Bochum. Pflegebedürftige müssen immer mehr Kosten aus eigener Tasche zahlen. Träger von Bochumer Pflegeheimen fordern eine Reform der Pflegeversicherung.
Die Kosten für die Pflege steigen und die Kritik an der Pflegeversicherung wird immer lauter. Angehörige blicken erschrocken auf die Steigerungen der Pflegesätze. Auch die Stadt Bochum müsse mit wachsenden Ausgaben für Sozialhilfen rechnen, meint Bodo de Vries, Geschäftsführer des Evangelischen Johanneswerkes.
„Es ist egal, was passiert. Der Pflegebedürftige muss immer mehr zahlen“, kritisiert er. Dazu gehöre beispielsweise eine bessere Qualität in der Pflege, aber auch die Anpassung der Tariflöhne oder die Einhaltung der Einzelbettenquote. Durch die gesteigerten Kosten steigt der Eigenanteil für die Bewohner. Durchschnittlich beträgt der Eigenanteil laut einer Studie des BKK Landesverbands Nordwest in NRW 2248 Euro. Zwar würde die Pflegekasse einen Teil übernehmen, dennoch bleibe noch ein großer Teil für die Pflegebedürftigen. Dafür ist die Rente oft nicht ausreichend. In dem Eigenanteil sind Kosten für Pflege, Unterkunft, Verpflegung und Investitionen der Einrichtungen enthalten.
Pflegebedürftige in Bochum sind auf Sozialleistungen angewiesen
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Pflegebedürftige, die den Eigenanteil nicht zahlen können oder dessen Erspartes in den Jahren aufgebraucht wurde, sind auf Sozialleistungen angewiesen. In Bochum waren davon im Jahr 2018 circa 1887 Senioren betroffen, die in einer Pflegeeinrichtung wohnen. Insgesamt gibt es in der gesamten Stadt 3425 vollstationäre Pflegeplätze.
Auch der Geschäftsführer der Pflegeeinrichtungen der Diakonie Ruhr, die auch sieben Heime in Bochum hat, kann das Problem bestätigen. „Einmal im Jahr müssen wir die Kosten anpassen, das geht eindeutig zu Lasten der Kunden. Ich nehme das als ziemlich angespannt wahr. Es ist ein schambesetztes Thema, wenn Menschen im Alter Hilfe vom Sozialamt benötigen“, sagt Jens Fritsch. Trotz steigender Kosten, würde die Pflegeversicherung die Beiträge nicht erhöhen. In den Pflegeeinrichtungen seien um die 70 Prozent auf Sozialhilfe angewiesen. Bei den anderen 30 Prozent würde die Quote nach mehreren Jahren auf 5 Prozent absinken, da das Ersparte aufgebraucht sei, so Fritsch. Auch Bodo de Vries vom Johanniswerk bestätigt, dass es immer mehr Menschen gebe, die Angst davor hätten, im Alter Sozialhilfe-Empfänger zu werden.
Barbetrag für Senioren reicht nicht immer aus
Friseurbesuch, ein gemeinsames Kaffeetrinken in der Caféteria und Geschenke für die Enkelkinder: Wenn das gesamte Geld für die Pflege drauf geht, steht Senioren ein Barbetrag im Monat zur Verfügung. Dieser liegt derzeit bei rund 114 Euro. „Das reicht nicht aus. Gerade für rauchende Bewohner ist es schwierig, mit dem Geld auszukommen“, sagt Petra Kersten, Leiterin des Buchen-Hofes in Altenbochum. Auch in ihrer Einrichtung seien viele Senioren auf die Sozialhilfe angewiesen.
Höhere Kosten für die Stadt Bochum
Bewohner in Einrichtungen mit höheren Personalschlüsseln und besseren Tarifverträgen müssen grundsätzlich einen höheren Eigenanteil zahlen.
Seit dem 1. Januar gilt das Angehörigen-Entlastungsgesetz. Seitdem müssen erwachsene Kinder nur Zahlen, wenn sie mehr als 100.000 Euro Bruttoeinkommen haben. Dieses Gesetz entlastet die Angehörigen und könnte für die Kommunen gleichzeitig höhere Kosten nach sich ziehen.
Die Stadt Bochum hat im Jahr 2018 27,67 Millionen Euro für stationäre Pflege ausgegeben. Für die ambulante Pflege waren es 2,68 Millionen Euro. „Wir rechnen mit einer Mehrbelastung. Diese wird auf 500.000 Euro geschätzt“, sagt Andrea Henze, Leiterin des Sozialamtes.
Aufgrund des demografischen Wandels werde sich das Problem noch vergrößern, meinen Jens Fritsch und Bodo de Vries. „Es wird immer weniger Beitragszahler geben“, sagt Fritsch. Der Grund dafür sei, eine immer älter werdende Gesellschaft. Derzeit zahlt die Pflegeversicherung einen festen Zuschuss, die Mehrkosten muss der Betroffene oder der Sozialhilfeträger zahlen. Fritsch und de Vries fordern einen sogenannten „Sockel-Spitze-Tausch“. „Die Pflegekasse übernimmt alle notwendigen pflegebedingten Kosten und berechnet den Versicherten nur noch einen fixen, gesetzlich festzulegenden Eigenanteil“, erklärt de Vries.