
Ein Foto aus guten Zeiten: Margret Hörmann und Thomas Behrendt iim „New Orleans“, das als älteste Diskothek in Nordrhein-Westfalen gilt. © Gero Helm / WAZ FotoPool

„Postkutsche“ vor dem K.O.

Den endgültigen K.O. abwenden, das will auch Oliver Witt. Am Boden, um im Bild zu bleiben, liegt der 44-Jährige schon. In den sozialen Netzwerken hat er in diesen Tagen bereits verkündet: „Es ist vorbei!“ Vorbei mit der “Postkutsche“, der Traditionskneipe auf der Viktoriastraße, die „Olli“ 2012 aus dem Dornröschenschlaf erweckte und als Szene- und Fußballtreff mit Retro-Charme etablierte.

Corona, sagt Witt, habe die Umsätze auf ein Fünftel schrumpfen lassen. Hinzu kommen aktuell eine Auseinandersetzung mit dem Vermieter und seit Monaten die Mega-Baustelle für das Viktoria-Karree direkt nebenan. Stadtfeste wie Bochum Total oder den Musiksommer gibt’s in desem Jahr nicht. Nur noch am Wochenende lohne es sich, die Tür aufzuschließen.

Ob’s zumindest dabei bleibt? Ob er weitermacht, die 100 Jahre alte Pinte, die einst den schönen Namen „Von 8 bis 8“ trug, am Leben erhält? „Ungewiss“, sagt auch Oliver Witt. Der Kutscher steht vor dem Absprung.