Bochum-Südwest. Bochumer Bürgerinitiative sieht sich zu Unrecht von der Lokalpolitik angegriffen. Sie fürchtet um ihre Einflussnahme auf örtliche Bauprojekte.

Das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung sieht sich zu Unrecht von der Lokalpolitik im Stadtbezirk Bochum-Südwest an den Pranger gestellt und hält an seiner Kritik fest. „Das Vorgehen von Politik und Verwaltung bei anderen großen Bauvorhaben in Bochum, Bürgerbeteiligung als wichtigen Bestandteil vorzusehen, hat das Netzwerk als guten Schritt in die richtige Richtung begrüßt“, teilt Sprecher Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt mit. „Davon scheint die Bezirksvertretung Südwest meilenweit entfernt – statt Dialog übt man sich hier in Beschimpfung derer, von denen man gewählt werden will.“

Bochumer Bürgerinitiative wehrt sich gegen Politiker-Schelte

Das Netzwerk und auch die Bürgergemeinschaft Weitmar-Mark-Stiepel hatten der Bezirksvertretung Südwest in Person von Bezirksbürgermeister Marc Gräf (SPD) im Hinblick auf die Corona-Sicherheitsvorkehrungen (nur sechs Bürger waren zur Sitzung zugelassen) vorgeworfen, bewusst das Publikum bei wichtigen Entscheidungen außen vor gelassen zu haben. Dafür waren die Bürgerinitiativen von den Lokalpolitikern zum Ende der Sitzung am Mittwoch (18.) heftig kritisiert worden. Allerdings erst, als deren Mitglieder den Sitzungssaal bereits verlassen hatten.

Kritik, die das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung in Stil und Inhalt von sich weist: „Wenn kritische Bürgerschaft nach Verlassen der Sitzung in Abwesenheit diffamiert wird, ist dies undemokratisch und feige. Offensichtlich ist die Politik in Südwest im Nerv getroffen.“ Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt wertet dies als „einen deutlicher Beleg dafür, dass die Kritik berechtigt ist“.

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Der Bezirksbürgermeister habe auf die von den Bürgerinitiativen geäußerte Kritik nachträglich erklärt, Ziel von Politik und Verwaltung sei, „in diesen Zeiten die Handlungsfähigkeit des Staates aufrecht zu halten und das in großer Gemeinsamkeit fraktionsübergreifend.“ Selbstverständlich, so das Netzwerk, müsse die Handlungsfähigkeit des Staates gerade auch in Notlagen aufrechterhalten werden. „Die Handlungsfähigkeit wird aber sicherlich auch dann nicht gefährdet, wenn in den Sitzungen nur die Tagesordnungspunkte abgearbeitet werden, die keinen Aufschub dulden.“

Sorge um Einflussnahme auf die Neubaupläne

Warum aber die Auslegung von Änderungen der bereits seit Jahren laufenden Planungen zum Edeka-Neubau in Weitmar und zur Neubebauung Lewackerstraße gerade jetzt keinen Aufschub mehr dulden sollen, ist laut Netzwerk „nicht erkennbar und auch in der Sitzung nicht erkennbar geworden“.

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Auch in Sachen Bebauung an der Schloßstraße läuft nach Ansicht des Netzwerks einiges schief. Das vorgelegte städtebauliche Konzept sei durch den Investor und ein von diesem beauftragtes Architektenbüro gemeinsam mit der Verwaltung in mehreren Werkstatterminen entwickelt worden. Danach haben Mitglieder der Bezirksvertretung nochmals Änderungen vorgenommen. „Kann es dann verwundern, wenn gefragt wird, wie hier noch Bürgerbeteiligung möglich sein soll?“, fragt Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt. „Soll sich die Weitmarer Bürgerschaft mit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung an einem nahezu abgeschlossenen Konzept zufrieden geben?“

Verweis aufs Ministerium

Das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung sieht sich in seiner Meinung, dass man politische Sitzungen mit „brisanten“ Themen wie die Bebauungspläne Lewackerstraße, Edeka-Neubau und Schloßstraße lieber verschieben sollte, durch einen Erlass des Justizministeriums NRW bestärkt.

Darin heiße es: „Ziel aller Maßnahmen ist aber die Aufrechterhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze bei gleichzeitiger Minimierung der Ansteckungsgefahr“. Deshalb „sollen Sitzungen nur durchgeführt werden, wenn sie keinen Aufschub dulden“.

Das Vorgehen beim geplanten Neubaugebiet an der Schloßstraße kritisiert auch Jürgen Dassow, der sich an die Bebauung am Bahnhof Weitmar erinnert fühlt. Dassow, Anwohner dort, hatte damals eigens eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen. Das städtebauliche Konzept, das in der Sitzung der Bezirksvertretung Südwest vorgestellt wurde, werde Mitte der Woche vom Planungsausschuss so beschlossen werden, prophezeit Dassow. „Erst Wochen später soll es in einer Bürgerversammlung der breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden.“ Auch er befürchtet, „dass dann bereits jegliche Einflussmöglichkeit für die Bürger nicht mehr gegeben ist“.

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Auch Dassow war von den Lokalpolitikern am Mittwoch kritisiert worden, weil er seine Meinung zum Bebauungsplan Schloßstraße auf sieben DIN A4-Seiten verfasst und diese im Gremium verteilt hatte. Dieser Protest, in Kombination mit den Protestschreiben im Vorfeld, hatte zum Ende der Sitzung das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Lokalpolitiker sahen sich „der Hetze“ ausgesetzt und speziell Bezirksbürgermeister Marc Gräf „öffentlich diffamiert“.

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