Bochum. Das Bochumer Bündnis zur Ausgrenzung der AfD im Wahlkampf steht wegen seiner Zusammensetzung in der Kritik. Welche Rolle spielte OB Eiskirch?

Die Botschaft ist klar: „Bochum ohne Hass. Wahlkampf ohne rechts.“ Welcher Demokrat wollte da Einspruch erheben? Zumal so viele ehrenwerte Leute und Institutionen die Erklärung unterzeichnet haben, die am Freitag in Bochum öffentlich wurde. Ein breites Bündnis aus Parteien, Kirchen, Wirtschaft und Gewerkschaften wurde geschmiedet.

Das Ziel ist eindeutig: Die AfD soll im Wahlkampf ausgegrenzt und auf eine Stufe mit der rechtsextremen NPD gestellt werden. Auf der Liste der Unterzeichner fehlen aber in der Stadt etablierte politische Kräfte wie Linke, Stadtgestalter und Soziale Liste, die nicht gerade dafür bekannt sind, mit der AfD zu sympathisieren. Warum?

Anti-AfD-Bündnis soll die Stadtgesellschaft in Bochum repräsentieren

Es geht uns um ein Zeichen der Stadtgesellschaft in ihrer Vielfalt und Breite“, sagt Karsten Rudolph, Vorsitzender der SPD, die die Erklärung an die Medien verschickte. „Nicht jede Splittergruppe in Bochum und über Bochum hinaus konnte da eingebunden werden.“

„Das ist schon sehr speziell“, sagt Stadtgestalter Volker Steude. Er vermutet politisches Kalkül. „So wird der Eindruck erweckt, dass wir nicht dazu gehören.“ Noch etwas anderes stört Steude. „Nach unseren Informationen war der Oberbürgermeister der Initiator der Erklärung und beauftragte seinen Referenten mit der Koordination“, heißt es in einem Schreiben an die Unterzeichner der Erklärung. Thomas Eiskirch (SPD) stellt sich im Herbst zur Wiederwahl.

Oberbürgermeister Eiskirch spielte eine wichtige Rolle

Sein Referent Ulf Dannehl weist die indirekten Vorwürfe einer Wahlkampfunterstützung aus dem Rathaus von sich: „Der Oberbürgermeister war nicht Initiator und ich habe den Prozess nicht gemanagt. Federführend bei der Initiative war die SPD.“ Rudolph, auch Landtagsabgeordneter seiner Partei, verweist hingegen auf die wichtige Rolle des OB in dem Prozess. „Als Stadtoberhaupt hat Eiskirch natürlich für das Bündnis geworben.“

Die Ausgrenzung der AfD auf lokaler Ebene ist in erster Linie rechtem Terror und AfD-Größen wie Björn Höcke geschuldet. Zur Begründung führt das Bündnis in seiner „gemeinsamen Positionierung“ Beispiele auf: „Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, das Attentat auf die Jüdische Gemeinde in Halle und der Terrormord an Besuchern einer Shisha-Bar in Hanau haben uns entsetzt. Wir fragen uns: Könnte Ähnliches in Bochum geschehen?“

Lokale Beispiele für AfD-Verfehlungen sind Mangelware

Beispiele für Entgleisungen lokaler AfD-Vertreter nennen Unterzeichner der Erklärung auf Nachfrage nicht. Superintendent Gerald Hagmann verweist auf eine Entscheidung des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2019, Podien nicht für die AfD zu öffnen. „Dass AfD und NPD in vielen Themenfeldern gänzlich andere Haltungen vertreten, als sie etwa in Grundsatzpapieren der Synoden evangelischer Kirchen kommuniziert werden, ist kein Geheimnis. Und dass es immer wieder verbale, menschenverachtende Beiträge aus diesen Parteien gab, auch nicht“, so Hagmann.

CDU-Kreisverbandsvorsitzender Christian Haardt vermisst von den Bochumer AfD-Abgeordneten „eine deutliche Distanzierung zu Höcke“ und von anderen Entgleisungen der Partei oder ihrer Mitglieder. Die Nicht-Beteiligung der Stadtgestalter erklärt sich Haardt ganz einfach: „Wir haben Herrn Steude schlicht vergessen.“ Linke und Soziale Liste indes gehörten für die CDU „nicht zum demokratischen Spektrum“.

