Bochum. Wie geht dem Handwerk in der Coronakrise? Bochumer Azubis der Firma Hasenkamp diskutieren das mit dem Landtagsabgeordneten Rudolph.

Die Coronakrise setzt Auszubildende und Berufsanfänger außergewöhnlichen beruflichen Unsicherheiten aus. Wie diese Situation die Handwerksbranche beeinflusst, haben Azubis der Bochumer Sanitärfirma Hasenkamp mit Firmeninhaber Heinz Hasenkamp und Landtagsabgeordneten Karsten Rudolph in einer offenen Gesprächsrunde diskutiert.

„Ich selbst hatte Glück, aber einige aus meiner Berufsschule haben wochenlang keine Arbeit gehabt und wurden teilweise auch nicht vergütet“, erklärt Anja Gimpel, die im gastronomischen Bereich der Hasenkamp GmbH ihre Ausbildung macht. Mit dem veränderten Berufsalltag komme sie, ebenso wie ihre Mit-Auszubildenden der Bochumer Firma, gut klar. Von der verschobenen Abschlussprüfung profitiere sie sogar.

Heinz Hasenkamp hat in seiner Sanitärfirma in Bochum nur wenig Auftragseinbrüche zu verzeichnen, denn seine Kunden sind systemrelevant: Altenheime und Gefängnisse.
Heinz Hasenkamp hat in seiner Sanitärfirma in Bochum nur wenig Auftragseinbrüche zu verzeichnen, denn seine Kunden sind systemrelevant: Altenheime und Gefängnisse. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Azubis würden in der Coronakrise zu improvisieren lernen

„Unsere Azubis haben in drei Monaten das gelernt, was sie sonst in drei Jahren lernen“, sagt Heinz Hasenkamp. Seine Firma mit 104 Mitarbeitern bildet 15 Jugendliche zum Kältetechniker, Klempner, Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizung und Klima sowie im kaufmännischen und gastronomischen Bereich aus.

Mit Unbeschwertheit und innovativen Ideen würden die jüngeren Mitarbeiter die Anpassungen an die Krise mitgestalten: Ein digitaler Bäderrundgang wurde für die Kunden geschaffen, die Gastronomie wandelte sich zum Lieferdienst sowie zur hauseigenen Kantine um und Bürokräfte stellten eine kleine Betriebs-Kita auf die Beine.

Bochumer Firma erhält in der Krise qualifiziertere Bewerbungen

„Wir haben in Coronazeiten sechs neue Mitarbeiter eingestellt, jetzt kriegen wir die Besten – so verrückt das klingt“, erklärt Hasenkamp und zitiert begeistert aus einer Bewerbung inmitten seiner Bad Oase in Bochum-Riemke. „Die wären sonst zu Opel oder Nokia gegangen“, so der Firmeninhaber, „in dieser Zeit führt die Angst vor dem Globalen dazu, dass sich das berufliche Interesse wieder auf die gesunde lokale Ebene konzentriert.“

Derzeit wechselten Arbeitskräfte von der Industrie zum Handwerk, entgegen früherer Trends, erklärt der SPD-Landtagsabgeordnete im Wahlkreis Bochum II Karsten Rudolph: „Früher hat die Industrie nach der guten handwerklichen Ausbildung die Arbeitskräfte abgeworben.“

Während die Bochumer Firma Hasenkamp bei größeren Aufträgen, beispielsweise für Gefängnisse und Altersheime, keine Auftragseinbrüche verzeichnet, sehe es bei Einzelaufträgen unter 5000 Euro anders aus. „Wollen Ihre Kunden aktuell überhaupt fremde Handwerker in ihrer Wohnung haben?“, fragt ihn der Landtagsabgeordnete. „Kleinstaufträge sind gerade bei älteren Kunden weggebrochen“, antwortet Hasenkamp, „von früher 20 Aufträgen täglich sind wir jetzt auf ein bis zwei runtergerutscht.“ Außerdem sei aufgrund der Hygiene- und Abstandsregeln „der Handwerkeralltag sehr anstrengend geworden“.

Junge Menschen müssten in der aktuellen Wirtschaftskrise viel zurückstecken, findet der SPD-Landtagsabgeordnete Karsten Rudolph (Mitte, im Anzug). Beim Besuch in der Bad Oase der Sanitärfirma Hasenkamp in Bochum-Riemke.
Junge Menschen müssten in der aktuellen Wirtschaftskrise viel zurückstecken, findet der SPD-Landtagsabgeordnete Karsten Rudolph (Mitte, im Anzug). Beim Besuch in der Bad Oase der Sanitärfirma Hasenkamp in Bochum-Riemke. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Landtagsabgeordneter: „Jüngere müssen gerade viel zurückstecken“


Karsten Rudolph hofft, dass nun auch auf Landesebene die Belange junger Arbeitnehmer und Auszubildender in den Blick genommen werden. „In der Krise wird behauptet, die Jüngeren seien leichtsinnig, aber die müssen gerade sehr viel zurückstecken“, so Rudolph. Im Kontakt mit dem Bochumer Jobcenter und der Agentur für Arbeit hätte er erfahren, dass der Arbeitsmarkt komplett eingefroren sei. „Die, die noch nicht etabliert im Berufsleben sind, verlieren ihre Jobs, bekommen keine neuen und verlieren gerade viel Zeit“, erklärt das Landtagsmitglied.

Es sei nun wichtig, Erleichterungen für Handwerksbetriebe zu schaffen, die Wert auf Ausbildung legen, beispielsweise indem die öffentliche Hand vorübergehend die Sozialbeiträge übernimmt. „Eine andere Maßnahme wäre es, bei öffentlichen Ausschreibungen nicht mehr dem günstigsten Angebot den Zuschlag zu geben, sondern dem Besten – dabei allerdings die Zahl der Azubis in den Betrieben zu berücksichtigen“, so Rudolph.

Aktuelle Entwicklungen zur Coronakrise gibt es Bochumer Newsblog.

Eine Echtzeit-Karte zu Corona-Infektionen in NRW gibt es hier.