Bochum. Uwe Bogumil, Bochums oberster Verkehrspolizist, befürwortet verschärfte Regeln auf den Straßen. Und er begründet dies mit Zahlen.
Der Polizeidirektor mit den drei goldenen Sternen auf der Schulterklappe hat demnächst besonders viel an der frischen Luft vor. Uwe Bogumil, oberster Verkehrspolizist in Bochum, Herne und Witten, leitet dann nicht mehr die Direktion Verkehr, sondern schwingt sich aufs Fahrrad und fährt um ganz Deutschland herum. Ohne E-Motor.
Nach 42 Jahren im Polizeidienst geht Bogumil im Juni in Pension. Bei der Polizei ist das mit 62 Jahren der Fall. Statt Schreibtischarbeit, Unfall- und Sicherheitsanalysen, Präventionsprojekten, Personalfragen und Führungskonferenzen sind dann große Touren und Reisen angesagt, auch zu Fuß als Wanderer. Und mehr Familie und zwei Ehrenämter. „Das habe ich mir fest vorgenommen. Ich falle nicht in ein Loch oder so.“
Fehlverhalten auf der Springorum-Trasse ist auf alle Gruppen verteilt
Als Radfahrer hat Bogumil auch persönlich viel Erfahrung mit den Fahrrad-Verhältnissen in Bochum. Und natürlich kennt er auch die stark frequentierte Springorum-Trasse, wo sich Fußgänger, Radfahrer, E-Scooter-Fahrer, Skater, Jogger, Hundehalter und andere in die Quere kommen und sich gegenseitig Vorwürfe machen. Das Fehlverhalten sei allerdings gleichmäßig verteilt, meint Bogumil: „Es gibt keine Gruppe, die irgendwie besser ist als andere, aber es gibt Schwächere.“ Fußgänger zum Beispiel, Kinder zumal. Auf der Trasse sei es wie auf vollen Straßen: mehr Ärger, mehr Stau, mehr Stress.
54 Fahrrad- und Pedelec-Unfälle haben sich bereits in diesem Jahr im Stadtgebiet Bochum ereignet. In der Hälfte der Fälle haben die Radfahrer den Unfall verursacht, in fast allen anderen Kraftfahrer. Mit Ausnahme des tödlichen Alleinunfalls eines Radfahrers (60) am vorigen Sonntag in Langendreer gab es in Jahr 2020 bisher aber keine besonders schweren Rad-Unfälle. Die Wahrscheinlichkeit, dass das so bleibt, ist nicht gering, denn bereits seit 2016 ist die Anzahl der Verletzten kontinuierlich von 149 auf zuletzt 243 pro Jahr angewachsen.
Fahrradhelm verringert die Gefahr schwerer Verletzungen ganz enorm
Speziell auf der Springorum-Trasse wurden seit der Eröffnung Mitte 2019 erst zwei Unfälle polizeibekannt. Regelmäßig ist die Polizei dort, ebenso auf der Erzbahnstrasse, mit Info-Ständen, aber auch mit Kontrollen präsent.
Bogumil betont, wie lebenswichtig ein Helm sein kann. „Wir empfehlen das.“ Die Chancen, wegen des Helms deutlich weniger verletzt zu werden, seien sehr hoch. Die Einführung einer Helmpflicht sei aber eine politische Entscheidung, keine polizeiliche.
Tempo 65 und Tempo 50 können bei Verletzungen riesige Unterschiede ausmachen
Ganz klar hat der Polizeidirektor auch eine Meinung zu den neuen, verschärften Bußgeldern, die Teile der Bevölkerung für zu hart halten. So gilt zum Bespiel seit Ende April, dass innerorts schon um 16 km/h zu schnelles Fahren 70 Euro kostet; ab 21 km/h sind 80 Euro und ein Monat Fahrverbot fällig. Bogumil führt dazu eine Erkenntnis der Unfallforschung an: Durch eine Kollision zwischen Fußgänger und Pkw, der 65 km/h fährt, sterben acht von zehn Fußgängern. Fährt das Auto nur 50 km/h, überleben acht von zehn Fußgängern. Deshalb findet er es „in Ordnung, dass die Sanktionierung angeglichen worden ist an den europäischen Standard“.
Im Ausland gelten schon länger härtere Strafen für Verkehrssünder. „Ich verstehe die ganzen Bedenken nicht.“ Außerdem gebe es einen guten Weg, um Strafe herumzukommen: „Ich kann mich einfach an die Regeln halten.“
Polizeidirektor befürwortet auch ein Tempolimit auf Autobahnen
Frank Nows folgt auf Uwe Bogumil
Mehr als dreieienhalb Jahre war der Wahlbochumer Uwe Bogumil Chef der Verkehrspolizei im Polizeipräsidium Bochum. Zu seinen Verdiensten zählt u.a., dass unter seiner Führung der Bochumer Polizeibezirk derjenige in NRW ist, in dem am wenigsten Verletzte im Straßenverkehr zu beklagen sind. Bochum steht in diesem Punkt schon seit 13 Jahren auf Platz 1 in NRW.
Sein Nachfolger steht schon fest: Frank Nows. Der 56-Jährige ist ebenfalls Polizeidirektor und leitet zurzeit den Corona-Krisenstab bei der Polizei.
Bogumil hat noch weitere Unfalldaten, diesmal zu Tempo-30-Zonen, von denen er sich in Wohngebieten und ähnlichen Bereichen ausdrücklich noch mehr wünscht. An der Stelle, an der ein Pkw, der 30 km/h fährt, bei einer Vollbremsung zum Stehen kommt, beginnt ein Pkw mit 50 km/h erst mit dem Bremsvorgang.
Auch zur immer wieder aufflammenden Diskussion zum möglichen Tempo-130-Limit auf Autobahnen bezieht Bogumil klar Stellung: Es sollte eingeführt werden. „Das könnte die Aggressivität vermindern.“ Allein schon wegen der hohen Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Lkw und Pkw, was ein ganz besonderes Risiko darstelle, sei ein Tempolimit gut.
Auch selbst ist der Polizeichef schon einmal mit einer Ordnungswidigkeit aufgefallen
Bogumil ist übrigens auch selbst schon mal wegen einer Ordnungswidigkeit aufgefallen. Erst vor wenigen Wochen haben Kollegen aus einer anderen Polizeibehörde bemerkt, dass an seinem Privatauto tags zuvor die TÜV-Plakette abgelaufen war – 15 Euro Bußgeld. „Ich habe es einfach vergessen“, sagt Bogumil und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Weil ich so alt bin. Deshalb werde ich pensioniert.“