Der Protest der Stadtgestalter und wohl auch die Recherchen der WAZ zeigten am Sonntag Wirkung. Am Nachmittag räumte Karsten Rudolph ein Versäumnis ein und lud Volker Steude zum Mitmachen ein.

„Verweigerung des Diskurses ist fehlende Wertschätzung für die Demokratie“

Auch Karsten Rudolph kann nicht mit lokalen Beispielen von AfD-Verfehlungen aufwarten. Er kritisiert aber das Verhalten der Landtagsabgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Christian Loose in Düsseldorf. „Bei dem Skandal um das umstrittene Malbuch haben sie tagelang geschwiegen.

„Unsere Fraktion hat sich dazu eindeutig positioniert“, sagt hingegen Loose. Die beabsichtigte Ausgrenzung der AfD in Bochum sei ein „peinliches Wahkampfgeplänkel“. „Wer den Diskurs verweigert, zeigt, dass er die Demokratie nicht wertschätzt.“ Für den AfD-Mann sind die Unterzeichner die wahren Anti-Demokraten. Als Beispiel führt er das Grünen-Ratsmitglied Karsten Finke an, das 2015 die Krawalle in Frankfurt zur Eröffnung der Europäischen Zentralbank wie folgt kommentierte: „Das sind doch nur brennende Autos: Beruhigt euch mal wieder!“

AfD-Fraktionschef führt berufliche Gründe für Rückzug an

Die AfD von heute sei längst nicht mehr die Partei von vor drei Jahren, betont indes Rudolph. Der Abgang des Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat sei ein Indiz dafür. „Wolf-Dieter Liese ist sicher kein Rechtsextremist. Sein Rückzug zeitgleich zur Nachricht, dass der Verfassungsschutz die Partei beobachten will, ist kein Zufall.“

„Mein Ausstieg hat rein berufliche Gründe“, erklärte indes Liese gegenüber der WAZ. Mitglied der AfD sei er aber nicht mehr. „Wegen Differenzen in der Partei, die aber nichts mit Bochum zu tun haben. Der Bochumer AfD habe ich nichts vorzuwerfen.“

Unterzeichner fordern fairen Wahlkampf

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Die Erfahrung mit Repräsentanten und Reden von NPD und AfD seien eindeutig, heißt es in der Erklärung von Freitag. „Wir wissen nun und wissen es allzu gut, dass es nicht die Springerstiefel sind, die Nazis machen, sondern ihr Hass. Dass es nicht die Bomberjacke ist, die Nazis charakterisiert, sondern ihr Rassismus. Und dass es nicht die sachlichen Argumente sind, die zählen, sondern die ständige Provokation.“

Es sei daher wichtig, klar Position zu beziehen: „Darum erklären wir heute: Wir werden diesen Rechten keine Podien geben und auf kein Podium gehen, auf dem diese Rechten sitzen. Wir erklären dies, weil wir Personen aus Parteien keine Bühne geben wollen, auf denen die ständige Provokation und Rassismus offen kommuniziert wird. Wir suchen Lösungen für alle und keine Pointen auf Kosten anderer. Fair, versöhnlich, verbindlich. Darum behaupten wir dieses Recht gegen diese Rechten: dass wir – die demokratischen Korporationen, Verbände und Parteien unserer Stadt – frei entscheiden, wen wir einladen wollen in unsere Häuser und wen auf keinen Fall. Mit wem wir uns an einen Tisch setzen wollen und mit wem nicht. Nicht mit der AfD, nicht mit der NPD. Wir zählen auf einen fairen Wahlkampf.“

Parteien, Kirchen, Vertreter der Wirtschaft und Gewerkschaften sind dabei

Unterzeichnet haben die Erklärung Karsten Rudolph (SPD), Christian Haardt (CDU) Hans Bischoff und Thea Jacobs (Grüne), Olaf in der Beek (FDP), Jens Lücking (UWG/ Freie Bürger), Gerald Hagmann (ev. Kirche), Michael Kemper (kath. Kirche), Alexander Chraga (Jüdische Gemeinde), Tolga Ahiskali (AG Bochumer Moscheen), Eric Weik (Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet), Michael Mauer (Kreishandwerkerschaft) und Bettina Gantenberg (DGB).

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