Altenbochum. Das Bochumer Start-up „Werkzeugkiste“ bietet Handwerkskurse für Senioren an. Ziel ist es, das frühere Hobby auch im Altenheim ausüben zu können.

Der Einzug in ein Seniorenheim bedeutet oft, dass geliebte Hobbys nicht mehr ausgeübt werden können. Das ist insbesondere für Männer und Frauen schwer, die ihr Leben lang gerne an der Werkbank gebastelt haben. Genauso ging es auch dem Vater des Bochumer Gründers Tobias Marquardt. Er ist Bewohner einer Senioreneinrichtung. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass dieser an den zahlreichen Freizeit- und Beschäftigungsmöglichkeiten kaum Interesse zeigte.

Christel Bettin schleift ein Stück bei einem Handwerkskurs in der Senioreneinrichtung Buchenhof in Bochum.
Christel Bettin schleift ein Stück bei einem Handwerkskurs in der Senioreneinrichtung Buchenhof in Bochum. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Der gelernte Tischler erinnerte sich, dass neben dem Heimwerken die Modelleisenbahn ein großes Hobby seines Vaters war. „In Absprache mit der Heimleitung habe ich die Bahn mitgebracht. Gemeinsam mit anderen Heimbewohnern entstand eine Interessensgemeinschaft“, sagt Marquardt. Nach einer umfangreicher Recherche habe er herausgefunden, dass sich insbesondere männliche Bewohner nur schwer für die Aktivitäten in Seniorenheimen begeistern könnten.

Selbstgebaute Werkstattat mit gesicherten Maschinen

Durch diese Erkenntnis ist die Idee für das Start-up „Werkzeugkiste“ entstanden: gemeinsames werkeln in Senioreneinrichtungen. Für die Kurse braucht er einfach nur einen Raum mit Tischen und Stühlen. Eine selbstgebaute mobile Werkstatt, Werkzeuge und Materialien bringt er und sein Team mit. Bei einem Kurs im Altenbochumer Seniorenheim Buchen-Hof bauen Tobias Marquardt und Kollege Völker Görtz gemeinsam mit sechs Senioren und Seniorinnen einen Holzkalender.

Schmirgelpapier, Anleitungen und Holzstücke liegen bereits auf den Plätzen, als die Bewohner eintreffen. „Ich habe mit Holz eigentlich nicht viel zu tun“, sagt die 81-jährige Rosemarie Rüdiger, „aber man muss ja auch mal etwas neues ausprobieren.“ Tobias Marquardt und Volker Görtz wechseln immer wieder die Plätze, helfen beim Anzeichnen, Sägen und Schmirgeln – eben genau da, wo die motorischen Fähigkeiten nicht mehr ausreichen und Hilfe benötigt wird.

Einige Senioren haben schon immer handwerklich gearbeitet

Mit Hilfe eines Betreuers zeichnet eine Seniorin das Holz an.
Mit Hilfe eines Betreuers zeichnet eine Seniorin das Holz an. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Währendessen kommen immer mal wieder andere Bewohner in den Gemeinschaftssaal der Einrichtung. Einige kommen nur kurz zum Zeitunglesen und um zu schauen, was gebaut wird. Ein weiterer Bewohner schaut einfach nur zwei Stunden lang beim Bauen des Kalenders zu und genießt die Gesellschaft. Umso länger die Senioren an den Kalendern basteln, desto lauter wird es im Raum.

Immer wieder werden Geschichten von früher erzählt. „Ich habe immer nur gehandwerkelt. Ich habe während des Krieges eine Ausbildung zum Ankerwickler gemacht. Wenn ein Föhn kaputt war, hat man den repariert. Nach der Ausbildung habe ich als Bergmann und dann als Elektriker gearbeitet“, erzählt Heinz Grützner während er akribisch die Zahlen auf die Holzwürfel schreibt.

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Die Kurse sollen auch das Selbstbewusstsein stärken und dabei helfen, vorhandene Kompetenzen wiederzuentdecken. „Beim letzten Mal haben wir eine Buchstütze gebaut und die Frau eines Teilnehmers konnte es nicht glauben, dass er das selbstgebaut hat“, sagt der gelernte Sozialarbeiter, Volker Görtz. Auch Rosemarie Rüdiger ist mit ihrem gebauten Würfelkalender zufrieden. „Ich zeige den Kalender meinem Bruder. Es ist schön, wenn es sowas gibt und Leute einem dabei helfen. Wenn es das nochmal gibt, schaue ich wieder vorbei.“ Das Duo strebt nicht nur Kurse in Pflegeeinrichtungen an, auch Nachmittage für Senioren gemeinsam mit ihren Enkeln und Enkelinnen sind ein langfristiges Ziel.

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