Bochum. Die Bochumer Band Snowfall in June wurde von Covid-19 ausgebremst. Statt Auftritten widmet sich Gitarristin Klara jetzt ihrer Klopapier-Sammlung.

Kein Verstärker, kein Applaus, kein Publikum. Was in den vier Wänden von Klara Gockel und Luzie Maroscheck an der Alsenstraße vorherrscht, bis auf das Knarren des alten Holzdielenbodens, ist - Stille. Zu ruhig für die beiden Mitglieder der Bochumer Band „Snowfall in June“.

Wohnzimmer- statt Live-Konzert

Kurzerhand tauscht die Gitarre ihren Platz an der Wand mit einem Mobiltelefon, das als stiller Beobachter des ersten Wohnzimmerkonzerts dient. Während Luzie an der Heimorgel sitzt, singt ihre Verlobte Klara in leiseren Tönen „I want to get back to the moment we had“. „Nizza” heißt der Song, der vielen zurzeit aus der Seele spricht: Nur wenige Wochen zuvor hatten sich noch über hundert Menschen ins Oval Office des Schauspielhauses gedrängt, um mit der, eigentlich fünfköpfigen, Indie-Folk-Band Snowfall in June die Veröffentlichung des ersten Albums „Long Forgotten Curls“ zu feiern.

Abschied vom sozialen Leben

Klara und Luzie denken zurück an die Momente, an denen sie gemeinsam mit ihrem Publikum lachten, tranken, sich in den Armen lagen. „Im Endeffekt war das Konzert gleichbedeutend mit dem Abschied vom sozialen Leben“, blickt Klara zurück, die diesen Abend noch „naiv und unbeschwert“ genossen hat - bereits ahnend, dass das vielleicht der vorerst letzte Auftritt sein wird. Das neuartige Coronavirus hatte sich schon seinen Weg nach Deutschland gebahnt.

Nun ist der nächste Auftritt für Klara & Co. auf den 14. Mai terminiert. Allerdings mit einem Fragezeichen.

Hochzeitsplanung liegt auf Eis

In Klaras Wohnzimmer bleiben die Gitarren jetzt ebenso unberührt wie die zwei weißen Brautkleider, die eigentlich im Juli ihren großen Moment erleben sollten. Aber sämtliche Hochzeitsplanungen liegen auf Eis. „Die Feier ist eigentlich schon komplett durchorganisiert. Wir wissen aber überhaupt noch nicht, ob es in diesem Jahr noch etwas wird oder wir unsere Hochzeit verschieben müssen“, sagt die 32-jährige Bochumerin.

Tagesrhythmus stark verändert

Zurück zu Snowfall in June: Die aufstrebende Bochumer Band besteht seit 2016, bereits drei Jahre zuvor absolvierte Klara in Münster ihr Studium der Zahnmedizin und ist seitdem hauptamtlich im medizinischen Bereich tätig. Auch ihrem Beruf darf sie aktuell aus reiner Vorsichtsmaßnahme nicht nachkommen. Der Tagesrhythmus wird vorläufig runtergebrochen und aufgeteilt in aufstehen, putzen, kochen und wieder ins Bett gehen.

Krokodile und Hundebabies

Zuvor aber wird noch das Schlafzimmer aufgeräumt. Dabei findet Klara ein vergessenes Relikt wieder. Eines, für das wahrscheinlich fast jeder Bundesbürger derzeit sehr viel geben würde. „Wer hätte gedacht, dass dieses Album einmal so wertvoll sein würde?“, lacht Klara als sie einen dicken, lilafarbenen Ordner in der Hand hält. „Klopapier Sammlung“ steht darauf.

„Ich begann das Sammeln als Protest gegen die Diddl-Block-Bewegung Ende der Neunziger Jahre und habe das zwei bis drei Jahre aktiv betrieben. Leute haben mir noch viele Jahre später immer Klopapier von Urlaubsreisen mitgebracht. Aufgehört habe ich eigentlich nie offiziell“, sagt sie.

Eingehüllt in Klarsichtfolie

Ein 27-seitiges Sammelsurium bunter Blätter unterschiedlichster Motive (vom Krokodil bis zum Hundebaby), beschriftet und eingehüllt in Klarsichtfolie hat plötzlich einen ganz neuen Stellenwert erlangt. Polen, England, Venedig, sogar mexikanisches Zellstoff ist vertreten.

Wenn Hamsterkäufer um fünf vor neun in der Schlange vor der DM-Filiale warten, um an die begehrte Ware zu kommen, können sich zwei Bochumerinnen entspannt zurücklehnen. Luzie ist sich sicher: „Wenn es hart auf hart kommt, sind Klara und ich gerüstet.“

>>> Info: Andere Wertschätzung

Für die Zeit nach Corona kann sich Klara durchaus vorstellen, ihr Leben ein Stückweit zu entschleunigen.

„Ich denke, dass ich viele Dinge anders wertschätzen werde, die ich zuvor als selbstverständlich angesehen habe“, sagt sie.

Ihr sei von heute auf morgen erst richtig bewusst geworden, wie frei man eigentlich leben kann.

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